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25.06.2020

N_2019-12-17_Das Verhältnis von Vorausleistung zum endgültigen Beitragsbescheid

Der Fall:

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid über die Vorauszahlung von Wassergebühren. Nach Ergehen des endgültigen Festsetzungsbescheides, den der Kläger bestandskräftig werden ließ, will er mit seiner Klage nunmehr die Feststellung erreichen, dass der Vorausleistungsbescheid rechtswidrig gewesen sei. Die Vorinstanz hat die Klage wegen Unzulässigkeit abgewiesen, weil sich der Vorausleistungsbescheid durch den endgültigen Heranziehungsbescheid erledigt habe und die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Subsidiarität nicht statthaft sei.

Der Sache nach ist zu klären, ob die Möglichkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage besteht, wenn der Vorausleistungsbescheid durch einen endgültigen Bescheid abgelöst wird, der bestandskräftig geworden ist, und ob es einen Rechtsgrundsatz gibt, wonach die Fortsetzungsfeststellungsklage gegenüber der Anfechtungsklage bezüglich eines anderen Verwaltungsakts subsidiär ist.

 

Der Grundsatz:

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellt sich regelmäßig die Frage, ob sich das Verfahren hinsichtlich des Vorausleistungsbescheids „in der Hauptsache erledigt“ hatte. Die Frage bedarf einer Antwort, weil im Falle ihrer Bejahung die für die Fortführung des Prozesses erforderliche Beschwer entfällt und deshalb nur eine prozessbeendende Erklärung seitens der Klagepartei („Hauptsacheerledigungserklärung“) vor einer Klageabweisung wegen Unzulässigkeit mangels Beschwer zu schützen vermag. Nur unter bestimmten Voraussetzungen kommt eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht.

 

Die höchstrichterliche Entscheidung:

Das Verhältnis zwischen Vorausleistungsbescheid und endgültigem Gebührenbescheid ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt:

„Danach erledigt sich ein Vorausleistungsbescheid durch den endgültigen Gebührenbescheid und wird in jeder Hinsicht gegenstandslos, wenn der Rechtsgrund für die Heranziehung nunmehr ausschließlich durch den endgültigen Bescheid vermittelt wird und dieser den Vorausleistungsbescheid als Rechtsgrund vollständig "ablöst". Für eine Anfechtungsklage besteht dann kein Rechtsschutzinteresse mehr. …“

 

Der Rechtsschutz gegen einen erledigten Verwaltungsakt richtet sich nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und setzt ein berechtigtes Interesse an der Feststellung voraus, dass der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist:

„Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Es besteht typischerweise in den anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses, kann sich aber auch aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, sofern die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die klägerische Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern …). In Bezug auf die … hier geltend gemachte Wiederholungsgefahr ist anerkannt, dass diese ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO dann begründet, wenn die hinreichende Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (...). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung einer Fortsetzungsfeststellungsklage bei einem erledigten Vorauszahlungsbescheid. Der Umstand, dass der die Erledigung auslösende endgültige Heranziehungsbescheid bestandskräftig geworden ist, wirft keine Fragen auf, die sich nicht nach Maßgabe der nachfolgenden Erwägungen aufgrund der allgemeinen prozessrechtlichen Vorschriften beantworten ließen.“

 

Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt eine zunächst erhobene und später unzulässig gewordene Anfechtungsklage voraus; jedoch lässt sich  ein allgemeines Subsidiaritätsverhältnis gegenüber Klagen, die weitere Bescheide betreffen, weder den gesetzlichen Regelungen noch übergeordneten Grundsätzen entnehmen:

„Der Verwaltungsgerichtshof hat die Fortsetzungsfeststellungsklage vorliegend wegen ihrer Subsidiarität für unstatthaft gehalten. Er ist davon ausgegangen, dass das System der Klagearten von der Subsidiarität der Feststellungsklage geprägt sei und eine Fortsetzungsfeststellungsklage voraussetze, dass ein Vorgehen gegen den endgültigen Bescheid nicht möglich gewesen wäre. Da der Kläger gegen den endgültigen Bescheid hätte Widerspruch einlegen können, sei die Fortsetzungsfeststellungsklage aufgrund ihrer Subsidiarität nicht statthaft, auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse komme es nicht mehr an. … Der Verwaltungsgerichtshof misst dem für die allgemeine Feststellungsklage geltenden Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 VwGO und dem Vorrang der Erhebung einer Gestaltungsklage hier im Rahmen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Bedeutung zu, die ihnen nicht zukommt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt eine zunächst erhobene und später unzulässig gewordene Anfechtungsklage voraus, bezogen auf den streitgegenständlichen Bescheid ist damit dem Vorrang der Gestaltungsklage Genüge getan. Ein allgemeines Subsidiaritätsverhältnis gegenüber Klagen, die weitere Bescheide betreffen, lässt sich weder den gesetzlichen Regelungen noch übergeordneten Grundsätzen entnehmen. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine ausnahmsweise fortbestehende Klagemöglichkeit trotz Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts sind in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geregelt. Bei der Beurteilung, ob hier ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Vorauszahlungsbescheides besteht, kann auch das Verhältnis zum endgültigen Heranziehungsbescheid Bedeutung erlangen.“

 

Eine Fortsetzungsfeststellungsklage soll den Betroffenen davor schützen, in Zukunft nochmals der geltend gemachten Rechtsverletzung ausgesetzt zu werden:

„Vorliegend kommt eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr in Betracht. Diese Klagemöglichkeit soll den Betroffenen davor schützen, in Zukunft nochmals der geltend gemachten Rechtsverletzung ausgesetzt zu werden. Unter dem Aspekt der Prozessökonomie sollen zudem die Gerichte von zukünftigen Verfahren zu denselben Rechtsfragen entlastet werden und dem Betroffenen die "Früchte" der bisherigen Prozessführung erhalten bleiben. Hat sich die Wiederholungsgefahr bereits in einem nachfolgenden Verwaltungsakt realisiert, kann eine erneute Rechtsbeeinträchtigung insoweit nicht mehr verhindert werden. Daher entfällt das Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr (im engeren Sinne) und der Betroffene ist auf die Rechtsschutzmöglichkeit der Anfechtung des neuen Verwaltungsakts zu verweisen …). Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen Vorausleistungsbescheid und endgültigem Heranziehungsbescheid. Inwieweit in dieser Fallkonstellation noch Raum für eine Fortsetzungsfeststellungsklage unter dem Aspekt der Prozessökonomie und des Interesses an der Erhaltung des bisher erreichten Prozessstandes in Betracht kommt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil der Heranziehungsbescheid bestandskräftig geworden ist und eine Entscheidung über den Fortsetzungsfeststellungsantrag insoweit keine Präjudizwirkung mehr entfalten könnte.

Die Frage einer etwaigen Wiederholungsgefahr beschränkt sich jedoch nicht nur auf den vom Vorausleistungsbescheid abgedeckten Veranlagungszeitraum und das Verhältnis zum endgültigen Heranziehungsbescheid, sondern betrifft auch zukünftige Zeiträume, die Gegenstand weiterer vorläufiger und endgültiger Bescheide sein können. Insoweit steht die Möglichkeit künftiger neuer Rechtsbeeinträchtigungen weiter im Raum. Bezogen auf diese späteren Zeiträume und weiteren Bescheide besteht die vom Verwaltungsgerichtshof angeführte Gefahr der Umgehung der Bestandskraft des Heranziehungsbescheides und einer ungerechtfertigten Besserstellung des Klägers nicht.

Die Bejahung einer Wiederholungsgefahr erscheint aber durchaus möglich, weil das Verwaltungsgericht eine solche angenommen hat und sich auch der Kläger auf eine unveränderte Sach- und Rechtslage und das Ergehen weiterer Bescheide beruft.“

 

Unsere Hinweise:

S.a. Rn. 1495. Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. Dort finden Sie weitere nützliche Hinweise zur Bearbeitung erschließungsbeitragsrechtlicher Abrechnungen.


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