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25.06.2015

Grundstücksteilfläche als private Grünfläche: Verminderung des Beitrags?

Der Beitragspflichtige wandte sich gegen die Höhe der Beitragsfestsetzung mit dem Argument, der als private Grünfläche festgesetzte Grundstücksteil sei nicht in erschließungsbeitragsrechtlich bedeutsamer Weise nutzbar und müsse daher bei der Berechnung der erschlossenen Grundstücksfläche unberücksichtigt bleiben.

Der Fall:

Die Gemeinde erhob einen Erschließungsbeitrag für ein in einem qualifiziert beplanten Gebiet gelegenes Grundstück. Für eine Teilfläche des Grundstücks  sah der Bebauungsplan die Festsetzung „private Grünfläche“ vor. Nach der gemeindlichen Erschließungsbeitragssatzung galt als Grundstücksfläche bei Grundstücken im Bereich eines Bebauungsplans die Fläche, die der Ermittlung der zulässigen Nutzung zugrunde zu legen ist. Bei der Berechnung des Beitrags für das betroffene Grundstück legte die Gemeinde die gesamte Grundstücksfläche zugrunde, also auch die Fläche, für die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans eine private Grünfläche ausgewiesen worden war. Der Beitragspflichtige wandte sich gegen die Höhe der Beitragsfestsetzung mit dem Argument, der als private Grünfläche festgesetzte Grundstücksteil sei nicht in erschließungsbeitragsrechtlich bedeutsamer Weise nutzbar und müsse daher bei der Berechnung der erschlossenen Grundstücksfläche unberücksichtigt bleiben. Diese Folge ergebe sich aus der Verteilungsregelung in der Erschließungsbeitragssatzung, wonach als Grundstücksfläche bei Grundstücken im Bereich eines Bebauungsplans die Fläche gilt, die der Ermittlung der zulässigen Nutzung zugrunde zu legen ist; dies ergebe sich aus § 19 Abs. 3 BauNVO. Im gerichtlichen Verfahren der 1. Instanz obsiegte die Gemeinde.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Das Grundstück ist mit seiner gesamten Fläche zu berücksichtigen:

„Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass bei Grundstücken in (qualifiziert) beplanten Gebieten grundsätzlich die gesamte im Plangebiet liegende Fläche als erschlossen i.S. des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen und dementsprechend bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwandes in vollem Umfang zu berücksichtigen ist. Öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen vermindern den Umfang der erschlossenen Fläche grundsätzlich nicht (…). Das gilt für Nutzungsverbote im Interesse des Umweltschutzes ebenso wie für Anbauverbote im Interesse der Belange des Verkehrs, bauplanungsrechtliche Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksfläche gemäß § 23 BauNVO (Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen) oder für Abstandsgebote aller Art. Aus denselben Gründen hat auch die Festsetzung „private Grünfläche“ für einen Teil eines (Buch-)Grundstücks jedenfalls dann keinen Einfluss auf den Umfang der nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Fläche, wenn sie – wie hier – die Verwirklichung der baulichen Nutzbarkeit dieses Grundstücks unberührt lässt; denn eine solche Festsetzung lässt im Gegensatz zu festgesetzten „öffentlichen Grünflächen“ eine erschließungsbeitragsrechtlich relevante Nutzung als Hausgarten zu, sodass auch insoweit eine von der Anbaustraße vermittelte Erschließungswirkung zu bejahen ist (…). Der Umfang der erschlossenen Fläche ist selbst dann nicht zu verringern, wenn eine solche Baubeschränkung die Ausschöpfung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung eines Grundstücks verhindert (…). Als bloße Ausnutzungsbehinderung wirkt sie sich bei der Aufwandsverteilung nur dann aus, wenn das durch die Baubeschränkung betroffene Nutzungsmaß eine Komponente der satzungsmäßigen Verteilungsregelung ist.“

 

Verhältnis zu § 19 Abs. 3 BauNVO:

„Der Kläger hält dem die Definition der für die Beitragsberechnung maßgeblichen Grundstücksfläche in der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Beklagten entgegen. Er meint, diese Satzungsbestimmung zwinge zum Abzug der im Bebauungsplan „H.“ als „private Grünfläche“ ausgewiesenen Teilfläche seines Grundstücks. Das begründet keine ernstlichen Zweifel, denen in einem Berufungsverfahren weiter nachgegangen werden müsste. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EBS lautet: „Als Grundstücksfläche gilt bei Grundstücken im Bereich eines Bebauungsplans die Fläche, die der Ermittlung der zulässigen Nutzung zugrunde zu legen ist.“ Der Kläger sieht in dieser Formulierung unter Hinweis auf … eine Bezugnahme auf § 19 Abs. 3 BauNVO, weshalb der als „private Grünfläche“ ausgewiesene Grundstücksteil bei der Beitragsberechnung abgezogen werden müsse. In diesem Sinne ist § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EBS jedoch nicht zu verstehen (…). Diese Satzungsregelung verweist weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck auf die Bestimmung des § 19 Abs. 3 BauNVO. Letztere betrifft die Fläche eines Baugrundstücks, die der Ermittlung der „zulässigen Grundfläche“ zugrunde zu legen ist, also des Anteils, der von baulichen Anlagen überdeckt werden darf. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EBS stellt hingegen nicht auf die bauliche, sondern auf die „zulässige Nutzung“ ab. Das aber meint jede erschließungsbeitragsrechtlich relevante Nutzung, also etwa auch eine wohnakzessorische Nutzung als Hausgarten. Maßgebliche Grundstücksfläche bei Grundstücken im Bereich eines Bebauungsplanes soll damit die gesamte nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossene Fläche sein. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass mit der Satzungsbestimmung der gesetzlich vorgegebene Umfang des Erschlossenseins eines (Buch-)Grundstücks verkleinert werden soll (was auch Zweifeln begegnen würde). Umfasst wird demnach auch nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EBS der als „private Grünfläche“ ausgewiesene Teil des klägerischen Grundstücks.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen sowie weitere Rechtsprechung des BVerwG und der Oberverwaltungsgerichte zur sog. Verminderungspflicht in Falle einer nicht möglichen Ausschöpfung des im Bebauungsplan zugelassenen Maßes der baulichen Nutzung durch öffentliche-rechtliche Baubeschränkungen bei Rdnrn. 955 f.

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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