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02.06.2014

Immissionsschutzanlagen: Berücksichtigung anderer geräuschemittierender Quellen

Eine Gemeinde erhob Erschließungsbeiträge für eine Immissionsschutzanlage, die sie zum Schutz eines Baugebiets vor dem Verkehrslärm der nahen Autobahn errichtet hatte. 

Der Fall:

Eine Gemeinde erhob Erschließungsbeiträge für eine Immissionsschutzanlage, die sie zum Schutz eines Baugebiets vor dem Verkehrslärm der nahen Autobahn errichtet hatte.

Solche Anlagen gehören, wie § 127 Abs. 2 Nr. 5 BauGB formuliert, als „Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen“ zu den beitragsfähigen Erschließungsanlagen. Der Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich in der Praxis auf Anlagen zum Schutz gegen Lärm.

Im entschiedenen Fall hatte die Gemeinde vor der Erhebung der Erschließungsbeiträge eine schalltechnische Untersuchung durchführen lassen, mittels deren Ergebnisses den Kreis der von der Anlage erschlossenen Grundstücke festgelegt und die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands auf diese Grundstücke angesichts unterschiedlicher Vorteile vorgenommen werden sollte. Aus der schalltechnischen Untersuchung zu den Veränderungen der Lärmimmissionen durch eine Lärmschutzwand ging jedoch nicht hervor, dass der einer weiteren Straße ausgehende Verkehrslärm berücksichtigt worden wäre. Es wurde vielmehr nur der von der Autobahn ausgehende Lärm in den Blick genommen. Bei der weiteren Straße handelt es sich um eine klassifizierte Straße mit entsprechendem Verkehrsaufkommen.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:                                                          

Grundstückbezogene Betrachtung:

Ein Grundstück wird von einer Lärmschutzanlage nur dann im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB erschlossen, wenn es infolge dieser Lärmschutzanlage im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten eine Lärmpegelminderung von mindestens 3 dB(A) erfährt. Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist somit nicht die Lärmquelle, vor deren Emissionen die Lärmschutzanlage schützen soll. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob ein entsprechender Schallschutz bei dem betreffenden Grundstück auch tatsächlich ankommt. Bei dieser grundstücksbezogenen Betrachtungsweise können andere geräuschemittierende Quellen als die, derentwegen die Lärmschutzanlage errichtet worden ist, nicht unberücksichtigt bleiben. Die von ihnen ausgehenden Geräuschemissionen können im Extremfall diejenigen Emissionen vollständig überdecken, vor denen die Lärmschutzanlage schützen soll. In diesem Fall bewirkt die Lärmschutzanlage keine bei dem betreffenden Grundstück tatsächlich zu verzeichnende Lärmpegelminderung. Ebenso ist denkbar, dass die von der Lärmschutzanlage bewirkte Lärmpegelminderung für einzelne Grundstücke infolge des Hinzutretens weiterer Lärmquellen geringer ausfällt, was sich auf den Umfang des Erschlossenseins und damit auf die hieran anknüpfende Beitragsbelastung auswirken kann. Soweit sich die Berücksichtigung weiterer Lärmquellen von der immissionsschutzrechtlichen Betrachtung unterscheiden sollte, hat dies seine Ursache darin, dass das Erschließungsbeitragsrecht das Erschlossensein eines Grundstücks an einen diesem konkret zukommenden Erschließungsvorteil (hier: einer Lärmpegelminderung) knüpft.

Keine Anwendung der Wegdenkenstheorie:

Nicht in Betracht kommt ein Wegdenken der weiteren Lärmquellen, wie dies etwa bei der Erschließung eines Grundstücks durch mehrere Anbaustraßen geschieht (s. Matloch/Wiens Rdnr. 821). Bei der Prüfung des Erschlossenseins von Anbaustraßen ist das Hinwegdenken weiterer Anbaustraßen deshalb gerechtfertigt, weil das betreffende Grundstück gerade (auch) wegen der abzurechnenden Anbaustraße den maßgeblichen Erschließungsvorteil erhält, nämlich bebaut bzw. gewerblich genutzt werden zu können. Der durch eine Lärmschutzanlage vermittelte Erschließungsvorteil ist jedoch anderer Art; er knüpft nicht an die Bebaubarkeit oder gewerbliche Nutzbarkeit eines Grundstücks oder gar eines Baugebiets, sondern an eine grundstücksbezogene Lärmpegelminderung an, die ein bestimmtes Maß erreichen muss.

Vollständige Überdeckung durch andere Lärmquellen:

Denkbar ist, dass der von weiteren Lärmquellen ausgehende Lärm eine andere geräuschemittierende Quelle derart überdeckt, dass sich eine mit Blick auf diese Quelle errichtete Lärmschutzanlage bei keinem Grundstück mit einer Lärmpegelminderung von mindestens 3 dB(A) auswirkt, so dass Erschließungsbeiträge für diese Lärmschutzanlage nicht erhoben werden können. Das wäre aber eine (ausnahmsweise) hinzunehmende Folge des als merkbare Lärmpegelminderung verstandenen grundstücksbezogenen Erschließungsvorteils (vgl. OVG NRW, v. 18.12.2009 - 15 A 4116/06 - …).

 

Redaktioneller Hinweis:

Die vorgestellte obergerichtliche Entscheidung wurde teilweise wörtlich zitiert, ansonsten sinngetreu wiedergegeben.

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen und die maßgebliche obergerichtliche Rechtsprechung zu den Immissionsschutzanlagen bei Rdnrn. 47 (Grundsätze der Beitragsfähigkeit), bei Rdnr. 842 (Erschließungsvorteil und zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt) sowie bei Rdnrn. 990 ff. (Verteilung des beitragsfähigen Aufwands; vertikale und horizontale Differenzierung). 


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

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