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20.02.2019

V_2019-12-18_Straßenausbaubeitrag: Einstufung einer Straße, die in einer von Touristen stark besuchten historischen Altstadt liegt

Der Fall:

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Erneuerung und Verbesserung der B.-gasse. Die etwa 395 m lange und zwischen 3,60 m bis 8,35 m breite B.-gasse liegt in der historischen Altstadt.

Das Verwaltungsgericht hat den Vorauszahlungsbescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es fehle eine tragfähige Rechtsgrundlage in Form einer Sondersatzung, die wegen der atypischen Straßensituation zur Festlegung des Gemeindeanteils erforderlich sei. Die B.-gasse sei Teil der historischen Altstadt, die bei Touristen berühmt sei. Aus diesem Grund finde auf den Straßen der Altstadt ein enormer Fußgängerverkehr statt, der sich nicht nur als Ziel- und Quellverkehr zu exponierten Grundstücken darstelle, sondern als Durchgangsverkehr anzusehen sei, da die historische Altstadt als Gesamtkonzept wahrgenommen und somit auch in ihrer Gesamtheit besucht werde. Da es sich bei dieser Ortsstraße aufgrund dieser atypischen Gegebenheiten um einen Straßentyp handele, bei dem die in der Satzung festgelegte Eigenbeteiligung der Beklagten die nach der Möglichkeit der Inanspruchnahme zu bemessenden Vorteile für die Allgemeinheit verfehle, sei eine Sondersatzung erforderlich.

Die Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt.

Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung stattgegeben und die Klage abgewiesen.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Vorausleistungsbescheide, die bis zum 31. Dezember 2017 erlassen wurden, sind weiter auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen

„Durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) wurde rückwirkend zum 1. Januar 2018 die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verboten (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG n.F.). Allerdings verbleibt es für Beiträge und für Vorauszahlungen, die – wie hier – bis zum 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind, nach Maßgabe der Übergangsvorschriften in Art. 19 Abs. 7 und 8 KAG bei der früheren, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage (KAG a.F.), die sich aus dem Kommunalabgabengesetz selbst und dem auf seiner Grundlage wirksam erlassenen gemeindlichen Satzungsrecht ergibt.

Auf dieser Rechtsgrundlage hat die Beklagte den Kläger dem Grunde wie der Höhe nach rechtmäßig zu einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag nach Art. 5 Abs. 5, Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. für die Verbesserung und Erneuerung der Burggasse herangezogen. Ob sie diese Vorauszahlung endgültig behalten darf, bestimmt sich nach der Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 8 KAG und ist nicht Prüfungsgegenstand in diesem Verfahren.“

 

Verkehrsberuhigter Ausbau stellt Verbesserungsmaßnahme dar

„Bei den Straßenbaumaßnahmen, mit denen die in der historischen Altstadt gelegene und erneuerungsbedürftige B.-gasse verkehrsberuhigt ausgebaut wird, handelt es sich – unstreitig – um die Erneuerung und Verbesserung einer Ortsstraße, für die die Beklagte auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG a.F. in Verbindung mit ihrer Ausbaubeitragssatzung – ABS – (…) Beiträge von denjenigen Grundstückseigentümern erheben durfte (und musste), denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Straße besondere Vorteile bietet (zur Beitragserhebungspflicht nach früherer Rechtslage BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – BayVBl 2017, 200). Da die Beklagte mit der Ausführung der Straßenausbaumaßnahmen bereits begonnen hatte, die sachlichen Beitragspflichten zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses aber noch nicht entstanden waren, durfte sie nach Art. 5 Abs. 5 KAG Vorauszahlungen auf den endgültigen Beitrag erheben. Der dabei zu Grunde gelegte beitragsfähige Aufwand begegnet keinen Bedenken, zumal die Beklagte einerseits statt der Kosten für das verwendete Granitpflaster nur die niedrigeren Kosten für fiktives Betonpflaster eingestellt und andererseits lediglich etwas mehr als die Hälfte des voraussichtlichen Beitragssatzes angesetzt hat.“

 

Eigenbeteiligungsregelung in Satzung auch mit Blick auf hohen Anteil touristischer Besucher wirksam

