Alle Treffer anzeigen
Dieses Fenster schliessen
01.08.2013

Straßenausbaubeitragsrecht: Begrenzung des Sondervorteils auf eine Teilfläche

 

Mit dieser Entscheidung stellt der BayVGH klar, dass das Buchgrundstück im formellen Sinn Gegenstand der Beitragspflicht ist.

 

Der Fall:

 

Die Antragsgegnerin (Gemeinde) setzte gegenüber dem Antragsteller als (Ober-Erbbauberechtigten) eines angrenzenden Buchgrundstücks für die Erneuerung der B.-gasse eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 82.031,04 Euro fest. Das veranlagte insgesamt 4.932 m² große Buchgrundstück besteht aus den vier Flurstücken 123, 136, 137/2 und 138 und grenzt karreeartig außer an die B.-gasse mit dem Flurstück 123 an drei weitere Ortsstraßen, nämlich die L.-gasse, die Hintere R.- Gasse und An der R.- Mauer an. Für den an der abgerechneten B.-gasse anliegenden Teil des Buchgrundstücks (Teilfläche des Flurstücks 136 und Flurstück 138) hatte der Antragsteller unter Zustimmung der Grundstückseigentümerin mit notarieller Urkunde vom 25. Februar 2009 auf einer Fläche von 340 m² der eingetragenen Genossenschaft G. ein im Grundbuch eingetragenes Untererbbaurecht eingeräumt.

 

Der Antragsteller erhob gegen den Vorauszahlungsbescheid vom 29. März 2012 beim Verwaltungsgericht Klage und beantragte sinngemäß, die aufschiebende Wirkung seiner Klage insoweit anzuordnen, als der Bescheid eine über den Betrag von 14.802,24 Euro hinausgehende Vorauszahlung festsetzt  Das Verwaltungsgericht gab dem Antrag statt.

 

Die obergerichtliche Entscheidung

 

Gegenstand der Beitragpflicht ist das Buchgrundstück

Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern oder Erbbauberechtigten (vgl. Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG) erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Für die Erneuerung von Ortsstraßen sollen solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben sind (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG). Grundsätzlich ist dabei das Buchgrundstück im formellen Sinn Gegenstand der Beitragspflicht. Unter einem Buchgrundstück ist der katastermäßig abgegrenzte Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer besonderen Nummer eingetragen ist; dieses unter einer Nummer geführte Buchgrundstück kann – wie hier – auch aus mehreren Flurstücken bestehen (u.a. ThürOVG B. v. 19.11.2012 – 4 EO 626.11 – juris Rn. 33). Wie die Antragsgegnerin zu Recht betont, ist grundsätzlich das Buchgrundstück mit seiner gesamten Fläche an der Aufwandsverteilung zu beteiligen.

 

Beschränkung der Inanspruchnahmemöglichkeit auf eine Teilfläche

Lediglich ausnahmsweise können die Umstände im Ausbaubeitragsrecht – wie auch im Erschließungsbeitragsrecht – so sein, dass sich die Inanspruchnahmemöglichkeit einer ausgebauten Straße lediglich auf eine Teilfläche eines Buchgrundstücks vorteilhaft auswirkt (…). Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass beim herangezogenen Grundstück des Antragstellers aufgrund seiner rechtlichen Besonderheiten ein derartiger Ausnahmefall vorliegt.

 

Der – selbständig nutzbare – Teil des Buchgrundstücks, der an die abgerechnete B.-gasse angrenzt und somit in jedem Fall einen besonderen Vorteil von dieser Einrichtung hat, ist bis zum 12. Mai 2090 auf einer Fläche von 340 m² mit einem Untererbbaurecht zu Gunsten der eingetragenen Genossenschaft G. belastet. Dieses Untererbbaurecht führt dazu, dass der „dahinter“ liegende Teil des Buchgrundstücks, der seinerseits an drei weitere Ortsstraßen angrenzt, keine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der B.-gasse hat. Das eingeräumte Untererbbaurecht führt ausnahmsweise aus Rechtsgründen zu einer rechnerischen Aufteilung des Buchgrundstücks des Antragstellers. Dieser Umstand ist auch eindeutig erkennbar, weil er im Grundbuch und im Untererbbaugrundbuch eingetragen ist.

