Alle Treffer anzeigen
Dieses Fenster schliessen
30.07.2012

Einteilung der Straße in Straßenkategorien

Die Entscheidung klärt insbesondere die Frage, inwieweit kleinräumiger Ziel- und Quellverkehr eine Straße zur Haupterschließungsstraße machen.


Der Fall:

Die Gemeinde hat die Straßenbeleuchtung in der L.-Straße abgerechnet. Bei der Abrechnung ist sie von einer Anliegerstraße (Anliegeranteil 60 v.H.) ausgegangen, während der beitragspflichtige Grundstückseigentümer (Kläger) der Ansicht ist, es handle sich um eine Haupterschließungsstraße (Anliegeranteil 40 v. H.). Die neue Entscheidung klärt insbesondere die Frage, inwieweit kleinräumiger Ziel- und Quellverkehr eine Straße zur Haupterschließungsstraße machen.

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

1. Ausgangspunkt für die Einstufung ist die Definition in der Satzung

„1. Der Kläger ist – unstreitig – dem Grunde nach verpflichtet, für die Erneuerung und Verbesserung der Straßenbeleuchtung an dem südlichen Ast der L.-straße als der maßgeblichen Ortsstraße Beiträge nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG in Verbindung mit der Satzung der Beklagten über die Erhebung eines Straßenausbaubeitrages (ABS) vom 3. November 2003 zu bezahlen.

Die Beteiligten streiten allein um die Zuordnung der L.-straße (südlicher Ast) zu den in § 6 Abs. 3 ABS genannten Straßenkategorien und die dadurch gesteuerte Aufteilung des beitragsfähigen Aufwands für die Ausbaumaßnahme auf die Beklagte als Repräsentantin der Allgemeinheit (Gemeindeanteil) und auf die betroffenen Grundstückseigentümer (Eigentümeranteil). Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei der Straße um eine Anliegerstraße handelt und der Eigentümeranteil dementsprechend 60 v.H. beträgt (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. e ABS). Nach Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts ist sie als Haupterschließungsstraße anzusehen mit einem Eigentümeranteil von nur 40 v.H. (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e ABS). Der Senat gelangt zu dem Ergebnis, dass die L.-straße (südlicher Ast) zur Kategorie Anliegerstraße zählt.

a) Die Satzung definiert Anliegerstraßen als Straßen, die ganz überwiegend der Schaffung der Möglichkeit der Inanspruchnahme eines besonderen Vorteils der Grundstücke, also deren Erschließung, dienen (§ 6 Abs. 3 Buchst. a ABS). Haupterschließungsstraßen sind Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen, soweit sie nicht Hauptverkehrsstraßen sind (§ 6 Abs. 3 Buchst. b ABS). Als Hauptverkehrsstraßen wiederum gelten Straßen, die ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen (§ 6 Abs. 3 Buchst. c ABS).

 

Ausgangspunkt für die – gerichtlich uneingeschränkt überprüfbare – Einstufung von Straßen in eine dieser Kategorien sind folgende Erwägungen: Die Ermächtigung zum Satzungserlass (…) verlangt von der Gemeinde, für Einrichtungen, die nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugute kommen, eine Eigenbeteiligung am Erneuerungs- oder Verbesserungsaufwand vorzusehen, die die Vorteile der Allgemeinheit angemessen berücksichtigt. Aus dieser Vorgabe erwächst das Gebot, die Ortsstraßen nach ihrer Verkehrsbedeutung typisierend zu gliedern und zumindest nach den Straßenkategorien der Wohnstraße, der Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr und Durchgangsstraßen zu differenzieren (BayVGH, U.v. 29.10.1984 – 6 B 82 A.2893 - VGH n.F. 37, 142 ff.). Die Kategorien sollen also Straßentypen mit signifikanten Unterschieden hinsichtlich des Vorteils der Allgemeinheit gegeneinander abgrenzen. Das Verständnis der Einzelbestimmung kann sich somit von vorneherein nicht isoliert an deren Wortlaut, sondern muss sich am Verhältnis zu den anderen Straßenkategorien orientieren. Da nach den Definitionen der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten Anliegerstraßen ganz überwiegend dem Anliegerverkehr und Hauptverkehrsstraßen ganz überwiegend dem Durchgangsverkehr dienen, drängt sich auf, dass sich bei Haupterschließungsstraßen Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa als gleichgewichtig erweisen. Daraus folgt auch mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben, dass die Begriffswahl „ganz überwiegend“ verdeutlichen soll, dass es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grund­satz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt gehen soll. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Einordnung einer Straße in die Kategorien der Ausbaubeitragssatzung ausgehend von den Definitionen der Satzung auf die Zweckbestimmung abzustellen, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Lediglich „daneben“, gewissermaßen als Bestätigungsmerkmal, können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Bedeutung sein (BayVGH, U.v. 5.12.2007 – 6 BV 04.496 – juris <RdNr. 26>; U.v. 20.2.2009 – 6 BV 07.615 – juris <RdNr. 19> m.w.N.).“

