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09.01.2012

Gesamtschuldner: Auswahl ohne Rücksicht auf Einkommensverhältnisse?

Bei der Auswahl eines Gesamtschuldners kommt der Gemeinde ein weites Ermessen zu, das nur durch Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit begrenzt wird

 


Der Grundsatz:

 

Hat ein Grundstück mehr als einen Eigentümer, so sind alle Miteigentümer beitragspflichtig, sie haften für den Erschließungsbeitrag als Gesamtschuldner (§ 134 Abs. 1 Satz 4 BauGB). Die gesamtschuldnerische Haftung soll den Gesetzesvollzug erleichtern und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand verringern. In einem solchen Fall kann die Gemeinde den Erschließungsbeitrag nach ihrem Belieben von jedem der Miteigentümer ganz oder zu einem Teil fordern (§ 421 BGB). In der gemeindlichen Praxis wird in der Regel einer der Miteigentümer zum vollen Beitrag herangezogen. Bei dessen Auswahl kommt der Gemeinde ein weites Ermessen zu, das nur durch Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit begrenzt wird (BVerwG v. 22.1.1993 - 8 C 57.91 KStZ 1993,93).

 

Der Fall:

 

Das betroffene Grundstück stand im Miteigentum einer Studentin und eines Ingenieurs. Die Gemeinde zog die Studentin zum Beitrag heran. Diese erhob Rechtsmittel mit der Begründung, sie beziehe nur eine geringe monatliche Ausbildungsförderung, der Miteigentümer verdiene als Ingenieur wesentlich mehr. Die Entscheidung der Gemeinde sei daher ermessensfehlerhaft.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

„Die Beschwerde macht ... ohne Erfolg geltend, die Antragstellerin als Beitragsschuldnerin heranzuziehen, sei ermessensfehlerhaft. Insoweit beruft sie sich zu Unrecht darauf, dass sie als Schülerin eine Ausbildungsförderung in Höhe von 204,-- monatlich erhalte, der Miteigentümer des Grundstücks, Herr S., jedoch als Ingenieur arbeite und deshalb eher in der Lage sei, die Zahlung zu leisten. Die in § 134 Abs. 1 Satz 4 BauGB angeordnete Gesamtschuldnerschaft berechtigt den Beitragsgläubiger, unter mehreren Miteigentümern denjenigen in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen, der ihm für eine Heranziehung besonders geeignet erscheint. Diese Regelung bezweckt Verwaltungsvereinfachung und Effizienz des Gesetzesvollzugs. Sie rechtfertigt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch den bei Massengeschäften bedeutsamen Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität, weil eine Heranziehung aller Miteigentümer entsprechend ihren Bruchteilen mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom ...<Anmerkung: s. in den Tipps für die Praxis>). Die gesetzlich angeordnete Gesamtschuldnerschaft dient danach nicht dem Schuldnerschutz, so dass ein herangezogener Gesamtschuldner nicht bereits dadurch in seinen Rechten verletzt wird, dass andere mithaftende Gesamtschuldner ermessensfehlerhaft nicht in Anspruch genommen werden (...). Die die Antragstellerin betreffende Auswahl war im Übrigen im Ergebnis zumindest nicht offensichtlich fehlerhaft, da ihre nach der Aktenlage bestehenden Vermögensverhältnisse nicht den Schluss zu lassen, dass sie ein ungeeigneter Schuldner ist. Sie verfügte nach dem von ihr eingereichten Bescheid des Amtes für Ausbildungsförderung ... über eine jährliche Rente von 1.492,-- Euro sowie über ein Vermögen von 4.060,87 Euro, dem nach dem Bescheid zulässigen Freibetrag. Ob der Wert des Grundbesitzes, der ... mit 38.823,97 Euro belastet sein soll, in diese Wertangabe eingeflossen ist, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Ferner ist unklar, ob eine weitergehende Beleihung des Grundstücks auf Grund der geltend gemachten Belastung ausgeschlossen ist.

 

 Unsere Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Rechtsprechung und die Erläuterungen zur Gesamtschuldnerschaft bei Rdnr. 1202 .

 

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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