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29.09.2011

Engstelle als Erschließungshindernis?

Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob ein Erschließungsbeitrag auch dann erhoben werden kann, wenn die Erschließungsstraße eine Engstelle aufweist. Das OVG Rheinland-Pfalz sieht hier jedenfalls kein Erschließungshindernis, da die anliegenden Grundstücke erreichbar sind und Verkehrsaufkommen und örtliche Situation die Engstelle zulassen.

 

Der Fall:

Die Gemeinde erhob Erschließungsbeiträge für die Herstellung einer Straße, die auf eine Länge von 25 m lediglich eine Breite von 3,50 m sowie auf eine weitere Länge von 46 m eine Breite von nur 4,25 m aufweist. Hiergegen klagte eine betroffene Grundstückseigentümerin mit Erfolg vor dem Verwaltungsgericht. Dieses gab der Klage mit der Begründung statt, das veranlagte Grundstück werde von der Straße nicht erschlossen, weil durch die Engstelle die Mindestbreite unterschritten werde, die die Straße haben müsse, um als ordnungsgemäße Erschließungsstraße angesehen werden zu können.

Im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht verteidigte die Gemeinde ihre Rechtsauffassung, die Straße werde trotz der Engstelle den Verkehrsbedürfnissen gerecht. Die Klagepartei hingegen bekräftigte ihr Vorbringen; die Engstelle, die einen Begegnungsverkehr von Kraftwagen nicht zulasse, stehe der Erschließung der Grundstücke entgegen, zumal die Engstelle wegen parkender Fahrzeuge häufig nicht eingesehen werden könne.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Die Engstelle nimmt der Erschließungsanlage nicht ihre Funktion, den anliegenden Grundstücken die Erreichbarkeit zu gewährleisten:

„Erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB ist ein Wohngrundstück, wenn mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen über die Erschließungsstraße bis zur Höhe des Anliegergrundstücks gefahren und dieses von da ab ggf. über einen Gehweg und/oder Radweg betreten werden kann (vgl. BVerwG, 8 C 59/89 ...). Die Zuwegungsmöglichkeit muss nicht gewährleisten, das Grundstück zu jeder beliebigen Zeit völlig reibungslos und ohne jegliche Behinderung durch andere Verkehrsteilnehmer zu erreichen (...). Andernfalls müssten in Großstädten regelmäßig Straßen von einer Breite angelegt werden, die einen nicht mehr tragbaren Aufwand erfordern würde. Vielmehr ist es zur Erschließung ausreichend, wenn die Grundstücke im Allgemeinen über die Erschließungsstraße erreicht werden können, wobei vorübergehende Behinderungen die Zufahrtsmöglichkeit nicht in Frage stellen (...).“

Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen („RASt 2006“) lassen Engstellen in Ausnahmefällen zu. Maßgeblich sind Verkehrsaufkommen und örtliche Situation:

„Anders als das Verwaltungsgericht meint, kann die wegemäßige Erschließung ... nicht mit der Begründung verneint werden, in der Engstelle sei ein Begegnungsverkehr von Fahrzeugen nicht möglich. Angesichts des Verkehrsaufkommens in der H… Straße ist es ausreichend, dass auf einer Länge von ca. 25 m kein Begegnungsverkehr von Kraftwagen und auf einer Länge von ca. 46 m nur Begegnungsverkehr von vergleichsweise schmalen Personenkraftwagen bei geringer Fahrgeschwindigkeit möglich ist. Denn die Engstelle ist ... von Verkehrsteilnehmern, die sich ihr ... nähern, in voller Läge zu überblicken. Auch der jeweils sich ... unmittelbar anschließende Verkehrsraum ist jeweils ein Stück weit zu sehen, bis sich die H… Straße in einem weiten Bogen fortsetzt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass auf einer Länge von ca. 46 m auf beiden Seiten der Engstelle plangemäß Parkflächen errichtet wurden, die ein Ausweichen im Begegnungsfall ermöglichen können. Zwar mag es vorkommen, dass insbesondere in den Abendstunden in den Bereichen unmittelbar vor und hinter der Engstelle trotz der dort angelegten Grundstückszufahrten Kraftwagen abgestellt werden, die den Verkehrsteilnehmern sowohl in nördlicher als auch in südlicher Richtung den Überblick über das Verkehrsgeschehen in der Engstelle erschweren. Gleichwohl stellen solche zeitweise auftretenden Behinderungen die Zufahrtsmöglichkeit als solche nicht in Frage.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen – RASt 2006 –, einer sachverständigen Konkretisierung moderner Grundsätze des Straßenbaus, die allerdings nur empfehlenden Charakter hat (...), keine Bedenken gegen die Engstelle. Nach Ziffer 6.1.1.10 Tabelle 16 RASt 2006 darf eine schmale Zweirichtungsfahrbahn 3,50 m, in Ausnahmefällen 3,00 m breit sein, wenn die Abschnittslänge ca. 50 m beträgt, nur geringer Lkw-Verkehr herrscht und weniger als 70 Kraftfahrzeuge pro Stunde den Abschnitt befahren. Davon kann hier ausgegangen werden. ... Der ... durchgeführten Verkehrszählung zufolge durchfuhren ... in der Zeit von 7:30 bis 8:30 Uhr sowie von 11:30 bis 12:30 Uhr jeweils weniger als 50 Kraftfahrzeuge die Engstelle. Da insgesamt nur ein einziger Lkw gezählt wurde, sind die Voraussetzungen der erwähnten Empfehlungen für die Anlage der Engstelle erfüllt.“

Auf die Verkehrsbelastung in Spitzenzeiten kommt es nicht entscheidend an.

„Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, es müsse entscheidend auf das Verkehrsaufkommen in den morgendlichen bzw. abendlichen Verkehrsspitzenzeiten abgestellt werden. Der Senat hält vielmehr daran fest, dass die wegemäßige Erschließung eines Wohngrundstücks nicht davon abhängt, dass es zu jeder beliebigen Zeit völlig reibungslos und ohne jegliche Behinderung durch andere Verkehrsteilnehmer erreicht werden kann (...). Deshalb können weder die Verkehrsspitzenzeiten noch die Zeiten maßgebend sein, in denen die Verkehrsdichte am geringsten ist. Angesichts dessen wurde die Beklagte gebeten, die Verkehrszählung an einem Werktag außerhalb der Schulferien zwischen 7.30 Uhr und 8.30 Uhr sowie zwischen 11.30 Uhr und 12.30 Uhr durchzuführen.“

 

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen sowie einschlägige Rechtsprechung zur Frage der Mindestbreite von Erschließungsanlagen bei Rdnr. 13; zum „schlechthin unentbehrlichen Mindestausbau“ bei Rdnr. 286 .

 

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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