 

2. Kleinräumiger Ziel- und Quellverkehr machen eine Straße nicht zur Haupterschließungsstraße

 

„b) Gemessen an diesem Maßstab handelt es sich bei der L.-straße (südlicher Ast) um eine Anliegerstraße. Das Bauquartier „L.“ liegt am nordwestlichen Stadtrand und wird im Osten durch eine Bahnlinie, im Süden durch die N. Straße von den übrigen Bauquartieren getrennt. Nach Nordwesten schließen sich Felder an. Es ist nicht qualifiziert beplant und entspricht einem reinen Wohngebiet; einen Bebauungsplan gibt es … nur im nördlichen Bereich an der C.-Straße. Das Gebiet ist, wie die bei den Akten befindlichen Fotos und Luftbilder erkennen lassen, überwiegend mit Ein- und Zweifamilienhäusern oder kleineren Mehrfamilienhäusern bebaut. Zur verkehrsmäßigen „Binnenerschließung“ dienen die L.-straße (mit H.-weg als Stichstraße), die G.--Straße, die Straßen An der M. und An der H., die A.-Straße und die C.-Straße. Die Anbindung an das weiterführende Straßennetz erfolgt über zwei Straßen, zum einen über die L.-straße nach Süden zur N. Straße, zum anderen im Nordosten durch die G.-Straße, die über die Bahnlinie hinweg auf den E. Weg führt.

 

Schon mit Blick auf die Randlage des Bauquartiers und die Straßenführung ist auszuschließen, dass über den etwa 140 m langen südlichen Ast der L.-straße innerörtlicher oder gar überörtlicher Durchgangsverkehr von nennenswertem Gewicht abgewickelt werden soll. Im Wesentlichen geht es vielmehr alleine um die Aufnahme des kleinräumigen Ziel- und Quellverkehrs aus dem überschaubaren, nur wenige kürzere Wohnstraßen umfassenden Bauquartier L.. Dieser von der L.-straße aufzunehmende Verkehr wird sich zudem im Wesentlichen auf den südlichen Teil des Baugebiets beschränken, weil der nördliche Teil jedenfalls überwiegend über die breiter angelegte und leistungsfähigere G.-Straße/E. Weg angefahren werden dürfte, zumal von dort über den K.­weg/J.-E.-v.-S.-Straße – parallel zur L.-straße, aber außerhalb des Bauquartiers – eine weitere und „bequemere“, weil nicht mehrfach rechtwinklig abknickende Verbindung zur N. Straße besteht. Bei dem damit den Schwerpunkt bildenden Verkehr aus dem kleinräumigen Umfeld handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße erforderlich wäre. Er ist vielmehr dem Anliegerverkehr zuzuordnen. Dass am südlichen Ast der L.-straße (ohne H.weg) unmittelbar nur sieben Grundstücke angrenzen, ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts unerheblich. In der durch das Gesetz vorgeschriebenen Abstufung der Straßenkategorien ist nämlich eine an einem Grobraster orientierte, die Vorteilsunterschiede betonende und daher an die Merkmale kleinräumig, innerörtlich durchführend und überörtlich durchführend anknüpfende Aufteilung angelegt, die durch eine starr auf die einzelne Einrichtung bezogene Beurteilung verwischt wird (BayVGH, U.v. 20.2.2009, a.a.O. RdNr. 22).

 

Die Zweckbestimmung zur Aufnahme des Anliegerverkehrs aus der kleinräumigen Umgebung wird durch das eher schlichte Ausbauprofil der L.-straße bestätigt: Die Fahrbahn ist im fraglichen Bereich nur 5,50 m breit. Daran schließen sich asphaltierte Gehsteige mit einer Breite von lediglich 0,50 m auf der Westseite und 1,50 m auf der Ostseite an. Radweg oder Parkstreifen sind nicht vorhanden.“

 

Weiterleitende Hinweise:

Die Daten der obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zu den angesprochenen Themen unter Rdnr. 2123

 


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

Das Passwort erhalten Sie mit der aktuellen Ergänzungslieferung. Sie finden es auf der Rückseite des Vorworts. Wenn sie Cookies auf Ihrem PC aktivieren, genügt die einmalige Eingabe des Passwortes.


Sie sind nicht Bezieher des Matloch/Wiens und möchten die Tipps für die Praxis lesen? Dann klicken Sie bitte auf Service


Bitte Ihr Passwort eingeben: