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01.07.2016

Straßenausbaubeitragsrecht: Wiederkehrende Beiträge

Bei der Prüfung, ob die Einführung wiederkehrender Beiträge für eine Gemeinde sinnvoll ist, ist besonders die Frage der einzelnen Abrechnungseinheiten zu untersuchen. 

Am 1. April 2016 sind durch Einfügung des Art. 5b KAG auch in Bayern wiederkehrende Beiträge im Rahmen des Straßenausbaubeitragsrechts eingeführt worden. Damit können Gemeinden an Stelle der Erhebung einmaliger Beiträge die jährlichen Investitionsaufwendungen im Rahmen der Erneuerung und der Verbesserung für abrechenbare Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils als wiederkehrende Beiträge auf die betragspflichtigen Grundstücke verteilen. Mehrere Bundesländer (Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Hessen, Saarland und Schleswig-Holstein) haben bereits wiederkehrende Beiträge eingeführt. 

Vorbild: Rheinland-Pfalz

Am längsten gibt es sie in Rheinland-Pfalz, wo die meisten Erfahrungen existieren. Dort wenden ca. 39% der Gemeinden wiederkehrende Beiträge an. § 10a KAG-RP sieht vor, dass Gemeinden durch Satzung bestimmen können, dass an Stelle der Erhebung einmaliger Beiträge die jährlichen (bzw. vom Durchschnitt der im Zeitraum von bis zu fünf Jahren zu erwartenden) Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils als wiederkehrender Beitrag auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden. In der Satzung kann geregelt werden, dass sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen der gesamten Gemeinde oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, für deren Ausbau vorteilsbezogene Beiträge von den Grundstücken erhoben werden können.

 

Verfassungsrechtliche Würdigung:

Die Regelung in Rheinland-Pfalz hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich zulässig erachtet (BVerfG v. 25.6.2014-1 BvR 668/10, 1BvR 2104/10), wobei Art 3 GG verlangt, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe eines konkret zurechenbaren Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten wird. Die Bildung einer einheitlichen Abrechnungseinheit ist zulässig, wenn mit den Verkehrsanlagen ein konkret individuell zurechenbarer Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist. Das BVerfG hat damit Grundsätze aufgestellt, die die Bildung von zu großen Abrechnungseinheiten beschränken. Es muss sich um zusammenhängend bebaute Flächen handeln, bei denen sich der Vorteil der Möglichkeit der Nutzung der ausgebauten Straßen als Lagevorteil auf den Gebrauchswert der Grundstücke auswirkt. In Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet ist das eröffnete Satzungsermessen zur Bildung einer einzigen Verkehrsanlage im gesamten Gemeindegebiet auf Null reduziert, als nur so dem Gebot eines zurechenbaren Sondervorteils auch bei Berücksichtigung des Typisierungs- und Vereinfachungsspielraums des Satzungsgebers Rechnung getragen werden kann. Ein Beitrag für den Ausbau einer Straße als Teil einer öffentlichen Verkehrsanlage kommt nur für diejenigen Grundstücke in Betracht, die von der Verkehrsanlage einen jedenfalls potentiellen Gebrauchsvorteil haben, bei denen sich also der Vorteil in der Möglichkeit der Nutzung der ausgebauten Straßen als Lagevorteil auf den Gebrauchswert des Grundstücks auswirkt. Ob die herangezogenen Grundstücke einen konkret zurechenbaren Vorteil von dem Ausbau und der Erhaltung einer Verkehrsanlage haben, hängt nicht von der politischen Zuordnung des Gebiets, sondern vor allem von den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa der Größe, der Existenz eines zusammenhängenden Gebiets, der Topographie wie der Lage von Bahnanlagen, Flüssen und größeren Straßen oder der tatsächlichen Straßennutzung. Dabei dürfte in Großstädten die Aufteilung der Verkehrsanlagen in mehrere abgrenzbare Gebietsteile regelmäßig erforderlich und unbeschadet des ansonsten bestehenden Satzungsermessens die Annahme einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung ausgeschlossen sein; in kleinen Gemeinden - insbesondere, die nur aus einem kleinen zusammenhängend bebauten Ort bestehen – werden sich einheitlich öffentliche Einrichtung und Gemeindegebiet dagegen häufig decken. Auch Gebiete mit strukturell gravierend unterschiedlichen Straßenausbauaufwand dürfen nicht zusammengeschlossen werden, falls dies zu einer nicht mehr zu rechtfertigenden Umverteilung von Ausbaulasten führen würde

(BVerfG v.25.6.2014 a.a.O. Rn 62-64).

 

Vor- und Nachteile:

Nach den Erfahrungen des Gemeinde- und Städtebunds Rheinland-Pfalz (Schreiben vom 29.6.2015) ergeben sich bei Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen Vor- und Nachteile:

 

Vorteile:

-    Hohe Einmalbelastung entfällt

-    Stattdessen Verstetigung der Beitragshöhe

-    Gerechte Verteilung, da alle das Straßensystem nutzen und auf diese angewiesen sind

-    Kein Hinausschieben notwendiger Beitragsmaßnahmen.

-    Kontinuität beim Straßenbau mit positiver Folgewirkung für gemeindliche Planung und persönliche Finanzplanung

-    Fördern der Solidargemeinschaft

-    Nach Überwindung von Übergangproblemen größere Akzeptanz der Beitragserhebung

-    Keine Zufallsbelastung bei Kauf und Verkauf von Grundstücken

-    weniger Probleme bei Bestimmung des Ermittlungsraums

-    Nur einfache Belastung bei mehrfach erschlossenen Grundstücken

 

Nachteile:

-    Abweichen vom bekannten System

-    Zahlung bisher nur für eigene Straße

-    Individuelle Erschließungssituation bleibt weitgehend unberücksichtigt

-    Anspruchsdenken (Ausbau eigener Straße)

-    Widerstand Anwohner klassifizierter Straßen

-    Eventuell höhere Belastung größerer (Gewerbe-) Grundstücke

-    Zu Beginn höherer Verwaltungsaufwand bei der erstmaligen Bestandsaufnahme der Grundstücksdaten

-    Konfliktpotential in der Anfangsphase

-    Ein Zurück zu Einmalbeträgen nur schwer möglich

-    Bei Einführung wiederkehrende Beiträge ist eine Übergangregelung für Grundstückseigentümer zu schaffen, die bereits zu einmaligen Beiträgen herangezogen worden sind (Nichtberücksichtigung bis zu 20 Jahren).

-    Probleme wird die Festlegung abgrenzbarer Gebietsteile machen, da hierbei die Einschränkungen des Bundesverfassungsgerichts (siehe oben) zu beachten sind. Darüber hinaus wird zu klären sein, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass alle Straßen in einer Gemeinde zusammengefasst werden können.

 

 

 

 

Art. 5b KAG sieht entsprechend dem Modell in Rheinland-Pfalz vor, dass als Alternative zur Erhebung einmaliger Beiträge nach Art 5 Abs. 1 KAG die jährlichen Investitionsaufwendungen für die in der Baulast der Gemeinde stehenden Verkehrseinrichtungen nach Abzug der Eigenbeteiligung als wiederkehrende Beiträge auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden können. Die festzulegende Eigenbeteiligung muss dem Verkehrsaufkommen in der einheitlichen öffentlichen Einrichtung entsprechen, das nicht den Beitragspflichtigen zuzurechnen ist, jedoch mindestens 25 Prozent betragen (Art. 5b Abs.3). In der Beitragssatzung kann dann geregelt werden, dass sämtliche Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, wobei ein Nebeneinander von einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen zulässig ist. Bei der Ermittlung des Beitragssatzes kann anstelle der jährlichen Investitionsaufwendungen vom Durchschnitt der im Zeitraum von bis zu fünf Jahren zu erwartenden Aufwendungen ausgegangen werden (Art. 5b Abs.2). Die Beitragsschuld entsteht jeweils mit Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene Jahr, wobei auf die Beitragsschuld ab Beginn des Kalenderjahrs, indem die Beitragsschuld entsteht, angemessene Vorauszahlungen nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 und 2 KAG verlangt werden können.

 

Überleitungsbestimmungen:

Art 5b Abs. 5 sieht Überleitungsregelungen vor, in denen vor oder nach Einführung der wiederkehrenden Beiträge Erschließungsbeiträge oder Ausgleichsbeiträge nach dem BauGB oder Kosten der erstmaligen Herstellung auf Grund öffentlich-rechtlicher Verträge, insbesondere Erschließungsverträge, sonstige städtebauliche Verträge oder Durchführungsverträge zu einem Vorhaben- und Erschließungsplan nach dem BauGB oder einmalige Straßenausbaubeiträge geleistet wurden oder noch zu leisten sind. Dabei ist ein Zeitraum von höchstens 20 Jahren zu bestimmen, innerhalb dessen die Grundstücke bei der Ermittlung des wiederkehrenden Beitrags nicht berücksichtigt und nicht beitragspflichtig werden. Bei einer späteren Rückumstellung von wiederkehrenden Beiträgen auf einmalige Beiträge, sind vor der Umstellung geleistete wiederkehrende Beiträge auf die Einmalbeiträge anzurechnen.

 

Unsere Hinweise:

 

Eine Kommentierung zu den Regelungen zu wiederkehrenden Beiträgen finden Sie bereits in Ihrem Matloch/Wiens unter den RdNrn. 2142 bis 2149a. In den nächsten Nachlieferungen wird die Kommentierung ergänzt und vertieft werden.


Unsere Tipps für die Praxis:

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