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01.06.2011

Verzögerter Eingang der letzten Unternehmerrechnung: Wann entsteht die Beitragspflicht?

Darauf, ob ein verzögerter Eingang der letzten Unternehmerrechnung vorliegt, kommt es für die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage nicht an.

 

Der Grundsatz:

 

Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsteht die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Zur endgültigen Herstellung gehört auch der Eingang der letzten Unternehmerrechung bei der Gemeinde (BVerwG v. 22.8.1975 - IV C 11.73 ZMR 1976, 349; ebenso BayVGH v. 28.10.2002 - 6 ZB 98.2832 – n.v.).

 

 

Der Fall:

 

Ein zum Erschließungsbeitrag herangezogener Grundstückseigentümer ergriff Rechtsmittel mit der Begründung, es sei zweifelhaft, ob die sachliche Beitragspflicht tatsächlich erst mit dem Eingang der Rechnung des Ingenieurbüros entstanden sei. Diese Rechnung beziehe sich zwar auf die „bisher erbrachten Ingenieurleistungen" für die Erschließungsmaßnahme. Es sei aber unstreitig, dass diese Ingenieurleistungen Jahre zuvor erbracht und abgeschlossen gewesen seien. In einem solchen extremen Fall der zeitlichen Verzögerung der Rechnungsstellung könne diese Rechnung deshalb nicht den Zeitpunkt der endgültigen Fertigstellung der Maßnahme und damit den Beginn der Festsetzungsverjährung festlegen. Der Anspruch auf Zahlung des Erschließungsbeitrages der Beklagten sei deshalb im Hinblick auf die vierjährige Festsetzungsfrist verjährt.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

Darauf, ob ein verzögerter Eingang der letzten Unternehmerrechnung vorliegt, kommt es für die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage nicht an:

„Auch wenn sich der Eingang der letzten Unternehmerrechnung nicht unerheblich verzögert, wird dadurch der Zeitpunkt des Entstehens des Erstattungsanspruchs und dementsprechend der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist hinausgeschoben. Ebenfalls unerheblich ist, ob die Gemeinde alles Zumutbare veranlasst hat, um die Schlussrechnung sobald wie möglich zu erhalten, d.h. ob sie den verspäteten Rechnungszugang zu vertreten hat ...

Für diese Auffassung spricht bereits der Wortlaut des Gesetzes, der keinen Anhaltspunkt dafür liefert, dass die endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage vom Unterlassen nicht näher definierter oder festgelegter Handlungen der Gemeinde abhängig gemacht werden sollte. Entscheidend ist aber letztlich der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zu Recht ausgeführt hat, ist das Abgabenrecht sowohl aus Gründen der Praktikabilität als auch im Interesse der Rechtssicherheit auf eindeutig erkennbare, einfache und klare Merkmale angewiesen, und zwar insbesondere dort, wo es um die Bestimmung von Fristen geht, von denen der Zeitpunkt des Entstehens und Erlöschens von Ansprüchen abhängt. Darauf abzustellen, ob eine Gemeinde den Eintritt der noch fehlenden Voraussetzungen für die Abrechenbarkeit ohne jeden sachlichen Grund verzögert habe, würde dagegen bedeuten, dass der Entstehungszeitpunkt der sachlichen Beitragspflicht auf einen nicht eindeutig bestimmbaren, beliebigen Zeitpunkt vorverlegt oder auch hinausgeschoben wird. Zudem müsste dann in jedem Einzelfall bestimmt werden, ab wann die Gemeinde nach einer nicht unerheblichen Verzögerung nicht mehr das ihr Zumutbare unternommen hat und ab wann in solchen Fällen das Entstehen der Beitragspflicht fingiert werden soll. Von eindeutig erkennbaren, einfachen und klaren Merkmalen, die für die Bestimmung von Fristen, von denen der Zeitpunkt des Entstehens und Erlöschens von Ansprüchen abhängt, erforderlich sind, könnte dann nicht mehr die Rede sein. Es ist ferner nicht hinreichend bestimmbar, welche Bemühungen die Gemeinde (außer der nicht obligatorischen eigenen Abrechnung nach § 14 Nr. 4 VOB/B; ...) im Einzelnen entfalten müsste, um die Schlussrechnung sobald wie möglich zu erhalten, und ab welchem Zeitpunkt sie andernfalls einen verspäteten Rechnungszugang zu vertreten hätte.“

 

Die Gefahr einer Manipulation ist gering:

„Im Regelfall ist davon auszugehen, dass ein Bauunternehmer (bzw. ein Architekt oder Ingenieur) als privater Teilnehmer am Wirtschaftsleben versucht, seine Forderungen so bald wie möglich zu realisieren. Es ist kaum denkbar, dass er nur deshalb auf die Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber der Gemeinde als Auftraggeberin zeitweilig verzichtet, um den Beginn der Festsetzungsverjährungsfrist hinauszuzögern. Auch für ein entsprechendes Verhalten der Gemeinde ist kein vernünftiger Grund ersichtlich. ...

Ob Fälle denkbar sind, in denen das objektive Abstellen auf den Eingang der letzten Unternehmerrechnung zu grob unangemessenen Ergebnissen führen würde, kann dahinstehen. Denn selbst wenn solche Fälle existierten, rechtfertigte dies keine richterliche Rechtsfortbildung, für die sich keinerlei Anhalt im Gesetzeswortlaut findet. Einzelfälle, in denen eine Beitragserhebung grob unbillig wäre, könnten vielmehr bereits mit hergebrachten und anerkannten Rechtsinstituten angemessen gelöst werden. Sollte beim Beitragspflichtigen ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sein und dieser sein Vertrauen entsprechend betätigt haben, stünde der Beitragserhebung möglicherweise das Institut der Verwirkung entgegen (...). Bei einem - wohl nur theoretisch denkbaren - kollusiven Zusammenwirken zwischen Unternehmer und Gemeinde zum Zwecke der Schädigung des Beitragspflichtigen könnte sogar daran gedacht werden, den Gedanken des Rechtsmissbrauchs fruchtbar zu machen.“

 

 

Unsere Hinweise:

 

Die Entscheidung enthält weitere Ausführungen, so z.B. zur Vergleichbarkeit mit der zivilrechtlichen Rechtslage und zur Frage einer seitens des Beitragspflichtigen angeregten richterlichen Rechtsfortbildung.

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie unter Rdnrn. 1101 ff. umfangreiche Erläuterungen zum Entstehen der Beitragspflicht; zum Zeitpunkt des Abschlusses einer Maßnahme s. Rdnr. 1115, zu Vertrauensschutz, Verwirkung und dem Grundsatz von Treu und Glauben s. Rdnrn. 1137 und 1138 .

 

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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