Alle Treffer anzeigen
Dieses Fenster schliessen
19.03.2012

Erschließung eines Hinterliegergrundstücks über einen Privatweg

An der Aufwandsverteilung sind nur die Grundstücke zu beteiligen, denen die Ausbaumaßnahme einen aktuellen Sondervorteil verschafft.

 

 

Der Fall:

 

Der Grundstückseigentümer (Antragsteller) begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag für die Erneuerung der Ortsstraße K.-gasse.

Er ist u.a. Eigentümer des 2.480 m² großen Grundstücks FlNr. 174. Die Gemeinde (Antragsgegner) zog den Antragsteller mit Bescheid vom 22.10.2010 zu einem Straßenausbaubeitrag nach Maßgabe seiner Ausbaubeitragssatzung heran. Der Antragsteller erhob Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung; letzteres lehnte der Antragsgegner ab.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

1. An der Aufwandsverteilung sind nur die Grundstücke zu beteiligen, denen die Ausbaumaßnahme einen aktuellen Sondervorteil verschafft.

 „Bei den durchgeführten Baumaßnahmen an der K.-gasse handelt es sich unstreitig um die Erneuerung bzw. Verbesserung einer Ortsstraße, für die der Antragsgegner auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG i.V. mit der Straßenausbaubeitragssatzung Beiträge von denjenigen Grundstückseigentümern erheben darf (und soll), denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Straße besondere Vorteile bietet. Für den Sondervorteil i.S. von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG sind nach der Rechtsprechung des Senats zwei Merkmale entscheidend: Zum einen die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Ortsstraße, wie sie bei Anliegergrundstücken und ihnen aus dem Blickwinkel einer rechtlich gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit grundsätzlich gleichzustellenden Hinterliegergrundstücken gegeben ist, zum anderen eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann (BayVGH vom 14.4.2011 - 6 BV 08.3182 <juris> Rdnr 18 m.w.N. der Rechtsprechung).

 

Nach summarischer Prüfung sind diese Anforderungen an einen beitragsrelevanten Sondervorteil für das Grundstück des Antragstellers erfüllt. Es liegt zwar nicht unmittelbar an der abgerechneten K.-gasse an, ist aber mit dieser über die Grundstücke FlNrn. 169 und 171 durch einen von ihr abzweigenden, aller Voraussicht nach unselbständigen und tatsächlich wie rechtlich befahrbaren Privatweg über das Grundstück FlNr. 190 verbunden; es stellt damit ein Hinterliegergrundstück (im weiteren Sinn) dar (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, Rdnr 101 zu § 17).“

 

2. Maßgeblich ist die nächste erreichbare, selbständige Verkehrseinrichtung

 

„Bei der Zufahrt von der K.-gasse über den K.-platz (FlNr. 190) zum Grundstücksareal des Antragstellers handelt es sich um einen (befahrbaren) Privatweg. Das Grundstück FlNr. 190 steht im Eigentum der Katholischen Kirchenstiftung. Eine Widmung i.S. des Art. 6 Abs. 1 BayStrWG, durch die eine Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhält, ist nicht erfolgt.

 

Einem Grundstück wird im Straßenausbaubeitragsrecht eine vorteilsrelevante, zur Beitragserhebung rechtfertigende Inanspruchnahmemöglichkeit grundsätzlich durch die nächste von ihm aus erreichbare selbständige Verkehrseinrichtung vermittelt. Grenzt ein Grundstück an einen von einer ausgebauten Straße abzweigenden – öf­fentlichen oder privaten – Weg, beantwortet sich die Frage, ob dieses Grundstück an der Verteilung des umlagefähigen Aufwands für den Ausbau der Straße teilnimmt, danach, ob der Weg als ausbaubeitragsrechtlich selbständig oder unselbständig zu qualifizieren ist. Ist der Weg selbständig, koppelt er die nur an ihm gelegenen Grundstücke ab und schließt eine Beitragspflicht für die Straße, von der der Weg abzweigt, aus (BayVGH vom 14.4.2011, a.a.O., Rdnr 20).“

 

3. Gerader Privatweg mit 35m Länge unselbständig

„Die in den Akten befindlichen Fotos vermitteln den Eindruck, dass es sich bei dem Privatweg zu den Grundstücken des Antragstellers um eine unselbständige Verkehrseinrichtung mit zufahrtsähnlichem Charakter handelt. Der Weg ist lediglich ca. 35 m lang, verläuft geradeaus und liegt am südlichen Rand des eigentlichen Kirchplatzes. Optisch ist er von diesem durch eine zweireihige Entwässerungsrinne, eine aufgekieste Parkfläche auf dem Platz sowie eine kleine Grünfläche abgesetzt. Dadurch wirkt der Privatweg nicht als Bestandteil des möglicherweise selbständigen Platzes auf dem Grundstück FlNr. 190, sondern als unselbständige Zufahrt zum Einfahrtsbereich mit Tor auf die Grundstücke des Antragstellers.

 

Der Privatweg ist tatsächlich und rechtlich befahrbar. Die tatsächliche Befahrbarkeit der gepflasterten Zufahrt ist anhand der Fotos erkennbar. Rechtlich ist der Weg durch ein Geh- und Fahrtrecht mittels einer Grunddienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer der Grundstücke FlNrn. 169 bis 172 und des herangezogenen Grundstücks FlNr. 174 sowie eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit für den Freistaat Bayern gesichert. Eines zusätzlichen Geh- und Fahrtrechts für das Grundstück FlNr. 174 über die Grundstücke FlNrn. 171 und 169 bedarf es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht, da diese in seinem Eigentum stehen.

 

Der Privatweg vermittelt auch dem Grundstück FlNr. 174 eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten K.-gasse, die eine Beitragserhebung rechtfertigt. Das Grundstück bildet zusammen mit den Grundstücken FlNrn. 169 bis 172 ein als Zentrum für psychisch Kranke wirtschaftlich einheitlich genutztes, dem Antragsteller gehörendes Areal, das mit der K.-gasse über einen Einfahrtsbereich mit Tor zum auf die K.-gasse führenden Privatweg verbunden ist. Damit bestehen hinreichende Anhaltspunkte, dass auch vom Grundstück FlNr. 174 aus die abgerechnete K.-gasse in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen wird (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, RdNrn. 401 i ff. zu § 8), auch wenn der Antragsteller dies – allerdings in unsubstantiierter Weise – bestreitet. Dass das Grundstück darüber hinaus über eine Toranlage mit der Kä.-gasse verbunden ist, führt lediglich zu einer Mehrfacherschließung und ist nach der sog. Wegdenkenstheorie unbeachtlich. Nicht entscheidungserheblich ist ferner die vom Antragsteller bestrittene Frage, ob vom Privatweg über den K.-platz aus „überwiegend“ Zufahrt oder Zugang zum Gelände des Antragstellers genommen wird.“

 

Weiterleitende Hinweise:

 

Die Daten der obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen unter Rdnrn. 2161 und 925

 


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

Das Passwort erhalten Sie mit der aktuellen Ergänzungslieferung. Sie finden es auf der Rückseite des Vorworts. Wenn sie Cookies auf Ihrem PC aktivieren, genügt die einmalige Eingabe des Passwortes.


Sie sind nicht Bezieher des Matloch/Wiens und möchten die Tipps für die Praxis lesen? Dann klicken Sie bitte auf Service


Bitte Ihr Passwort eingeben: