Alle Treffer anzeigen
Dieses Fenster schliessen
24.01.2013

Merkmale der endgültigen Herstellung: Wassergebundene Decke als „neuzeitliche Bauweise"?

Wann ist ein Gehweg endgültig hergestellt, reicht eine wassergebunden Decke?

 

Der Grundsatz:

 

Die gemeindlichen Satzungen über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen regeln u.a. die „Merkmale der endgültigen Herstellung“ der Erschließungsanlagen. Ohne deren Erfüllung kann die Beitragspflicht nicht entstehen. Nach den in der gemeindlichen Praxis gebräuchlichen Erschließungsbeitragssatzungen sind Fahrbahnen, Gehwege und Radwege von Erschließungsanlagen endgültig hergestellt, wenn sie (u.a.) eine Decke aus Asphalt, Beton, Pflaster oder Platten aufweisen; die Decke kann auch aus einem ähnlichen Material neuzeitlicher Bauweise bestehen.

 

 

Der Fall:

 

Eine Gemeinde, in der eine entsprechende Satzung bestand, erhob Erschließungsbeiträge für eine Straße, deren Gehweg mit einer wassergebundenen Decke versehen war. Ein Beitragspflichtiger erhob Widerspruch mit (u.a.) der Begründung, die Beitragspflicht sei nicht entstanden. Der Gehweg sei bei Regen schmutzig und voller Pfützen, weil er keine Befestigung aufweise. Er sei also nicht fertig gestellt. Nach der Zurückweisung seines Widerspruchs erhob der Beitragspflichtige Klage. Die beklagte Gemeinde beantragte die Abweisung der Klage und trug vor, die Belassung des Gehwegs mit einer wassergebundenen Decke sei eine endgültige Herstellung i.S.d. Beitragssatzung. Der Gemeinderat habe sich im Rahmen der Ausbauplanung für einen solchen Belag entschieden. Eine wassergebundene Decke entspreche im Wegebau bundesweit dem Üblichen und sei auch ökologisch vorzugswürdig.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Entsprechend den in der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde enthaltenen Merkmalen der endgültigen Herstellung habe die endgültige Herstellung von Straßen, Wegen und Plätzen vorausgesetzt, dass Gehwege eine Decke aus Asphalt, Beton, Pflaster oder Platten aufwiesen; die Decke könne auch aus einem ähnlichen Material neuzeitlicher Bauweise bestehen. Maßgeblich sei die Auslegung des Merkmals eines „ähnlichen Materials neuzeitlicher Bauweise". Es liege auf der Hand, dass eine Decke, die bei Regen aufweiche, nicht mit den beispielhaft genannten Materialien vergleichbar ist. Des Weiteren sei die Schotterung eines innerstädtischen Gehwegs auch keine neuzeitliche Bauweise. Die Nutzbarkeit eines Gehwegs sei beeinträchtigt, wenn nicht sichergestellt sei, dass er unabhängig von der Witterung begangen werden könne. Es sei „neuzeitlicher" Standard, Gehwege auch bei regnerischem Wetter mit normalen Straßenschuhen betreten zu können, ohne diese mit Schlamm zu beschmutzen. Im Ausbauplan sei allerdings ein Gehweg mit wassergebundener Decke vorgesehen. Das führe jedoch zu keiner anderen Beurteilung. Die Regelung der für die endgültige Herstellung erforderlichen bautechnischen Ausgestaltung müsse in der Beitragssatzung erfolgen. Eine von den Merkmalen der endgültigen Herstellung in der Erschließungsbeitragssatzung abweichende Ausbauplanung allein stelle keine Änderung der Erschließungsbeitragssatzung dar.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

Entspricht die Erschließungsanlage nicht den Merkmalen der endgültigen Herstellung nach der Erschließungsbeitragssatzung, so entsteht keine Beitragspflicht.

 „Die Beitragspflicht ist schon deshalb nicht entstanden, weil die Erschließungsanlage noch nicht endgültig hergestellt ist ... Zwar ist die Fahrbahn der ... Straße technisch entsprechend dem von der Beklagten zugrunde gelegten Ausbauprogramm hergestellt worden. Die Beitragsschuld entsteht aber erst dann, wenn die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweist und diese den Merkmalen der endgültigen Herstellung nach der Erschließungsbeitragssatzung entsprechen ... Dies ist hier für die flächenmäßige Teileinrichtung „Gehweg“ nicht der Fall. Nach ... der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen ... sind Fahrbahnen, Gehwege und Radwege endgültig hergestellt, wenn sie eine Decke aus Asphalt, Beton, Pflaster oder Platten aufweisen; die Decke kann auch aus einem ähnlichen Material neuzeitlicher Bauweise bestehen. ...

Eine der ausdrücklich ... genannten Befestigungen weist der mit einer wassergebundenen verdichteten Schotterdecke versehene Gehweg entlang der ... Straße unstreitig nicht auf. Er ist aber auch nicht mit einer „ähnlichen Decke neuzeitlicher Bauweise“ versehen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom ...) weist eine solche satzungsrechtliche Regelung über die Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen die erforderlichen Bestimmtheit auf. Dem Merkmal „neuzeitliche Bauweise" kommt aber keine selbständige Bedeutung in dem Sinne zu, dass es als zusätzliches Erfordernis der endgültigen Herstellung zu den in dieser Satzungsvorschrift aufgeführten Fahrbahnbefestigungen hinzutritt. Vielmehr hat der Satzungsgeber mit der beispielhaften Aufzählung der Fahrbahnbefestigungen bereits zum Ausdruck bringen wollen, dass diese einer neuzeitlichen Bauweise entsprechen und deshalb mit der „ähnlichen Decke neuzeitlicher Bauweise" eine solche gemeint ist, die den namentlich aufgeführten Fahrbahnbefestigungen vergleichbar ist (...). Nur mit diesem Inhalt sind solche Regelungen hinreichend bestimmt.“

 

Ein mit einer wasser- oder ungebundenen Decke versehener Gehweg wird bei Schlechtwetter mit gewöhnlichen Schuhen unpassierbar. Konsequenz?

„Bei den beispielhaft aufgezählten Decken - Asphalt, Beton, Pflaster oder Platten - handelt es sich schon jeweils nicht um bloße ungebundene (oder wassergebundene) Decken wie hier, sondern um gebundene Beläge. Allein deshalb liegt im Falle einer ungebundenen Decke schon von der technischen Bauweise her betrachtet keine „ähnliche“ Decke vor (...). Darüber hinaus sind solche ungebundenen Decken auch in ihrer Funktion nicht mit gebundenen Belägen vergleichbar. Die in der Satzung beispielhaft genannten gebundenen Beläge sind gerade auch bei Schlechtwetter ohne wesentliche Einschränkungen nutzbar. Eine ungebundene Decke weist demgegenüber einen so deutlich reduzierten Komfort bei der Nutzung auf, dass sie auch von ihrer Funktion her betrachtet nicht mit einem Belag aus Asphalt, Beton, Pflaster oder Platten vergleichbar ist. Wie die von der Klägerseite vorgelegten Lichtbilder eindrucksvoll belegen, ist auch hier der Gehweg bei Schlechtwetter aufgeweicht; darüber hinaus bilden sich große schlammige Pfützen, die den Weg jedenfalls mit gewöhnlichen Schuhen unpassierbar machen. ... Eine solche Decke ist daher auch von ihrer Nutzbarkeit her betrachtet nicht mit den beispielhaft genannten Materialien vergleichbar.“

 

Ein ökologischer Nutzen ist fraglich.

„Liegt demnach schon keine „ähnliche“ - also vergleichbare Decke - vor, kann offenbleiben, ob es sich bei der hier verwendeten hydraulisch gebundenen Deckschicht ohne Bindemittel um einen Belag neuzeitlicher Bauweise handelt. Insoweit hebt die Beklagte in erster Linie darauf ab, dass derartige Beläge neueren technischen Standards entsprächen, da sie ökologisch vorteilhaft seien. Ob dies zutrifft, erscheint fraglich. Die Zweifel des Senats an dem ökologischen Nutzen derartiger Beläge stützen sich darauf, dass die Versickerungswirkung ungebundener Beläge als nur gering angesehen wird, da sie sehr stark verdichtet sind und das Wasser demzufolge überwiegend zur Seite abfließt und nicht auf dem Weg versickert (vgl. im Einzelnen: Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern, „Überprüfung der Vergleichbarkeit von bodenmechanischen Eigenschaften natürlicher Böden mit Radwegkonstruktionen in naturnahen Bereichen“, Baustoff- und Umweltlabor, 20.8.2009; ähnl. ADFC Sachsen, „Argumentesammlung zur vermeintlichen ökologischen Vorteilhaftigkeit wassergebundener Decken“; s. auch Wikipedia, Stand 27.9.2011, unter „Wassergebundene Decke“). Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung. Denn selbst wenn es zutreffen sollte, dass hydraulisch gebundene Deckschichten ohne Bindemittel ökologisch vorteilhaft sind, läge - wie bereits ausgeführt - jedenfalls keine Decke vor, die den in der Satzung beispielhaft aufgezählten Decken ähnlich wäre.“

 

 

Unsere Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidungen finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zu den Merkmalen der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen bei Rdnrn. 400 f.; zur Abweichung von der Herstellungsmerkmalen bei Rdnr. 419 .

 


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

Das Passwort erhalten Sie mit der aktuellen Ergänzungslieferung. Sie finden es auf der Rückseite des Vorworts. Wenn sie Cookies auf Ihrem PC aktivieren, genügt die einmalige Eingabe des Passwortes.


Sie sind nicht Bezieher des Matloch/Wiens und möchten die Tipps für die Praxis lesen? Dann klicken Sie bitte auf Service


Bitte Ihr Passwort eingeben: