Alle Treffer anzeigen
Dieses Fenster schliessen
07.07.2014

Stundung des Erschließungsbeitrags für landwirtschaftliche Grundstücke Wegfall der Stundungsvoraussetzungen

Eines der Grundstücke, für das die Stundung des Beitrags gewährt worden war, wurde zu einem späteren Zeitpunkt auf den Sohn übertragen. Daraufhin widerrief die Gemeinde die Stundung.

Der Grundsatz:

Gemäß § 135 Abs. 4 BauGB ist der Erschließungsbeitrag für ein landwirtschaftlich oder als Wald genutztes Grundstück so lange zinslos zu stunden, wie das Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebs genutzt werden muss. Durch die gesetzliche Regelung soll vermieden werden, dass der Erschließungsbeitrag den Inhaber eines rentablen landwirtschaftlichen Betriebs zu einer Trennung von einem der Erschließungsbeitragspflicht unterliegenden Grundstück, das zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit notwendig ist, veranlasst; die Erschließungsbeitragspflicht soll die Wirtschaftlichkeit und Existenz rentabler landwirtschaftlicher Betriebe nicht beeinträchtigen.

                                          

Der Fall:

Die Gemeinde hatte für mehrere Grundstücke, die im Eigentum eines die Landwirtschaft betreibenden Ehepaars standen, einen Erschließungsbeitrag festgesetzt und den Beitrag wegen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 135 Abs. 4 BauGB gestundet.  Eines der Grundstücke, für das die Stundung des Beitrags gewährt worden war, wurde zu einem späteren Zeitpunkt auf den Sohn des Landwirtsehepaars übertragen. Daraufhin widerrief die Gemeinde die Stundung. Die hiergegen erhobene Klage blieb beim Verwaltungsgericht erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hatte nun über den Antrag auf Zulassung der Berufung zu entscheiden.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Der Anwendungsbereich des § 135 Abs. 4 BauGB ist nach dem Zweck der Vorschrift und der gegebenen Interessenlage zu begrenzen.

 „Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Stundung des Erschließungsbeitrags gemäß § 135 Abs. 4 BauGB nach der Übertragung des Eigentums an dem Flurstück 168 auf den Sohn der Klägerin nicht mehr vorliegen. Denn der Anwendungsbereich des § 135 Abs. 4 BauGB ist nach dem Zweck der Vorschrift und der gegebenen Interessenlage zu begrenzen. Die gesetzlich vorgesehene Stundung soll gewährleisten, dass durch die Zahlung des Erschließungsbeitrags die Wirtschaftlichkeit und Existenz rentabler landwirtschaftlicher Betriebe nicht beeinträchtigt wird; sie soll vermeiden, dass der Erschließungsbeitrag den Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes zu einer Trennung von Grundstücken aus dem Betrieb veranlasst, welche zur Erhaltung seiner Wirtschaftlichkeit notwendig sind (Vgl. BVerwG …).“

 

Ist der Beitragspflichtige nicht mehr Eigentümer, besteht angesichts des Normzwecks auch keine Veranlassung mehr für eine Anwendung des § 135 Abs. 4 BauGB.

„Vorliegend ist mit der freiwilligen Eigentumsübertragung an dem Grundstück genau das bereits eingetreten, was durch die Norm verhindert werden soll: Dem landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin und ihres Ehemannes wurde das Eigentum an dem Flurstück 168 ausgegliedert. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Frage nach der Eigentümerschaft bei der Anwendung des § 135 Abs. 4 BauGB gleichwohl von maßgeblicher Bedeutung, ohne dass hierdurch die Grundstücksbezogenheit des Erschließungsbeitragsrechts in Frage gestellt wird. Denn die Vorschrift muss im Zusammenhang mit § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB betrachtet werden, wonach grundsätzlich derjenige beitragspflichtig ist, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Grundstückseigentümer ist. M.a.W., die Beitragspflicht knüpft - abgesehen von den Ausnahmen des § 134 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BauGB - regelmäßig an das Eigentum an Grundstücken an. Ausgehend hiervon wird dem beitragspflichtigen Grundstückseigentümer unter den Voraussetzungen des § 135 Abs. 4 BauGB Stundung gewährt. Ist der Beitragspflichtige - hier die Klägerin - hingegen nicht mehr Eigentümer, besteht angesichts des Normzwecks auch keine Veranlassung mehr für eine Anwendung des § 135 Abs. 4 BauGB.

Dagegen kann auch nicht mit Erfolg eingewendet werden, dass der landwirtschaftliche Betrieb nach wie vor - neben dem benachbarten Flurstück 167 - auch auf dem streitigen Grundstück stattfindet. Würde allein die Betreibung eines landwirtschaftlichen Betriebs den Anwendungsbereich des § 135 Abs. 4 BauGB eröffnen, könnte konsequenterweise auch der Verpächter landwirtschaftlich genutzter Flächen oder eines landwirtschaftlichen Betriebes die Stundung beanspruchen. Gerade dies ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch nicht möglich (Vgl. BVerwG …).

Wenn aber schon der Verpächter, welcher Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks ist, nicht vom Anwendungsbereich des § 135 Abs. 4 BauGB erfasst wird, dann kann für denjenigen, der das Eigentum am Grundstück einem Dritten - und sei es einem Familienangehörigen - überträgt erst recht nichts anderes gelten.“

 

Betriebsübergabe an Familienangehörige im Sinne des § 15 AO ?

 „Auf § 135 Abs. 4 Satz 2 BauGB kann die Klägerin sich nicht berufen, da im hier maßgebenden Zeitpunkt des Widerrufs der Stundung gerade keine Überlassung der landwirtschaftlichen Nutzung bzw. Betriebsübergabe an Familienangehörige im Sinne des § 15 AO vorlag. Im Gegenteil, der landwirtschaftliche Betrieb sollte zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich durch die Klägerin bzw. ihren Ehemann weitergeführt werden; ein etwaiger Betriebsübergang stand mit der Eigentumsübertragung jedenfalls nicht in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang. Allein der Umstand, dass eine Zusammenführung von Grundeigentum und dem Betreiben eines landwirtschaftlichen Betriebs darauf zu einem späteren Zeitpunkt beabsichtigt war, gibt für die Anwendung des § 135 Abs.  4 BauGB im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs der Stundung insoweit nichts her.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen mit der einschlägigen Rechtsprechung zur Stundung nach § 135 Abs. 4 BauGB bei Rdnrn. 1703 ff., zum Wegfall der Stundungsvoraussetzungen und zum Verfahren zur Beendigung der Stundung bei Rdnr. 1704. 


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

Das Passwort erhalten Sie mit der aktuellen Ergänzungslieferung. Sie finden es auf der Rückseite des Vorworts. Wenn sie Cookies auf Ihrem PC aktivieren, genügt die einmalige Eingabe des Passwortes.


Sie sind nicht Bezieher des Matloch/Wiens und möchten die Tipps für die Praxis lesen? Dann klicken Sie bitte auf Service


Bitte Ihr Passwort eingeben: