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24.08.2015

Grundstücke im Umlegungsverfahren: Erhebung von Vorausleistungen?

Die Gemeinde erhob eine Vorausleistung für ein Grundstück, das zwar nicht selbst im Umlegungsgebiet eines noch nicht abgeschlossenen Umlegungsverfahrens (§§ 45 ff. BauGB) lag, jedoch im gemeinsamen Abrechnungsgebiet.

Der Grundsatz:

Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB können für Grundstücke, für die eine (endgültige) Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag erhoben werden.

Der Fall:

Die Gemeinde erhob eine Vorausleistung für ein Grundstück, das zwar nicht selbst im Umlegungsgebiet eines noch nicht abgeschlossenen Umlegungsverfahrens (§§ 45 ff. BauGB) lag; zur Berechnung des auf dieses Grundstück entfallenden Vorausleistungsbetrages hatte die Gemeinde jedoch ein Abrechnungsgebiet gebildet, das auch solche Grundstückflächen umfasste, die im Geltungsbereich des Umlegungsplans (§ 66 BauGB) lagen. 

Das Berufungsgericht hob den Vorausleistungsbescheid mit der Begründung auf, erst mit dem Zeitpunkt der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB seien die an der Aufwandverteilung teilnehmenden Grundstücke und damit die Höhe des voraussichtlich geschuldeten Erschließungsbeitrags hinreichend sicher bestimmbar; die Bestimmbarkeit sei aber Voraussetzung für die Verteilung des voraussichtlichen beitragsfähigen Aufwands auf die (später) erschlossenen Grundstücke. Die Erhebung von Vorausleistungen vor diesem Zeitpunkt sei deshalb auch für das im konkreten Fall außerhalb des Umlegungsgebiets liegende Grundstücks rechtswidrig. Das BVerwG klärte die Rechtsfrage.

 

Die Entscheidung des BVerwG

Das BVerwG folgt der Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht. Zwar sei es zutreffend, dass für ein im Geltungsbereich des Umlegungsplans befindliches Grundstück keine Vorausleistung festgesetzt werden könne; dies gelte auch für sog. Abfindungsgrundstücke (§ 59 Abs. 3 – 5 BauGB). Die Festsetzung einer Vorausleistung für außerhalb gelegene Grundstücke sei aber unter bestimmten Voraussetzungen durchaus zulässig:

Eine Vorausleistung kann nur für Grundstücke verlangt werden, die später zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke gehören. Im Umlegungsverfahren „untergehende“ Grundstücke können deshalb nicht Anknüpfungspunkt für eine Vorausleistungspflicht sein:

„Richtig ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Vorausleistung um eine auf die endgültige Beitragspflicht ausgerichtete vorgezogene Finanzierung einer Erschließungsanlage handelt (vgl. BVerwG …). Als dem Erschließungsbeitrag zeitlich vorangehende Leistungspflicht kann sie nur für ein Grundstück entstehen, das - bezogen auf die Anlage, derentwegen eine Vorausleistung erhoben werden soll - zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke gehört (BVerwG …). Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht ferner darin, dass im Erschließungsbeitragsrecht grundsätzlich der bürgerlich-rechtliche Grundstücksbegriff maßgeblich ist und erschlossene Grundstücke im Sinne des § 131 Abs. 1, § 133 Abs. 1 BauGB nur so genannte Buchgrundstücke sind, die im Grundbuch im Bestandsverzeichnis unter einer eigenen laufenden Nummer aufgeführt sind. Dem Berufungsgericht ist schließlich auch darin zu folgen, dass Grundstücke, die in einem Umlegungsgebiet nach §§ 45 ff. BauGB liegen, bereits durch den das Verfahren einleitenden Umlegungsbeschluss (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BauGB) wegen der absehbaren grundlegenden Neugestaltung des gesamten Verfahrensgebietes in ihrem Bestand und ihrer Größe rechtserheblich in Frage gestellt sind und deshalb nicht vor bestandskräftigem Abschluss des Umlegungsverfahrens zu vorläufigen Leistungen auf den zu erwartenden Erschließungsbeitrag herangezogen werden können. Als Teil der Umlegungsmasse ist ein solches Grundstück trotz seines rechtlichen Fortbestandes als Buchgrundstück bis zum bestandskräftigen Abschluss des Umlegungsverfahrens durch Bekanntmachung des Umlegungsplans (§ 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB) ein "untergehendes" Grundstück und kann deswegen nicht Anknüpfungspunkt für die Heranziehung zu einer Vorausleistung sein.“

Auch Abfindungsgrundstücke können kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Vorausleistungserhebung sein:

 „Auch das (zukünftige) Abfindungsgrundstück scheidet hierfür grundsätzlich aus. Dieses kann zwar je nach Stand des Umlegungsverfahrens bereits seinem Zuschnitt und seiner Lage nach bestimmbar sein. Das ändert aber nichts daran, dass vor dem rechtsverbindlichen Abschluss des Umlegungsverfahrens weder das zukünftige Buchgrundstück als Haftungsobjekt der Vorausleistung, die als öffentliche Last im Sinne des § 134 Abs. 2 BauGB auf dem Grundstück ruht (vgl. BVerwG …), rechtlich existent ist noch der Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte als persönlicher Beitragsschuldner (§ 134 Abs. 1 BauGB) feststeht …“

Die erforderliche hinreichende Bestimmbarkeit der zur Berechnung der Vorausleistung einzubeziehenden Grundstücksflächen ist gegeben, wenn sich das Umlegungsverfahren bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. Die Ermittlung der Höhe des Vorausleistungsbetrages kann dann auf der Grundlage einer sachgerechten Schätzung erfolgen:

„Die Vorausleistung auf einen Erschließungsbeitrag nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB setzt voraus, dass die durch die abgerechnete Anlage erschlossenen Grundstücke und Grundstücksflächen bestimmbar sind. Dies ergibt sich aus der Ausrichtung der Vorausleistung auf die endgültige Beitragspflicht und findet seinen gesetzlichen Ausdruck in der in § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB enthaltenen Begrenzung der Vorausleistung "bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags". Eine hinreichende Bestimmbarkeit der erschlossenen und damit für die Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes heranzuziehenden Grundstücksflächen kann jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch dann gegeben sein, wenn ein Teil der Grundstücke, auf die der Aufwand zu verteilen ist, innerhalb eines Umlegungsgebietes liegt.

Es sind insoweit an die Bestimmbarkeit der an der Verteilung des Herstellungsaufwandes teilnehmenden Grundstücksflächen nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Bestimmbarkeit der zur Zahlung einer Vorausleistung heranzuziehenden beitragspflichtigen Grundstücke. Für die Bestimmbarkeit der Verteilungsfläche kommt es nicht auf die rechtliche Existenz der einzelnen Grundstücke an, sondern allein darauf, welche Grundstücksflächen die abgerechnete Anlage insgesamt erschließt. Der zukünftige Zuschnitt der einzelnen Buchgrundstücke ist daher nur insoweit von Bedeutung, als er - alleine oder mit weiteren Umständen - eine Aussage darüber erlaubt, welche Flächen voraussichtlich erschlossen werden und daher einen Sondervorteil erfahren. Aufgrund der Vorläufigkeit der Vorausleistung ist es im Regelfall weder möglich noch erforderlich, bereits bei Erlass des Vorausleistungsbescheides die Verteilungsfläche gleichsam "quadratzentimetergenau" zu bestimmen. Erforderlich und ausreichend für die Ermittlung der Höhe des Vorausleistungsbetrages ist vielmehr die Anwendung einer sachgerechten Schätzungsgrundlage. Ebenso wie bei der Ermittlung des für die endgültige Herstellung zu erwartenden beitragsfähigen Erschließungsaufwandes ist die Gemeinde lediglich gehalten, eine auf den Zeitpunkt der endgültigen Herstellung (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) ausgerichtete Prognose über den Umfang der Verteilungsfläche anzustellen (…). Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB lediglich eine Höchstgrenze ("bis zur Höhe") für die Heranziehung zu Vorausleistungen setzt, die Gemeinde mithin nicht verpflichtet ist, die Grenze auszuschöpfen. Je weiter die Vorausleistung hinter dem voraussichtlichen Erschließungsbeitrag zurückbleibt, desto weniger wirken sich Unwägbarkeiten bei der Bestimmung der Verteilungsfläche auf die Einhaltung der Grenze des § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB aus. Gemessen hieran ist der Vorausleistungsbescheid der Beklagten nicht zu beanstanden.

Die erschlossene Grundstücksfläche ist im vorliegenden Fall anhand des im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides vorliegenden Entwurfs einer Umlegungskarte und der Ausweisung der Bauflächen in dem rechtsverbindlichen Bebauungsplan … hinreichend genau bestimmbar. Das Umlegungsverfahren befand sich im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Vorausleistungsbescheides bereits in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium, wie der Entwurf der Umlegungskarte zeigt. Dieser weist im gesamten Umlegungsgebiet die neu zu bildenden Grundstücke sowie die zu ihrer Erschließung erforderlichen Anbaustraßen parzellenscharf aus. Unter Zugrundelegung der Karte lassen sich die … erschlossenen Grundstücke und Grundstücksflächen ihrer Größe und ihrem Zuschnitt nach ohne Weiteres bestimmen.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung des BVerwG finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zur Erhebung von Vorausleistungen bei Rdnrn. 1401 ff.


Unsere Tipps für die Praxis:

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