„Die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten (…) ist wirksam und trägt auch die Beitrags- und Vorauszahlungserhebung für den Ausbau der B.-gasse. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts genügt die Eigenbeteiligungsregelung in § 7 ABS auch mit Blick auf den hohen Anteil touristischer Fußgänger den gesetzlichen Anforderungen; einer Sondersatzung bedarf es nicht. In Anwendung dieser Satzungsregelung hat die Beklagte zu Recht eine Eigenbeteiligung am prognostizierten beitragsfähigen Aufwand von 20 v.H. abgezogen, weil die B.-gasse der Kategorie „verkehrsberuhigter Bereich als Anliegerstraße“ im Sinn von § 7 Abs. 2 Nr. 4.1 ABS zuzuordnen ist.“

 

Einer Sondersatzung für touristisch stark frequentierte Straßen bedarf es nicht

„Die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten enthält in § 7 eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Eigenbeteiligungsregelung auch für touristisch stark frequentierte Straßen in der historischen Altstadt; einer Sondersatzung für die B.-gasse (oder vergleichbare Straßen in der Altstadt) bedarf es nicht.

Nach Art. 5 Abs. 3 KAG a.F. ist in der Abgabesatzung eine Eigenbeteiligung der Gemeinde vorzusehen, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugute kommt (Satz 1). Die Eigenbeteiligung muss die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen (Satz 2). Satzungen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F., also solche der in Rede stehenden Art zur Erhebung eines Straßenausbaubeitrags, haben eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen (Satz 3). Ergänzender Einzelsatzungen bedarf es nicht (Satz 4).

Mit den beiden letztgenannten Vorschriften, die durch das Änderungsgesetz vom 25. Juli 2002 (GVBl. S. 322) eingefügt worden waren, hat der Gesetzgeber klargestellt, dass Straßen gemeindeweit nach einheitlichen Maßstäben auf Grund einheitlicher Eigenbeteiligungssätze abgerechnet werden sollen und dass Sondersatzungen für einzelne Straßen nicht notwendig sind, aber von den Gemeinden erlassen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 5.2.2007 – 6 BV 05.2153 – BayVBl. 2007, 597/599). Dieses gesetzliche Ziel verbietet die Annahme, die Beklagte müsse aufgrund der besonderen Umstände für die B.-gasse (und konsequenter Weise auch für andere touristisch frequentierte Straßen in der historischen Altstadt) zwingend eine Sondersatzung erlassen. Es stellt sich vielmehr allein die Frage, ob die allgemeine Eigenbeteiligungsregelung ausreichend differenziert ist, um die örtlichen Besonderheiten einer touristisch besonders frequentierten historischen Altstadt vorteilsgerecht abbilden zu können.

Aus der gesetzlichen Vorgabe, den öffentlichen Nutzen „angemessen“ in die Eigenbeteiligung einzustellen, sowie der Erkenntnis, dass sich aus Straßenbaumaßnahmen erwachsende Vorteile einer rechnerischen exakten Bemessung von vornherein entziehen, weshalb nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegangen werden kann, folgt zwangsläufig, dass der Gemeinde bei der Entscheidung über die Eigenbeteiligungssätze im Einzelnen ein weiter Bewertungsspielraum zuzubilligen ist, der nicht voll der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Ermächtigung des Satzungsgebers, einen Spielraum auszuschöpfen, findet ihre rechtliche Grenze erst in den allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätzen des Prinzips, dass der Beitrag einen Ausgleich für einen Vorteil darstellen muss, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots. Innerhalb dieser Grenzen ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde typische Fallgruppen in einer vereinheitlichenden Weise erfasst, die das Heranziehungsverfahren praktikabel, überschaubar und effizient gestaltet (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – VGHE 54, 178/179; U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – juris Rn. 18).

Ausgehend hiervon ist die gemeindliche Selbstbeteiligung so abzustufen, dass der Vorteil, der der Allgemeinheit im Verhältnis zu den Anliegern zuwächst, ausreichend differenziert berücksichtigt wird. Der Satzungsgeber hat daher bei seiner Wertung zu berücksichtigen, ob und inwieweit den Anliegern durch ihre räumliche Beziehung zu der Straße und deren Inanspruchnahme ein Vorteil zuwächst und in welchem Umfang der Vorteil der Allgemeinheit sich hierdurch gegebenenfalls verringert. Entscheidendes Kriterium ist dabei das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und die Allgemeinheit andererseits (BayVGH, U.v. 29.10.1984 – 6 B 82 A.2893 – BayVBl 1985, 117 ff.; U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – juris Rn. 19; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 366 ff.). Bei der Abwägung zwischen dem individuellen Vorteil des Anliegers und dem Vorteil der Allgemeinheit ist die Verkehrsbedeutung der jeweiligen Straße das wichtigste Kriterium. Es ist notwendig, zumindest drei Straßenkategorien (einschließlich ihrer Teileinrichtungen) entsprechend der Verkehrsfunktion aufzustellen, nämlich Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen, wobei für die konkrete Einordnung die in der Satzung notwendigerweise enthaltene Definition des jeweiligen Straßentyps heranzuziehen ist. Je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von der Allgemeinheit benutzt wird, desto höher ist der Wert des durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der Allgemeinheit vermittelten Vorteils zu bemessen und desto höher muss dementsprechend der Gemeindeanteil sein. Umgekehrt muss der Anliegeranteil umso höher sein, je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von den anliegenden Grundstücken aus benutzt wird. Dabei ist auch nach den einzelnen Teileinrichtungen der Ortsstraßen zu differenzieren (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – VGHE 54, 178/180 ff.). In einer Anliegerstraße können die Vorteile für die Anlieger im Verhältnis zur Allgemeinheit für alle Teileinrichtungen gleich bemessen werden. Bei Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen hingegen unterscheiden sich die von unterschiedlichen Teileinrichtungen ausgehenden Vorteile so stark voneinander, dass ein einheitlicher Gemeindeanteil zu pauschal wäre, um dem Vorteilsprinzip noch zu genügen. Schließlich darf der gemeindliche Anteil nicht so hoch bemessen sein, dass die Gemeinde der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. nicht mehr nachkommt. Abgesehen von diesen gesetzlichen Vorgaben sowie von den durch das Vorteilsprinzip gesetzten Grenzen ist es Sache des Satzungsgebers, den Gemeindeanteil in der Satzung zu bestimmen. Die satzungsmäßige Festlegung von Gemeindeanteil und Anliegeranteil ist nur dann rechtswidrig, wenn der jeweils gewählte Anteil unter Vorteilsgesichtspunkten schlechterdings nicht mehr vertretbar ist, d.h. die Überschreitung des höchstzulässigen oder die Unterschreitung des mindestens Gebotenen völlig eindeutig ist und außer Frage steht (OVG Berlin-Bbg, B.v. 22.5.2015 – 9 S 8.14 – juris Rn. 12; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 371).

Gemessen an diesem Maßstab begegnet die Eigenbeteiligungsregelung in § 7 ABS keinen rechtlichen Bedenken.

Für Ortsstraßen sind die Kategorien Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen (§ 7 Abs. 2 Nr. 1.1 bis 1.3 ABS), verkehrsberuhigte Bereiche als Anliegerstraßen oder Hauptverkehrsstraßen (§ 7 Abs. 2 Nr. 4.1 und 4.2 ABS) sowie Fußgängerbereiche (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 ABS) gebildet und mit Ausnahme letzterer jeweils differenziert nach den Teileinrichtungen und entsprechend ihrer Verkehrsbedeutung mit verschieden hohen Eigenbeteiligungssätzen der Gemeinde gestaffelt. Die Sätze belaufen sich bei Anliegerstraßen und entsprechenden verkehrsberuhigten Bereichen für sämtliche Teileinrichtungen auf 20 v.H. Bei Haupterschließungsstraßen betragen sie für die Fahrbahn 50 v.H., für die Mischflächen bei einem verkehrsberuhigten Bereich 45 v.H. und für die übrigen Teileinrichtungen jeweils 35 v.H. Bei Hauptverkehrsstraßen sind sie auf 70 v.H. für die Fahrbahn und 45 v.H. für die sonstigen Teileinrichtungen festgesetzt. Bei Fußgängerbereichen beträgt der Eigenanteil 40 v.H. Diese Eigenbeteiligungssätze entsprechen dem Vorschlag des Bayerischen Gemeindetags in seinem Satzungsmuster (Stand 23.11.2016) und halten sich nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (BayVGH, U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – Rn. 21).“

 

Der Besuch von Touristen aus aller Welt zwingt weder zur Bildung weiterer Straßenkategorien noch zur Erhöhung der gemeindlichen Eigenbeteiligung

„Der Umstand, dass die historische Altstadt der Beklagten von Touristen aus aller Welt in großer Zahl besucht wird, zwingt den Satzungsgeber weder zur Bildung weiterer Straßenkategorien noch zur teilweisen oder gar pauschalen Erhöhung der gemeindlichen Eigenbeteiligung. Dass touristisch stark frequentierte Straßen von der Beklagten möglicherweise aufwändiger ausgebaut werden, muss insoweit außer Betracht bleiben (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2003 – 6 B 99.1270 – juris Rn. 22). Diesem Gesichtspunkt ist gegebenenfalls bei der Ermittlung des beitragsfähigen Ausbauaufwands Rechnung zu tragen, der gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 KAG auf das Erforderliche zu beschränken und gegebenenfalls um überschießende Kostenpositionen zu mindern ist; um dem Rechnung zu tragen, hat die Beklagte bei Berechnung der strittigen Vorauszahlung die fiktiven (billigeren) Kosten für Betonpflaster statt des tatsächlichen Aufwands für das verlegte Granitpflaster angesetzt. Für die Bestimmung der Eigenbeteiligung kommt es hingegen nicht auf das Überschreiten eines bestimmten Aufwandsniveaus an, sondern allein auf das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und die Allgemeinheit andererseits. Bezogen auf dieses Kriterium stellt die Straßennutzung durch Touristen keine Besonderheit dar, der durch weitere Ausdifferenzierung der Straßenkategorien oder durch Erhöhung der Eigenbeteiligungssätze begegnet werden müsste.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass touristische Verkehrsströme keineswegs zwangsläufig dem Allgemeinvorteil zuzuordnen sind. Denn der Begriff der Anlieger beschränkt sich nicht etwa auf die Anwohner der jeweiligen Straße, sondern umfasst alle Verkehrsteilnehmer, die sich zu den anliegenden Grundstücken hin- oder von ihnen weg begeben und demnach den „Anliegerverkehr“ bilden (Ziel- und Quellverkehr). Dem Anliegerverkehr ist darüber hinaus auch der kleinräumige Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier zuzuordnen; denn bei diesem handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße erforderlich wäre (BayVGH, U.v. 31.7.2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 20 m.w.N.). Der vom Anliegerverkehr zu unterscheidende und dem Vorteil für die Allgemeinheit zuzuordnende inner- oder überörtliche Durchgangsverkehr ist demgegenüber jeder Verkehr, der die ausgebaute Ortsstraße lediglich im Rahmen des Gemeingebrauchs durchschreitet oder durchfährt, ohne mit einer qualifizierten Beziehung zwischen Straße und anliegenden Grundstücken verbunden zu sein, also die abzurechnende Straße lediglich als Verbindungsweg zwischen zwei anderen Straßen benutzt und weder von einem durch die Straße erschlossenen Grundstück ausgeht noch ein solches Grundstück zum Ziel hat (BayVGH, B.v. 3.11.2016 – 6 ZB 15.2805 – juris Rn. 16). Touristische Verkehrsströme sind daher ohne weiteres dem Anliegerverkehr zuzuordnen, soweit es sich um Ziel- und Quellverkehr aus der jeweiligen Straße oder dem betreffenden Bauquartier handelt, auch wenn es sich „nur“ um mehr oder weniger kurzfristige Besuche in einem Museum, einem Geschäft, einer Gaststätte oder einer Sehenswürdigkeit handelt.“

 

Die Frequentierung der Straße durch Touristen hindert nicht die Annahme einer Anliegerstraße

„Die Beklagte hat die B.-gasse in Anwendung des § 7 EBS, was gerichtlich uneingeschränkt zu überprüfen ist, zu Recht als Anliegerstraße (und zwar in der Gestalt als verkehrsberuhigter Bereich i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 4.1, Abs. 3 Nr. 4 ABS) eingestuft und dementsprechend einen gemeindlichen Eigenanteil von 20 v.H. für sämtliche Teileinrichtungen angesetzt.

Die Ausbaubeitragssatzung definiert in § 7 Abs. 3 ABS Anliegerstraßen als Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen (Nr. 1). Haupterschließungsstraßen sind Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind (Nr. 2). Hauptverkehrsstraßen sind Straßen, die ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen (Nr. 3). Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Einordnung einer Straße in eine dieser Straßenkategorien ausgehend von den Definitionen der Satzung auf die Zweckbestimmung abzustellen, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Lediglich „daneben“, gewissermaßen als Bestätigungsmerkmal, können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Bedeutung sein (vgl. BayVGH, U.v. 20.2.2009 – 6 BV 07.615 – juris Rn. 19; U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18; B.v. 9.3.2015 – 6 ZB 14.124 – juris Rn. 6; B.v. 17.2.2016 – 6 ZB 14.1871 – juris Rn. 20). Anliegerverkehr ist, wie oben ausgeführt (Rn. 27), jeder Verkehr, der zu den angrenzenden Grundstücken hinführt oder von ihnen ausgeht (Ziel- und Quellverkehr), wobei er darüber hinaus auch den kleinräumigen Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier umfasst.

Gemessen an diesem Maßstab handelt es sich bei der B.-gasse um eine Anliegerstraße. Sie liegt am südwestlichen Rand des historischen Altstadtbereichs, der das maßgebliche Bauquartier bildet, und führt bogenförmig mit einer Breite von etwa 3,60 m bis 8,35 m von der Oberen Sch.-gasse zur H.-gasse. Schon mit Blick auf ihre Randlage entlang der alten Stadtmauer, an die sich nach Süden der Abhang zum Taubertal anschließt, ist auszuschließen, dass über die schmale B.-gasse durchgehender inner- oder gar überörtlicher Fahrzeugverkehr von nennenswertem Gewicht abgewickelt werden soll. Das ergibt sich im Übrigen aus der nach dem Bauprogramm vorgesehenen Ausgestaltung als verkehrsberuhigter Bereich mit einer durchgehenden gepflasterten Mischfläche. So besteht unter den Beteiligten Einigkeit darüber, dass der motorisierte Verkehr beinahe ausschließlich den Anwohnern zugerechnet werden kann.

Dass die B.-gasse von – je nach Saison mehr oder weniger – zahlreichen Touristen fußläufig genutzt wird, steht der Einstufung als Anliegerstraße nicht entgegen. Diese Nutzung ist im Gegenteil in aller Regel dem Anliegerverkehr und damit dem Anliegervorteil zuzuordnen, woran weder die hohe Zahl noch die Herkunft der Touristen etwas ändern. Denn diese Nutzung wird entweder durch die in der Straße selbst gelegenen oder über sie in der kleinräumigen Umgebung erreichbaren touristischen „Anlaufpunkte“ ausgelöst, wie etwa durch Gaststätten und Hotels, das Kriminalmuseum oder den Burggarten, und gehört damit zum typischen Ziel- und Quellverkehr (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2016 – 6 ZB 15.2785 – juris Rn. 16). Selbst der bloße touristische Spaziergang durch die Burggasse als Teil einer Besichtigungstour durch die historischen Altstadtgassen ohne konkreten Anlaufpunkt vermag nichts am Charakter als Anliegerstraße zu ändern, sondern bestätigt ihn vielmehr. Denn insoweit ist die historische Altstadt als solche Ziel und Quelle des Verkehrs im Bauquartier, der deshalb nicht den Charakter des Durchgangsverkehrs annimmt.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten höchstrichterlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zur Einstufung einzelner Straßen in Straßenkategorien unter RdNr. 2123.


Unsere Tipps für die Praxis:

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