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16.12.2013

Die BauGB-Novelle 2013 - Auswirkungen auf den Erschließungsvertrag

Erschließungs-Novelle 2013: Ziel der Gesetzesänderung war laut Gesetzesbegründung, den Handlungsspielraum der Kommunen zu erweitern. 

I.             Gesetzgebungsverfahren

Am 26.4.2013 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts (BGBl I S. 1548) beschlossen. Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf am 3.5.2013 zugestimmt. Die den Erschließungsvertrag betreffenden Änderungen sind am 21.6.2013 in Kraft getreten. Der von der Bundesregierung am 10.8.2012 eingebrachte Gesetzesentwurf beruht auf der in dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26.10.2009 getroffenen Vereinbarung, den Klimaschutz und die Innenentwicklung im Bauplanungsrecht zu stärken. Der energie- und klimapolitische Teil der Bauplanungsrechtsnovelle war zur Beschleunigung der Energiewende vorgezogen worden und ist als Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden bereits am 30.7.2011 in Kraft getreten (BGBl I S. 1509).

                                                   

II.            Neuregelung des Erschließungsvertrags
 
1.    Bisherige Regelungen

Der Erschließungsvertrag war bislang in § 124 BauGB geregelt. § 124 Abs. 1 BauGB bestimmte, dass die Gemeinde durch einen Erschließungsvertrag die Erschließung auf einen Dritten übertragen kann. Gegenstand des Erschließungsvertrags konnten nach § 124 Abs. 2 Satz 1 BauGB Erschließungsanlagen in einem bestimmten Erschließungsgebiet der Gemeinde sein, wobei es auf die Beitragsfähigkeit nicht ankam. § 124 Abs. 2 Satz 2 BauGB ermöglichte eine Verpflichtung des Dritten zur vollständigen oder teilweisen Tragung der Erschließungskosten unabhängig von der Beitragsfähigkeit der Erschließungsanlagen nach Bundes- oder Landesrecht. In § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB war das sog. Angemessenheitsgebot geregelt. § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB legte die Verpflichtung der Gemeinde fest, im Geltungsbereich eines von ihr erlassenen qualifizierten Bebauungsplans die Erschließung selbst durchzuführen, wenn sie das zumutbare Angebot eines Dritten ablehnt, die im Bebauungsplan vorgesehene Erschließung vorzunehmen. § 124 Abs. 4 BauGB enthielt ein Schriftformgebot.

 

2.    Rechtsprechung zur alten Rechtslage

Umstritten war nach der alten Rechtslage zunächst das Verhältnis des Erschließungsvertrags zu dem in § 11 BauGB geregelten städtebaulichen Vertrag.

Dazu hat das BVerwG mit Urteil vom 1.12.2010 (Az. 9 C 8.09) entschieden, dass § 124 BauGB gegenüber § 11 BauGB die speziellere Norm ist, da der Erschließungsvertrag eine besondere Form des städtebaulichen Vertrags ist. Der 9. Senat folgte damit nicht der im Schrifttum vertretenen Ansicht, wonach § 11 BauGB grundsätzlich gleichberechtigt neben den Vorschriften über den Erschließungsvertrag steht, sich die verschiedenen Vertragsformen mithin nicht ausschließen. Das BVerwG begründete dies mit gesetzeshistorischen Erwägungen. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 habe mit § 11 BauGB die Vorgängerregelung des § 6 des BauGB-Maßnahmengesetzes inhaltlich weitgehend unverändert übernommen werden sollen. Die Vorschrift sei lediglich redaktionell verkürzt worden. In der Gesetzesbegründung finde sich keine Aussage zu dem Verhältnis des städtebaulichen Vertrags zu dem in § 124 BauGB geregelten Erschließungsvertrag. Insbesondere sei die Regelung des § 124 BauGB unangetastet geblieben und auch nicht in die Vorschrift des § 11 BauGB integriert worden. Mithin könne nicht angenommen werden, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen habe, für die Gemeinden neben der Möglichkeit der Beitragserhebung (§§ 127 ff BauGB) und dem Abschluss eines Erschließungsvertrags (§ 124 BauGB) einen dritten Weg, nämlich den Abschluss eines städtebaulichen Vertrags (§ 11 BauGB) zur Finanzierung von Erschließungsmaßnahmen bereitzustellen. Dies gelte vor allem in Anbetracht der speziellen Tatbestandsvoraussetzungen des § 124 BauGB. Insoweit verweist das BVerwG insbesondere auf das Merkmal des „Dritten“. Die Vorrangstellung des § 124 BauGB a.F. galt nach dem vorgenannten Urteil des BVerwG auch im Verhältnis zu dem in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB a.F. geregelten Folgekostenvertrag.

