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02.05.2016

Maßgeblichkeit des Buchgrundstücksbegriffs

Die starre und formalistische Definition des Begriffs “Grundstück” in § 131 Abs. 1 BauGB anhand des bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriffs ist Ausfluss der Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, es gibt aber Ausnahmen.

 

Der Grundsatz:

 

Bei der Frage, inwiefern ein Grundstück von einer Erschließungsanlage erschlossen (§ 131 Abs. 1 BGB) ist, wird nach ständiger Rechtsprechung der bürgerlich-rechtliche Begriff des Grundstücks zugrunde gelegt (sog. „Buchgrundstücksbegriff“). Ausnahmen kommen nur in eng begrenzten Konstellationen in Betracht.

 

 

Der Fall:

 

Die beklagte Stadt erhob für die erstmalige Herstellung einer Anbaustraße von der Klägerin einen Erschließungsbeitrag in Höhe von über 20.000 EUR. Zum Zeitpunkt der Beitragserhebung wurde der Beitrag für vier einzelne Grundstücke erhoben, die zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ein einziges großes Buchgrundstück waren und erst danach in vier Flurnummern aufgeteilt worden waren. Die Aufteilung hatte zur Folge, dass ein Teil der neu entstandenen Parzellen nicht mehr an der abzurechnenden Straße anlag. Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen den Beitragsbescheid ab. Im Antrag auf Zulassung der Berufung trug die Klägerin vor, die Beklagte habe ihr mitgeteilt, bei Aufteilung des Grundstücks seien ausschließlich die so entstehenden neuen Grundstücksflächen maßgeblich; die Stadt habe sich damit auf einen wirtschaftlichen Grundstücksbegriff festgelegt.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

Dieses Argument wies das Oberverwaltungsgericht zurück:

 

„Der Vorhalt der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe unbeachtet gelassen, dass der Beklagte sich in Abweichung vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff auf den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff festgelegt habe, indem er ihr in seinem Schreiben vom 5. April 2000 mitgeteilt habe, dass bei separater Parzellierung und Vermarktung von einzelnen Baugrundstücken […] eine Verteilung der zu erwartenden Baukosten nur noch auf die neuen kleineren Bauparzellen entfalle, überzeugt nicht. [… Es steht] dem Beklagten keineswegs frei, in seinem Hoheitsgebiet auf den Begriff der wirtschaftlichen Grundstückseinheit abzustellen […].

 

Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff nur in begrenzten Ausnahmefällen möglich.

 

„Das Verwaltungsgericht hat vielmehr unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung […] klargestellt, dass von dem bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff nur in eng begrenzten Ausnahmen abgewichen werden dürfe. Eine Abweichung sei dann möglich, wenn Grundstücke existierten, die für sich genommen nicht selbständig bebaubar seien, oder wenn die Bauleitplanung bzw. eine vergleichbare Situation im unbeplanten Gebiet eine Zuordnung von Teilflächen eines von zwei Anbaustraßen erschlossenen Grundstücks ausschließlich zu einer dieser Straßen ermögliche. Das könne dann der Fall sein, wenn ein Grundstück nach den planerischen Festsetzungen von jeder der beiden Anbaustraßen ungefähr gleichgewichtig bebaubar sei. Jedoch existiere hier weder eine dahingehende Planung noch folge eine vergleichbare Vorgabe aus der tatsächlichen Bebauung, die nicht „spiegelbildlich“ sei.“

 

 

Unsere Hinweise

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zum Buchgrundstücksbegriff sowie den Ausnahmen hiervon in den Rdnrn. 800 ff.


Unsere Tipps für die Praxis:

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