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23.05.2016

Vertragsrecht: Rückabwicklung gescheiterter Verträge

Bei der Bestimmung der Leistungsbeziehungen in Mehr-Personen-Verhältnissen muss man sich an der – recht komplexen – zivilrechtlichen Rechtsprechung orientieren.

 

Der Grundsatz:

Erweist sich ein Vertrag als nichtig, nachdem der öffentlich-rechtliche Vertragspartner aufgrund des Vertrages Gelder vereinnahmt hat, dann muss dieser Geldfluss rückgängig gemacht werden. Sofern es keine Spezialregelungen gibt, wird im öffentlichen Recht aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch abgeleitet, der sich am bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) orientiert, sofern öffentliche Interessen keine andere Bewertung erforderlich machen.

 

So hat nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB der Leistungserbringer gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Herausgabe des durch Leistung Erlangten, wenn das der Leistung zugrundeliegende Vertragsverhältnis gescheitert ist. Schwieriger zu beurteilen sind jedoch die Konstellationen, an denen drei Personen beteiligt sind.

 

Beispielsfall: Käufer und Verkäufer schließen einen Kaufvertrag über eine Ware. Der Käufer weist seine Bank an, an den Verkäufer den Kaufpreis zu zahlen.

 

 
   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Scheitert der Kaufvertrag, dann ist offensichtlich, dass der Verkäufer vom Käufer – und nicht von der Bank – auf Rückzahlung des Kaufpreises verklagt werden muss, obwohl die Bank den Geldtransfer vorgenommen hat. Ist hingegen aus irgendeinem Grund der Vertrag zwischen Käufer und Bank unwirksam, so dass die Bank den Kaufpreis gar nicht hätte überweisen müssen, dann wird sie sich diesen Betrag vom Käufer zurückholen und gegen ihn gerichtlich vorgehen und nicht gegen den Verkäufer, der ja nichts mit dem gescheiterten Vertragsverhältnis zwischen Bank und Käufer zu tun hat.

 

Rechtlich wird dieses Ergebnis damit begründet, dass zwischen der Bank und dem Verkäufer – im sog. Zuwendungsverhältnis – kein Leistungsverhältnis im Sinne des § 812 BGB besteht: die Bank hat gegenüber dem Verkäufer keine Pflicht zur Leistung. Durch die Geldzahlung möchte die Bank ihre vertragliche Pflicht im Deckungsverhältnis gegenüber dem Käufer erfüllen; sie leistet also gegenüber dem Käufer durch Zahlung an den Verkäufer. Durch die Zahlung der Bank hingegen leistet der Käufer an den Verkäufer in Erfüllung seiner Zahlungspflicht aus dem Kaufvertrag im Valutaverhältnis.

 

Die Leistungsverhältnisse, innerhalb derer eine Rückabwicklung möglich ist, liegen also im Valuta- und Deckungsverhältnis, nicht jedoch im Zuwendungsverhältnis, auch wenn in diesem Verhältnis der Geldfluss erfolgt.

 

 

 

Der Fall:

Die beklagte Gemeinde schloss 1992 mit der Klägerin – einem Unternehmen – einen städtebaulichen Vertrag u.a. über die Erschließung eines Wohngebiets. Zur Erfüllung dieses Vertrages hatte die Klägerin bis 1994 im Rahmen von sog. „Umlegungs- und Erschließungsbestimmungen“ Vollmachten aller Grundstückseigentümer erhalten, um mit der Gemeinde Erschließungsverträge sowie alle weiteren erforderlichen Vereinbarungen im Namen der Grundstückseigentümer zu schließen und auch für die Eigentümer zu erfüllen. So kam es 1996 zu einem Vertragsschluss zwischen den Grundstückseigentümern, vertreten durch die Klägerin, über die Kostenerstattung für die äußere Erschließung des Wohngebiets. Aufgrund dieses Vertrags zahlte die Klägerin – wie sie mit den Eigentümern vereinbart hatte – den Erstattungsbetrag in Höhe von 705.760 EUR an die Beklagte. Im Jahre 2002 wurde der städtebauliche Vertrag aus dem Jahre 1992 gekündigt. Der im Jahre 1996 geschlossene Vertrag zwischen Gemeinde und Eigentümern erwies sich aus anderen Gründen als nichtig. In der Folge verlangte die Klägerin die 705.760 EUR von der Gemeinde zurück, die sie aufgrund des Vertrags aus dem Jahre 1996 gezahlt hatte. Erstinstanzlich gab das Verwaltungsgericht dem Klagebegehren statt. Das Oberverwaltungsgericht jedoch sah dies anders, wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Die Klägerin legte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Das BVerwG wies die Beschwerde in diesem Punkt zurück. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der 705.760 EUR, da dieser Rückzahlungsanspruch den Eigentümern zusteht.

 

Das BVerwG wiederholt zunächst kurz die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die es als Revisionsinstanz gebunden ist:

  • Der städtebauliche Vertrag von 1992 zwischen Klägerin und Beklagte war nicht Rechtsgrundlage für die Zahlung der 705.760 EUR gewesen.
  • Die „Umlegungs- und Erschließungsbestimmungen“ samt den Vollmachten aus dem Jahre 1994 berechtigten die Klägerin zur Vertretung der Eigentümer gegenüber der Gemeinde und verpflichteten sie zur Erfüllung der geschlossenen Verträge im Namen der Eigentümer.
  • Der Vertrag von 1996, der sich später als nichtig herausstellte, war zwischen den Eigentümern – vertreten durch die Klägerin – geschlossen und von der Klägerin im Namen der Eigentümer durch Zahlung von 705.760 EUR erfüllt worden.

 

Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Grundsätze des Bereicherungsrechts

 

Bei der Rückabwicklung des nichtigen Vertrags von 1996 über die Zahlung von 705.760 EUR ist, so das BVerwG, das bürgerlich-rechtliche Bereicherungsrecht maßgeblich:

 

„Für Konstellationen dieser Art ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 812 BGB, der der Senat folgt, geklärt, dass nach dem maßgeblichen verobjektivierten Empfängerhorizont eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens (Leistung) grundsätzlich im Verhältnis zwischen dem Vertretenen – hier: den Grundstückseigentümern – und dem Zuwendungsempfänger – hier: der Beklagten – stattfindet, ein Anspruch aus Leistungskondiktion mithin regelmäßig (nur) in diesem Verhältnis besteht. Ebenfalls geklärt ist, dass sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbietet und für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung in erster Linie die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten sind […]. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wiederum ist anerkannt, dass die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auch hinsichtlich des Ausgleichs in Mehrpersonenverhältnissen regelmäßig denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen […].“

 

Für den vorliegenden Fall bedeutete das eine Rückabwicklung innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehungen. Das Berufungsgericht hat in der zweiten Instanz wie folgt formuliert:

 

„Hier liegt ein […] Mehrpersonenverhältnis vor, bei dem es an einem Leistungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten fehlt, das bereicherungsrechtlich rückabgewickelt werden könnte. Denn die Klägerin ist bei Abschluss des Vertrags vom 19. Juni 1996 – nach dessen Rubrum ausdrücklich – als Bevollmächtigte der von ihr vertretenen Grundstückseigentümer aufgetreten. […] Die von der Klägerin vertretenen Grundstückseigentümer waren somit gegenüber der Beklagten verpflichtet, die 705.760,00 € zu zahlen, nicht aber die Klägerin. Die Zahlungspflicht der Klägerin ergab sich vielmehr aus den notariell beurkundeten Umlegungs- und Erschließungsbestimmungen mit den Grundstückseigentümern, in denen sich die Klägerin den von ihr vertretenen Grundstückseigentümern gegenüber zur Vorfinanzierung der Erschließungsmaßnahmen und zur Erfüllung der von ihr im Namen der Grundstückseigentümer eingegangenen Verbindlichkeiten verpflichtet hatte. Indem die Klägerin die 705.760,00 € an die Beklagte gezahlt hat, hat sie somit gegenüber der Beklagten die vertragliche Verpflichtung der Grundstückseigentümer erfüllt und gegenüber den Grundstückeigentümern ihre Pflicht zur Vorfinanzierung der Erschließungsmaßnahme.“

 
   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorliegen eines sog. Doppelmangels

 

 

Von dem Grundsatz, dass innerhalb der Leistungsverhältnisse abzuwickeln sei, wird im Zivilrecht teilweise dann abgewichen, wenn dem Deckungs- und dem Valutaverhältnis zugrunde liegenden Verträge nichtig sind. Das BVerwG hat diesen Sonderfall vorliegend aber nicht als einschlägig erachtet:

 

„Auch soweit sich die Beschwerde auf die Rechtsfigur des so genannten "Doppelmangels" von Deckungs- und Valutaverhältnis bezieht, zeigt sie einen grundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Das Berufungsgericht hat für eine solche Konstellation unter Hinweis auf die zivilrechtliche Rechtsprechung einen Durchgriffsanspruch des Zuwendenden gegen den Zuwendungsempfänger erwogen, die Voraussetzungen dieses Ausnahmefalls aber verneint, weil hier allenfalls das Valutaverhältnis zwischen den Grundstückseigentümern und der Beklagten, der Vertrag vom 19. Juni 1996, mangelhaft gewesen sei, während die Klägerin im Deckungsverhältnis von den Grundstückseigentümern wirksam beauftragt und bevollmächtigt gewesen sei. […]“

 

Reichweite einer Vollmacht

 

Im Revisionsverfahren trug die Klägerin zudem vor, die ihr von den Eigentümern erteilte Vollmacht im Rahmen der Umlegungs- und Erschließungsbedingungen umfasse nicht die Berechtigung, nichtige Verträge zu schließen. Dieses Argument griff nicht durch:

 

„Der Umfang der Vollmacht wird vom Vollmachtgeber bestimmt und ist gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln […]. Für die von der Beschwerde angenommene gesetzliche Beschränkung der Vollmacht dahingehend, dass sie nur zum Abschluss wirksamer Verträge ermächtigt, enthalten die §§ 164 ff. BGB keinerlei Anhaltspunkte. Sie stünde hierzu vielmehr bereits deshalb in Widerspruch, weil das Haftungsrisiko, welches der Vertreter gemäß § 179 Abs. 1 BGB unter Zugrundelegung der klägerischen Prämisse trüge, unkalkulierbar und diesem damit nicht zumutbar wäre.“

 

 

Unsere Hinweise

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zu Vertragsstörungen beim Erschließungsvertrag in den Rdnrn. 1640 ff.


Unsere Tipps für die Praxis:

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