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10.02.2016

Beitragsrechtliche Inanspruchnahme einer Erbengemeinschaft

Die in der Entscheidung dargelegten Grundsätze zur Heranziehung eines Mitglieds einer Erbengemeinschaft sind auch auf das Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht anwendbar.

 

Der Fall

Der Kläger gehört einer Erbengemeinschaft an, deren Mitglieder im Grundbuch mit dem Zusatz "in Erbengemeinschaft" als Eigentümer von betroffenen Grundstücken eingetragen waren. Die Beklagte zog den Kläger mit Bescheid zur Zahlung eines Beitrags heran. In der Begründung des Bescheides wies die Beklagte darauf hin, dass der Kläger als Gesamtschuldner hafte.  Der nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit der Begründung statt, der Kläger könne nicht alleine zur Zahlung des Beitrags herangezogen werden. Miterben seien weder Alleineigentümer noch Miteigentümer, sondern Gesamthandseigentümer und könnten daher nur als Gesamthandsschuldner herangezogen werden. Im Berufungsverfahren führte das Oberverwaltungsgericht aus: Jeder Miterbe sei als Gesamthandseigentümer Eigentümer und hafte als Gesamtschuldner. Stehe das Grundstück im Eigentum mehrerer Gesamthandseigentümer, so erfülle jeder für sich den abgabenrechtlichen Tatbestand "Eigentümer". Mit seiner Revision zum BVerwG macht der Kläger geltend, als Miterben seien alle gemeinsam zur gesamten Hand beitragspflichtig. Es sei auch tatsächlich möglich gewesen, die weiteren Erben zu ermitteln und heranzuziehen.

 

Die Entscheidung des BVerwG

 

Die Grundsätze:

„Bei Eigentümergemeinschaften zur gesamten Hand - wie im Falle einer Erbengemeinschaft - ist jedes Mitglied Eigentümer der Sache, die zum Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft gehört. Die Gesamthandsgemeinschaft ist ihrerseits keine juristische Person. Sie hat keine Rechtspersönlichkeit und kann "als solche" nicht für öffentlich-rechtliche Beitragspflichten haftbar gemacht werden. Dem Gesamthandseigentümer gehört die einzelne Sache vielmehr ganz, wenn auch beschränkt durch das gleiche Recht der anderen Mitglieder der Gesamthandsgemeinschaft.

Der Kläger konnte auch als Gesamtschuldner herangezogen werden. Die Verpflichtung zur Zahlung einer öffentlich-rechtlichen Abgabe bestimmt sich nach den gesetzlichen bzw. satzungsrechtlichen Regelungen des öffentlichen Rechts. Für die Auffassung des Klägers, zivilrechtlich müsse gegenüber der ungeteilten Erbengemeinschaft als solcher vorgegangen werden, ist daher kein Raum (vgl. auch BVerwG …).

Der Grundsatz, dass die zuständige Behörde sich ihren Schuldner im Wege der Gesamtschuld aussuchen darf, bedarf … keiner ausdrücklichen Normierung. Ausdrücklich geregelt werden müssen indes die Fälle, in denen eine gesamtschuldnerische Haftung von Personenmehrheiten ausgeschlossen sein soll.“

 

Ermessenserwägungen bei der Auswahl des Gesamtschuldners:

„Wen sie im Fall der Personenmehrheit als Schuldner zur Zahlung … heranzieht, hat die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Ermessen ist sehr weit. Erlaubt ist insbesondere eine Auswahl aus finanziellen oder aus verwaltungspraktischen Gründen (…). Innerhalb der ihrem Ermessen lediglich durch Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit gezogenen Grenzen kann die Behörde den Gesamtschuldner in Anspruch nehmen, dessen Wahl ihr geeignet und zweckmäßig erscheint (…). Deshalb sind Ermessenserwägungen zur Auswahl eines Gesamtschuldners nur dann veranlasst, wenn Willkür- oder Billigkeitsgründe geltend gemacht werden und tatsächlich vorliegen. Einwände eines Schuldners gegen seine Auswahl müssen dabei auf Billigkeitserwägungen beruhen, die gerade ihn selbst betreffen. Nicht einwenden kann ein Schuldner, dass es andere Gesamtschuldner gebe, die ebenfalls oder an seiner Stelle heranzuziehen seien (…). Bedenken gegen ein weites Ermessen der Behörde bestehen angesichts der Möglichkeit des herangezogenen Schuldners, Ausgleich von den anderen Gesamtschuldnern zu verlangen, nicht. Darüber hinaus kann der herangezogene Schuldner - falls es ihm geboten erscheint - nach § 65 Abs. 1 VwGO eine Beiladung der anderen Gesamtschuldner zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 1 BvR 923/95 - NVwZ 1995, 1198 = juris Rn. 4 zu § 134 Abs. 1 Satz 4 BauGB).

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten bisher nicht veröffentlichten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zum Umgang mit Erbengemeinschaften, zur Haftung als Gesamtschuldner und zur Auswahl des In Anspruch genommenen Gesamtschuldners bei Rdnr. 1202;

Unser Service für das in Anspruch genommene Mitglied der Erbengemeinschaft: zum Innenverhältnis der Gesamtschuldner s. ebenfalls bei Rdnr. 1202.


Unsere Tipps für die Praxis:

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