Der wohl verbreitetste Maßstab für die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands ist der kombinierte Vollgeschossmaßstab.
Der wohl verbreitetste Maßstab für die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands ist der kombinierte Vollgeschossmaßstab. Hierbei wird die Grundstücksfläche multipliziert mit einem Faktor, der sich an der maximal zulässigen Anzahl der Vollgeschosse, die auf dem Grundstück errichtet werden, orientiert.
Die Mustersatzung des Bayerischen Gemeindetags wählt folgende Formulierung:
„Ist in einem Abrechnungsgebiet (§ 4) eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig, wird der nach § 3 ermittelte Erschließungsaufwand nach Abzug des Anteils der Gemeinde (§ 5) auf die Grundstücke des Abrechnungsgebietes (§ 4) verteilt, indem die Grundstücksflächen mit einem Nutzungsfaktor vervielfacht werden, der im Einzelnen beträgt:
[…] Als zulässige Zahl der Vollgeschosse gilt die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse.“
Diese Regelung ist nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte zulässig, wirft aber dennoch in der Anwendung regelmäßig Fragen auf, wie sich auch in vorliegendem Fall zeigt:
Der Kläger wurde mit Bescheid vom 15.02.2011 von der Gemeinde zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung H-Allee herangezogen. Der beitragsfähige Aufwand wurde nach dem kombinierten Vollgeschossmaßstab verteilt. Im Klageverfahren trug der Kläger vor, sein Grundstück hätte rechnerisch aufgeteilt werden müssen, da der Bebauungsplan auf dem Grundstück teilweise sieben, aber teilweise auch nur fünf oder gar nur ein Geschoss – also „gestaffelte“ Geschosszahlen –festgesetzt. Die Gemeinde habe jedoch einheitlich die höchstzulässige Geschosszahl – also sieben Vollgeschosse – für die gesamte Grundstücksfläche als maßgeblich angesetzt. Dies sei unzulässig. Sofern die Satzung davon spreche, dass als zulässige Zahl der Geschosse „die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse“ gelte, so beziehe sich dies nur auf Grundstücke, für die einheitlich eine Geschosszahl festgesetzt worden sei.
Nach erfolgloser Klage vor dem Verwaltungsgericht stellt der Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die höchstrichterliche Entscheidung:
Das OVG folgte der Argumentation des Klägers nicht. Die Gemeinde habe zurecht die größte Vollgeschosszahl herangezogen und mit der gesamten Grundstücksfläche multipliziert, auch wenn eben diese Vollgeschosszahl nicht auf dem gesamten Grundstück so realisierbar ist.
„Die Beklagte musste bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes die in unterschiedlichem Maße bebaubaren Teile des klägerischen Grundstücks nicht aufteilen und jeweils getrennt nach der zulässigen Geschosszahl berücksichtigen. Eine solche Pflicht ergibt sich weder aus den satzungsrechtlichen Bestimmungen noch aus den Vorschriften des Baugesetzbuches. Vielmehr durfte die Beklagte die gesamte Grundstücksfläche mit dem Vomhundertsatz vervielfältigen, der nach der Satzung für die höchste auf dem Grundstück zulässige Geschosszahl vorgesehen ist.“
„Die Beklagte hat die Bestimmungen ihrer maßgeblichen Satzung über die Erhebung eines Erschließungsbeitrages (nachfolgend: EBS) […] zutreffend angewendet. Nach § 5 Abs. 1 EBS wird der Erschließungsaufwand auf die erschlossenen Grundstücke nach der Größe ihrer Grundstücksflächen verteilt, wobei die Grundstücksfläche nach der zulässigen Geschosszahl mit einem entsprechenden Vomhundertsatz zu vervielfältigen ist. Dabei gilt gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1.1 EBS als Geschosszahl in diesem Sinne die höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse […]. Der Begriff "höchstzulässig" setzt dabei entgegen der Ansicht des Klägers nicht eine einheitlich für die gesamte überbaubare Grundstücksfläche erlaubte Geschosszahl voraus. Vielmehr nimmt er - auch für den Fall "gestaffelter" Geschosszahlen - auf die höchste Geschosszahl Bezug.“
„Eine solche satzungsrechtliche Verteilungsbestimmung steht mit den gesetzlichen Anforderungen in Einklang. Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen, wobei Abs. 2 als Verteilungsmaßstäbe die Art und das Maß der baulichen Nutzung (Satz 1 Nr. 1), die Grundstücksflächen (Nr. 2) sowie die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage (Nr.3) benennt, die miteinander verbunden werden können. Die Gemeinden regeln durch Satzung (unter anderem) die Verteilung des Aufwandes, § 132 Nr. 2 Alt. 2 BauGB.
§ 131 Abs. 2 BauGB schreibt dabei nicht vor, in welcher Weise eine Gemeinde der unterschiedlichen Ausnutzbarkeit von Grundstücken durch eine stärkere Beitragsbelastung Rechnung zu tragen hat. Den gesetzlichen Anforderungen des § 131 Abs. 2 BauGB ist genüge getan, wenn sich die Verteilungsregelung generell an den Erschließungsvorteilen der betreffenden Grundstücke orientiert, indem sie allgemein daraufhin ausgerichtet ist, Grundstücke mit größeren Erschließungsvorteilen stärker zu belasten als Grundstücke mit weniger großen Erschließungsvorteilen. Daher kommt der Gemeinde ein weites Bewertungsermessen zu, das sie in sachlich vertretbarer Weise am Umfang der Vorteile zu orientieren hat, die einem Grundstück (bzw. dessen Eigentümer) durch die jeweilige Erschließungsanlage vermittelt werden. Art und Maß der baulichen oder gewerblichen Nutzung sind dabei (nur) inhaltliche Anknüpfungspunkte für die Verwirklichung des Vorteilsprinzips, nicht jedoch absoluter Maßstab für eine vorteilsgerechte Verteilung des Erschließungsaufwands. Vielmehr erweist sich ein Abstellen auf die jeweils höchstzulässige Vollgeschosszahl in diesem Zusammenhang als eine sachgerechte, von diesem Ermessen umfasste Bewertung. Mit steigenden Geschosszahlen wachsen typisierend (vgl. etwa § 17 Abs. 1 BauNVO) die Geschossflächenzahlen, die einen Rückschluss auf das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit zulassen, aber selbst mitunter deutlich aufwendiger zu erheben sind. Der jeweils höchstzulässigen Geschosszahl kommt daher ein besonderer Aussagewert für die bauliche Ausnutzbarkeit eines erschlossenen Grundstücks und damit für die diesem Grundstück vermittelten Erschließungsvorteile zu. Die Notwendigkeit einer weitergehenden Differenzierung, etwa im Hinblick auf Teilflächen, ergibt sich dabei weder aus dem Rechtsstaatsprinzip noch aus dem Gebot der Abgabengleichheit.“
Die Daten der vorgestellten höchstrichterlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zum kombinierten Vollgeschossmaßstab in den Rdnr. 905 sowie den Rdnrn. 958.
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