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19.08.2013

Gewerbezuschlag für Ferienwohnung?

 

 

Die Berücksichtigung der Nutzungsart erfolgt durch einen sog. Artzuschlag.

 

Der Grundsatz:

 

Um dem gesetzlichen Differenzierungsgebot des § 131 Abs. 3 BauGB gerecht zu werden, muss in den gemeindlichen Erschließungsbeitragssatzungen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zwischen Wohnnutzung einerseits und gewerblicher Nutzung andererseits unterschieden werden. Die Berücksichtigung der Nutzungsart erfolgt durch einen sog. Artzuschlag. Voraussetzung für den Artzuschlag ist zum einen eine gegenüber der Wohnnutzung "qualifizierte Nutzungsart" und zum anderen eine im Vergleich zur Wohnnutzung "gesteigerte Abhängigkeit" von der Straße, die sich durch deren Inanspruchnahme insbesondere mit einem gegenüber der reinen Wohnnutzung erhöhten Ziel- und Quellverkehr zeigt.

 

 

Der Fall:

 

Ein zum Beitrag herangezogener Eigentümer eines Grundstücks, dessen Bebauung als Ferienwohnungen genutzt wurde, ergriff Rechtsmittel mit der Begründung, der Bescheid sei der Höhe nach rechtswidrig, weil der Beitragsberechnung zu Unrecht ein Artzuschlag für das Grundstück zugrunde gelegt sei. Die Nutzung der Wohnungen zur temporären Fremdvermietung sei keine "gewerbliche" Nutzung im vorgenannten Sinne, weil im Vergleich zur Wohnnutzung keine deutlich intensivere Inanspruchnahme der Anbaustraße gegeben sei. Die beklagte Gemeinde hat an ihrer schon im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung, dass der Artzuschlag gerechtfertigt sei, festgehalten. Auf dem Grundstück befänden sich 29 Wohneinheiten und zwei Einheiten, die als Restaurant genutzt würden. Von den 29 Wohneinheiten würden mehr als die Hälfte ausschließlich für die Vermietung an Feriengäste als sogenannte Kapitalanlage vorgehalten.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

„Der im Zweitwohnungssteuerrecht verwandte Begriff der sogenannten "reinen Kapitalanlage" dient dort allein der Abgrenzung einer Zweitwohnung, die ausschließlich der Einkommenserzielung dient, von der der Zweitwohnungssteuer unterliegenden Zweitwohnung, die zumindest auch für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten wird. Für das ...beitragsrecht ist diese Unterscheidung ohne jede Bedeutung. Auch dauervermietete Wohnungen sind Kapitalanlagen und unterliegen nicht schon deshalb einem Artzuschlag. Für Wohnungen in bevorzugten Lagen mit einer für die Wohnnutzung attraktiven Ausgestaltung der Anbaustraßen können höhere Mietpreise erzielt werden. Dies gilt gleichermaßen für Erst- wie auch für Zweitwohnungen. Auch insoweit fehlt es an einem rechtfertigenden Grund für eine Differenzierung.

 

Leitbild der qualifizierten Nutzungsart ist die gewerbliche Nutzung. Unter gewerblicher Nutzung wird die Nutzung des Grundstücks als Betriebsstätte verstanden. Anders als Grundstücke, die nur oder überwiegend der Wohnnutzung zu dienen bestimmt sind, sind Betriebsstätten typischerweise in besonderem Maße (gesteigert) abhängig von der qualifizierten Ausgestaltung der Straße, und zwar zum einen im Hinblick auf ihre Zugänglichkeit und zum anderen im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Straße wegen des typischerweise erhöhten Ziel- und Quellverkehrs (Kunden- und Lieferverkehr etc.). Andere qualifizierte Nutzungsarten, die keine im Sinne des Gewerberechts "gewerblichen" Nutzungen sind, haben vergleichbare zusätzliche Vorteile (wie z.B. Arzt- und Rechtsanwaltspraxen, Verwaltungsgebäude, Kindergärten, Schulen, Pflegeheime, Erwerbsgärtnereien etc.) und unterliegen deshalb ebenfalls dem Artzuschlag.

 

All dies trifft auf eine als Ferienwohnung genutzte Wohnung nicht zu, und zwar unabhängig davon, ob sie vom Eigentümer für eigene Zwecke vorgehalten oder vom Eigentümer oder über einen gewerblichen Wohnungsvermittler (auch) an wechselnde Feriengäste vermietet wird. Die Nutzungsart bleibt Wohnnutzung. Die Betriebsstätte des gewerblichen Wohnungsvermittlers befindet sich regelmäßig an einem anderen Ort. Die Wohnungen sind lediglich Geschäftsobjekt. Der häufige Mieterwechsel führt regelmäßig zu keinem erhöhten Ziel- und Quellverkehr. Entsprechendes gilt auch für den Fall, dass vom Wohnungsvermittler oder von Drittfirmen Dienstleistungen erbracht werden. Auch der Dauermieter beziehungsweise selbstnutzende Eigentümer nimmt typischerweise Dienstleistung in Anspruch oder ist zur Daseinsversorgung und, soweit er keine Fremdleistungen in Anspruch nimmt, zur Materialbeschaffung auf die Inanspruchnahme der Anbaustraße angewiesen. Typische Unterschiede ergeben sich insoweit nicht. Zudem sind Leerstandzeiten bei Ferienwohnungen unvermeidbar. In diesen Zeiten ist der Ziel- und Quellverkehr deutlich geringer als bei eine Dauernutzung.“

 

 

Unsere Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. Im Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zum sog. Artzuschlag unter Rdnrn. 920 ff.; bei Rdnrn. 922 f. ist die Rechtsprechung zu einer Reihe von Einzelfragen dargestellt.


Unsere Tipps für die Praxis:

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