 

Nach § 1 Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben (Erbbaurecht). Hier hat der an dem gesamten Buchgrundstück erbbauberechtigte Antragsteller mit Zustimmung der Grundstückseigentümerin an seinem Erbbaurecht der eingetragenen Genossenschaft G. – in zulässiger Weise (...) – ein Untererbbaurecht eingeräumt, dessen Ausübungsbereich eine an die B.-gasse angrenzende 340 m² große Fläche des Buchgrundstücks umfasst. Auf diesem Grundstücksteil hat der Untererbbauberechtigte ein Gebäude mit fünf altengerechten Wohnungen im sog. „Betreuten Wohnen“ errichtet. Das Erbbaurecht ist die stärkste Beschränkung des Grundstückseigentums und wirtschaftlich gesehen eigentumsähnlich. Wesentliche Inhalte des Grundstückseigentums werden von diesem getrennt und in einem grundstücksgleichen Recht verselbständigt, dessen untrennbarer Bestandteil das Sondereigentum am Bauwerk ist. Das Erbbaurecht wird rechtlich im Wesentlichen wie ein Grundstück behandelt (vgl. § 11 ErbbauRG); insbesondere ist es grundsätzlich übertragbar, wie ein Grundstück belastbar, erhält ein eigenes Grundbuch „Erbbaugrundbuch“, und das schuldrechtliche Grundgeschäft unterliegt der Vorschrift des § 311b Abs. 1 BGB (…).

 

Verhältnis Untererbaurecht zum Obererbbaurecht

Diese Grundsätze gelten auch für ein Untererbbaurecht im Verhältnis zum Ober-erbbaurecht und zum Grundstückseigentum. Das dingliche Recht des Untererbbauberechtigten führt dazu, dass weder der obererbbauberechtigte Antragsteller noch die Grundstückseigentümerin es in der Hand haben, die B.-gasse in Anspruch zu nehmen (vgl. BayVGH, U.v. 22.7.2010 – 6 B 09.584 – juris Rn. 44). Nach § 7 Abs. 1 GBO ist ein Grundstücksteil, der mit einem Recht belastet werden soll, von dem Grundstück abzuschreiben und als selbständiges Grundstück einzutragen. Dies ist zwar hier unterblieben; dennoch hat der Untererbbauberechtigte eine starke, dem Grundstückseigentum angenäherte Rechtsposition inne, die einer Teilung des Buchgrundstücks in zwei Flächen nahekommt. Dass die Einräumung des Unter-erbbaurechts auf einer „freiwilligen“ Entscheidung der Beteiligten beruht, ändert an der rechtlichen Situation nichts; auch eine Grundstücksteilung wäre – vorbehaltlich der Umstände des § 42 AO – zu beachten. Für den obererbbauberechtigten Antragsteller, dessen Restfläche des Buchgrundstücks wie oben ausgeführt eine Anbindung an drei weitere Ortsstraßen hat, wurde in der notariellen Urkunde vom 25. Februar 2009 kein Übergangs- oder Überfahrtsrecht an der mit dem Untererbbaurecht belasteten „Anliegerfläche“ vereinbart. Die gemeinsame Nutzung des Personenaufzugs oder zweier Kellerräume im Gebäudes des Untererbbauberechtigten ändern hieran ebenso wenig wie das dem Antragsteller eingeräumte „Belegungsrecht und Betreuungsverbot“ (Nr. 13 der notariellen Urkunde). Auf den in den Akten befindlichen Fotos ist auch tatsächlich kein Verbindungsweg, eine Zufahrt oder eine Zugangsmöglichkeit erkennbar. Unter diesen Umständen teilt der Senat die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller weder rechtlich noch tatsächlich eine Zugangsmöglichkeit von der Restfläche des Buchgrundstücks über die mit dem Untererbbaurecht belastete Fläche zur Basteigasse hat; eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit scheidet damit aus.

 

 

Weiterleitende Hinweise:

 

Die Daten der obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zur Beschränkung der Inanspruchnahmemöglichkeit unter Rdnrn. 806,808.


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

Das Passwort erhalten Sie mit der aktuellen Ergänzungslieferung. Sie finden es auf der Rückseite des Vorworts. Wenn sie Cookies auf Ihrem PC aktivieren, genügt die einmalige Eingabe des Passwortes.


Sie sind nicht Bezieher des Matloch/Wiens und möchten die Tipps für die Praxis lesen? Dann klicken Sie bitte auf Service


Bitte Ihr Passwort eingeben: