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24.04.2014

Verlängerung einer Straße über den Geltungsbereich des Bebauungsplans hinaus: Herstellung rechtmäßig?

Ein Wendehammer verlängert die Straße an ihrem Ende über das Plangebiet hinaus, weshalb der Bebauungsplan nicht als planungsrechtliche Grundlage für ihn dienen kann.

Der Grundsatz:

Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB setzt einen Bebauungsplan voraus (§ 125 Abs. 1 BauGB); von dessen Festsetzungen unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden kann (§ 125 Abs. 3 BauGB). Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so müssen die in § 1 Abs. 4 – 7 BauGB bezeichneten Anforderungen  erfüllt sein.

 

Der Fall:

Die Gemeinde erhob Erschließungsbeiträge für die erstmalige Herstellung einer Straße, die als Stichstraße mit Wendehammer ganz überwiegend im Geltungsbereich des Bebauungsplans angelegt worden war; der Wendehammer befindet sich aber außerhalb des Plangebiets. Eine zum Beitrag herangezogene Grundstückseigentümerin wandte sich gegen die Beitragserhebung u.a. mit dem Argument, die Straße sei nicht rechtmäßig hergestellt worden, weil der Wendehammer nicht vom Bebauungsplan erfasst werde. Das erstinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht wies die Klage ab: Es sei davon auszugehen, dass die Straße insgesamt rechtmäßig hergestellt worden sei. Soweit sie innerhalb des Bebauungsplangebiets liege, sei ihre Herstellung durch § 125 Abs. 1 BauGB gedeckt, weil sie den planerischen Festsetzungen entspreche. Dass der Wendehammer außerhalb des Plangebiets liege, stelle keine nach § 125 Abs. 3 BauGB zu beurteilende Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans dar. Der Wendehammer verlängere die Straße an ihrem Ende über das Plangebiet hinaus, weshalb der Bebauungsplan nicht als planungsrechtliche Grundlage für ihn dienen könne. Insoweit habe die Beklagte aber nachträglich die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen, indem der zuständige Ausschuss des Gemeinderats die Anfügung des Wendehammers gebilligt habe. Diese Abwägungsentscheidung entspreche den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB. Damit seien hinsichtlich des Wendehammers die Voraussetzungen erfüllt, unter denen eine Erschließungsanlage nach § 125 Abs. 2 BauGB auch ohne Vorliegen eines Bebauungsplanes rechtmäßig hergestellt werden dürfte. Mit dieser Abwägungsentscheidung seien die sachlichen Beitragspflichten für die Erschließungsanlage insgesamt entstanden. Die Klägerin beantragte beim BayVGH die Zulassung der Berufung.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Die Verlängerung einer Straße über die Grenze des Bebauungsplans hinaus ist nicht nach § 125 Abs. 3, sondern nach § 125 Abs. 2 BauGB zu beurteilen.

„Entgegen der Ansicht der Klägerin findet § 125 Abs. 2 BauGB auf den außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans … gelegenen Teil der K-Straße (Wendehammer) Anwendung. Nach § 125 Abs. 1 BauGB setzt die Herstellung einer Erschließungsanlage im Sinn des § 127 Abs. 2 BauGB einen Bebauungsplan voraus. In Ausnahme von diesem Grundsatz dürfen für den Fall, dass ein Bebauungsplan nicht vorliegt, diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Diese Vorschriften stehen nicht in einem solchen Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander, dass eine zum Anbau bestimmte Straße als Erschließungsanlage im Sinn von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB mit ihrer gesamten Fläche entweder nur nach § 125 Abs. 1 BauGB oder ausschließlich nach § 125 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist. Verläuft eine (nach natürlicher Betrachtungsweise einheitliche) Anbaustraße sowohl im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplans als auch durch ungeplantes Gebiet, kommen vielmehr beide Vorschriften nebeneinander für die jeweiligen Straßenflächen zur Anwendung. Das hat der Senat bereits wiederholt entschieden (…). Einem solchen Verständnis stehen weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Lässt § 125 Abs. 2 BauGB eine Ausnahme vom Planerfordernis für eine Erschließungsanlage insgesamt zu, so erst recht für Teilflächen, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans liegen. Ob es denkbar ist, dass ein Bebauungsplan wirksame Festsetzungen dazu enthält, dass eine bis an die Grenze seines Geltungsbereiches reichende Erschließungsanlage darüber hinaus nicht fortgesetzt werden darf, kann dahinstehen. Eine solche Festsetzung enthält der hier maßgebliche Bebauungsplan … ersichtlich nicht. Deshalb ist der außerhalb des Plangebiets gelegene Wendehammer … auch nicht in Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans errichtet worden, was nach § 125 Abs. 3 BauGB zu beurteilen wäre. Eine Herausnahme von Mehrkosten für die außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans gelegene Teilfläche ist daher nicht erforderlich (…).“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie umfangreiche Erläuterungen zur Rechtmäßigkeit der Herstellung mit der Darstellung der aktuellen Rechtsprechung bei Rdnrn. 60 ff., zur planabweichenden Herstellung s. Rdnrn. 67 ff., zum Verhältnis von Planabweichung  zur Herstellung ohne Bebauungsplan s. Rdnr. 70.

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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