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07.01.2013

Säumniszuschläge trotz Rechtswidrigkeit der zugrunde liegenden Beitragsforderung

Zahlt der Veranlagte nicht und betreibt auch kein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hat er es selbst zu verantworten, wenn er letztlich Säumniszuschläge entrichten muss.

 

 

Der Fall:

 

Die beklagte Gemeinde hatte den Kläger zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von rund 31.000 € herangezogen, den dieser aber nicht bezahlte. In der folgenden mehrjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung erwies sich der Beitragsbescheid als rechtswidrig und wurde in zweiter Instanz aufgehoben. Anschließend verlangte die Gemeinde vom Kläger Säumniszuschläge von über 17.000 € für die Zeit bis zur gerichtlichen Entscheidung. Der Kläger hielt dem die Rechtswidrigkeit der Beitragsforderung entgegen. Seine Klage mit dem Ziel, die Gemeinde zum Erlass der Säumniszuschläge zu verpflichten, blieb in erster Instanz erfolglos; der Kläger beantragte daraufhin die Zulassung der Berufung.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

Entstandene Säumniszuschläge bleiben verwirkt, wenn ein rechtswidriger Beitragsbescheid nach Eintritt der Fälligkeit aufgehoben wird.

„Wird ein Beitrag nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist ... für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Betrags zu entrichten. Wird die Festsetzung eines Beitrags nachträglich aufgehoben oder geändert, so bleiben nach § 240 Abs. 1 Satz 4 AO die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt. Durch diese Regelung wird der Grundsatz der Akzessorietät, nach dem Säumniszuschläge grundsätzlich vom Bestehen der ihnen zu Grunde liegenden Abgabenschuld abhängig sind, durchbrochen. Mit ihr hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass Säumniszuschläge auch dann zu entrichten sind, wenn sich die Abgabenfestsetzung später als unrechtmäßig erweist. Das dient dazu, den Abgabenpflichtigen auch bei Anfechtung des Abgabenbescheids zu einer pünktlichen Entrichtung der fälligen Abgabe anzuhalten. Die Härte, die sich aus der Bestimmung des § 240 Abs. 1 Satz 4 AO für denjenigen ergibt, der mit Erfolg die Änderung eines rechtswidrigen Abgabenbescheids erreicht, kann vermieden werden, wenn er die Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde (§ 80 Abs. 4 VwGO) erlangt oder gerichtlichen Eilrechtsschutz gegen den Ausgangsbescheid (§ 80 Abs. 5 VwGO) erwirkt; denn für die Zeit der Aussetzung der Vollziehung schuldet der Abgabenpflichtige keine Säumniszuschläge, sondern Aussetzungszinsen, falls der Rechtsbehelf keinen Erfolg hat (§ 237 Abs. 1 AO). Durch diese Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Abgabenfestsetzung ist dem Rechtsschutzbedürfnis des Abgabenpflichtigen zur Vermeidung von Säumniszuschlägen hinreichend Genüge getan (...). Zahlt der Veranlagte nicht und betreibt auch kein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hat er es selbst zu verantworten, wenn er letztlich Säumniszuschläge entrichten muss (...).

Daraus folgt zugleich, dass der Fälligkeitstag im Sinn von § 240 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AO – anknüpfend an die Bekanntgabe des Beitragsbescheids (...) – grundsätzlich allein „formell“ nach dem im Bescheid angegebenen Fälligkeitstermin zu bestimmen ist, ab dem der Bescheid gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vorläufig) vollziehbar wird. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es also nicht darauf an, ob und in welcher Höhe die geltend gemachte Abgabenforderung materiell-rechtlich besteht und insoweit „fällig“ sein kann …“

 

Kein Erlass der Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen.

„Ein Erlass verwirkter Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt wegen der gesetzlichen Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO nicht allein deshalb in Betracht, weil die Abgabenfestsetzung zu Gunsten des Abgabenpflichtigen aufgehoben oder geändert worden ist. Eine unbillige Härte im Sinn von § 227 AO ist die Erhebung der Säumniszuschläge aber dann, wenn das Rechtsmittel des Abgabenpflichtigen gegen die Abgabenfestsetzung Erfolg hatte und der Abgabenpflichtige gegenüber der Gemeinde, der die Abgabe zusteht, alles getan hat, um die Aussetzung der Vollziehung (§ 80 Abs. 4 VwGO) eines Abgabenbescheids zu erreichen, und diese, obwohl an sich möglich und geboten, von der Gemeinde abgelehnt wurde (...). In einer solchen Fallgestaltung kommt regelmäßig ein – allerdings grundsätzlich nur teilweiser – Erlass in Betracht (...).

Danach kann nicht von einer sachlichen Unbilligkeit ausgegangen werden. Zum einen hat der Kläger nicht alles Zumutbare und Gebotene getan, um die Aussetzung der Vollziehung der mit Bescheid vom 12.1.2000 festgesetzten Erschließungsbeitragsforderung zu erreichen; zum anderen ist eine ablehnende Entscheidung der Beklagten über die Aussetzung der Vollziehung gerade nicht ergangen. Der Kläger hat wohl zunächst am 26. Januar 2000 unmittelbar beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Erschließungsbeitragsbescheid gestellt. Dieser Antrag war indes wegen der Subsidiaritätsregelung des § 80 Abs. 6 VwGO untauglich. Das Verwaltungsgericht hat ihn ... als bereits unzulässig abgelehnt, weil der Kläger zuvor keinen Aussetzungsantrag bei der Beklagten gestellt hatte ...“

 

 

Unsere Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zur Fälligkeit des Beitrags sowie zur Aussetzung der Vollziehung bei Rdnr. 1150; zum Erlass aus Gründen einer sachlichen Härte s. insbesondere Rdnr. 1735 .

 

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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