In dieser Entscheidung hat das BVerwG auch klargestellt, dass eine von der Gemeinde (ganz oder mehrheitlich) beherrschte sog. Eigengesellschaft kein „Dritter“ i.S.v. § 124 BauGB a.F. sein kann, auf den die Gemeinde die Erschließung durch Vertrag übertragen kann. Das BVerwG verweist dazu auf die Begründung des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland (Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz) vom 22.04.1993 (BGBl I S. 466), durch welches § 124 BauGB geändert worden war. Aus der Gesetzesbegründung werde deutlich, dass der Gesetzgeber als Partner eines Erschließungsvertrages einen privaten Erschließungsunternehmer als „Investor“ vor Augen hatte, der seine Entscheidungen unabhängig von der Gemeinde trifft und sich dabei vor allem von kaufmännischen Überlegungen und den Möglichkeiten des „Marktes“ leiten lässt. Es liege fern, darunter auch eine gemeindliche Eigengesellschaft zu verstehen, hinter der die Gemeinde selbst steht, um deren Entlastung von finanziellen Belastungen es nach der Gesetzesbegründung gerade geht. Eine solche Eigengesellschaft werde in der Regel sämtliche Kosten übernehmen, um sie möglichst umfänglich auf die Grundstückskäufer/-eigentümer abwälzen zu können. Denn die Eigengesellschaft werde regelmäßig zu dem Zweck gegründet, die Gemeinde von den finanziellen Lasten der Erschließung (und deren verwaltungsmäßiger Abwicklung) so weit wie möglich zu befreien. Wäre es der Gemeinde erlaubt, „im Mantel“ ihrer als „Dritter“ auftretenden Eigengesellschaft die Erschließung durchzuführen und die Erschließungskosten vertraglich ohne die Begrenzungen des Beitragsrechts auf die Grundstückskäufer abzuwälzen, wäre praktisch kein Fall mehr denkbar, in dem es nicht im Interesse der Gemeinde läge, die Erschließung auf ihre Eigengesellschaft zu übertragen. Die Einschaltung einer solchen Eigengesellschaft liefe praktisch und wirtschaftlich darauf hinaus, dass die Gemeinde „im Mantel des Privaten“ vertraglich Kosten auf die Eigentümer bzw. Käufer abwälzen könnte, ohne den Begrenzungen des Beitragsrechts zu unterliegen.

 

3.    Änderungen durch die BauGB-Novelle 2013

Auf diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung reagiert. Ziel der Gesetzesänderung ist ausweislich der Gesetzesbegründung, den Handlungsspielraum der Kommunen zu erweitern.

Der Erschließungsvertrag wurde in die Regelungen über den städtebaulichen Vertrag integriert (§ 11 BauGB n.F.). § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB bestimmt nunmehr, dass Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags unter anderem insbesondere die Erschließung durch nach Bundes- oder nach Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen sein kann. Das Merkmal der Übertragung sieht § 11 BauGB nicht mehr vor. Durch die Integrierung des Erschließungsvertrags in die Regelungen zum städtebaulichen Vertrag entfällt das Problem der Spezialität des Erschließungsvertrags gegenüber dem Folgekostenvertrag (vgl. BVerwG v. 01.12.2010). Verträge über die Erschließung – seien es Erschließungsverträge im Sinne des bisherigen § 124 BauGB, seien es Folgekostenverträge oder sonstige Vertragsgestaltungen – sollen nach der Gesetzesbegründung künftig generell als Verträge i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB bzw. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB (Folgekostenvertrag) zu behandeln sein.

Von Bedeutung ist vor dem Hintergrund der zu § 124 BauGB a.F. dargestellten Rechtsprechung ferner das Entfallen des Merkmals des „Dritten“.  Zudem ist in § 11 Abs. 1 Satz 3 BauGB n.F. nunmehr ausdrücklich geregelt, dass die Gemeinde städtebauliche Verträge auch mit einer juristischen Person abschließen kann, an der sie beteiligt ist. Damit hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des BVerwG zur kommunalen Eigengesellschaft als „Dritter“ reagiert. Nach der Gesetzesbegründung soll mit dieser Regelung der Abschluss entsprechender Verträge mit ganz oder teilweise von der Gemeinde beherrschten Unternehmen, sog. Eigengesellschaften, ermöglicht werden. § 11 Abs. 1 Satz 3 BauGB enthält hinsichtlich des Beteiligungsgrades keine Einschränkungen.

Durch die Integrierung des Erschließungsvertrags in § 11 BauGB unterfällt der Erschließungsvertrag dem bereits zuvor in § 11 Abs. 2 BauGB geregelten Angemessenheitsgebot, wobei im Zuge der Novelle in § 11 Abs. 2 Satz 3 BauGB n.F. die bereits in § 124 Abs. 2 Satz 3 BauGB a.F. enthaltene Regelung aufgenommen wurde, dass eine Eigenbeteiligung der Gemeinde nicht erforderlich ist, wenn der Vertragspartner Kosten oder sonstige Aufwendungen trägt oder übernimmt.

Verblieben ist in § 124 BauGB nach der BauGB-Novelle 2013 die vorher in § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB enthaltene Regelung. Nach § 124 BauGB n.F. ist die Gemeinde verpflichtet, im Geltungsbereich eines von ihr erlassenen qualifizierten Bebauungsplans die Erschließung selbst durchzuführen, wenn sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ablehnt.

 

4. Bewertung und Ausblick

Durch die Neuregelung ist die Abgrenzungsproblematik von Erschließungsvertrag und städtebaulichem Vertrag entfallen. In Zukunft stehen der Abschluss eines Erschließungsvertrags und der Abschluss eines Folgekostenvertrags als zwei Formen städtebaulicher Verträge gleichberechtigt nebeneinander. Ungeachtet des Umstands, dass in § 11 BauGB n.F. das Merkmal der „Übertragung der Erschließung“ nicht übernommen wurde, dürfte sich an der Notwendigkeit einer Regimeentscheidung der Gemeinde gleichwohl nichts ändern. Auch die Gesetzesbegründung nimmt ausdrücklich auf das Merkmal der „Übertragung“ Bezug. Bestehen bleiben auch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu dem in § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB a.F. normierten Angemessenheitsgebot. In diesem Zusammenhang verweist die Gesetzesbegründung insbesondere auf die Entscheidung des BVerwG v. 10.08.2011 (Az. 9 C 6.10) zur Frage der Angemessenheit bei der Übernahme von Fremdanliegerkosten durch den Erschließungsträger. Von eminenter Bedeutung ist schließlich das Entfallen des Problems der kommunalen Eigengesellschaft als „Dritter“ durch die Neuregelung.


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