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24.06.2012

Bedeutung der Ortsdurchfahrtsgrenze

Was bedeutet die Festsetzung der Ortsdurchfahrtsgrenze für die Erhebung von Beiträgen?

 

 

 

Sachverhalt:

 

Die Gemeinde (Klägerin) hat Gehweg und Beleuchtung an der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße über die Ortsdurchfahrtsgrenze hinaus gebaut, weil sich der vor dem herangezogenen Grundstück des Beigeladenen gelegene Straßenteil innerhalb geschlossener Ortslage befunden und zur Erschließung der anliegenden Grundstücke gedient hat. Auf Widerspruch des Grundstückseigentümers (Beigeladenen) hat das Landratsamt den Beitragsbescheid der Gemeinde aufgehoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Gemeinde abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag der Gemeinde auf Zulassung der Berufung.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Landratsamts, mit dem der Straßenausbaubeitragsbescheid der Klägerin vom 18.12.2007 aufgehoben worden war, für unbegründet erachtet und abgewiesen. Dabei hat es entscheidungstragend angenommen, dass das herangezogene Grundstück des Beigeladenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (Inkrafttreten der Ausbaubeitragssatzung am 12.9.2003) außerhalb der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße gelegen habe und damit für den abgerechneten Gehweg und die Straßenbeleuchtung nicht beitragspflichtig sei. Bei der Festsetzung der Ortsdurchfahrtsgrenze handele es sich um einen konstitutiven Verwaltungsakt mit Tatbestandswirkung, der mit den Grenzen der geschlossenen Ortslage nicht übereinstimmen müsse. Die Klägerin hält dem entgegen, dass die Festsetzung der Ortsdurchfahrtsgrenze keine negative Tatbestandswirkung entfalte. Das Grundstück des Beigeladenen habe auch schon im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld innerhalb der Ortsdurchfahrt gelegen, weil sich der vor dem Grundstück gelegene Straßenteil innerhalb geschlossener Ortslage befunden habe und zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt gewesen sei.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

Maßgeblich ist die Festsetzung der Ortsdurchfahrt durch die Regierung:

„Die zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (am 12.9.2003) festgesetzte Ortsdurchfahrt der Kreisstraße ... endete (bis zum 1.10.2006) an der Südostgrenze des Grundstücks ... und damit deutlich vor dem weiter südöstlich gelegenen Grundstück des Beigeladenen. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG ist eine Ortsdurchfahrt der Teil einer Kreisstraße, der innerhalb der geschlossenen Ortslage liegt und auch zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt ist oder der mehrfachen Verknüpfung des Ortsstraßennetzes dient. Die Grenzen der Ortsdurchfahrt setzt gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG die Regierung nach Anhörung der Gemeinde und des Trägers der Straßenbaulast fest. Sie kann dabei zugunsten der Gemeinde von den Vorschriften des Art. 4 Abs. 1 BayStrWG unter bestimmten Voraussetzungen abweichen. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, handelt es sich bei der Festsetzung der Grenzen der Ortsdurchfahrt um einen Verwaltungsakt mit konstitutiver Wirkung, was sich daraus ergibt, dass sie nicht mit der Grenze der geschlossenen Ortslage übereinstimmen muss, sondern auch abweichend erfolgen kann (Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegerecht, RdNrn. 28 f. zu Art. 4; vgl. auch BVerwG vom 5.9.1975 Az. IV C 2.73 BRS 37 Nr. 1). Die zum maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2003 festgesetzte Ortsdurchfahrt hat mithin für das vorliegende Verfahren Tatbestandswirkung (vgl. BVerwG vom 12.4.2000 Az. 11 C 11.99 NVwZ-RR 2000, 530). Demgegenüber sind die materiellen Kriterien, auf die die Klägerin abstellt, ohne Belang. Ob sich der Straßenteil der Kreisstraße, an dem das Grundstück des Beigeladenen liegt, schon 2003 tatsächlich innerhalb der geschlossenen Ortslage befand und zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt war, ist beitragsrechtlich ohne Bedeutung.“

 

Die Ortsdurchfahrtsgrenze legt Straßenbaulast der Gemeinde fest:

„Mit den konstitutiv festgesetzten Grenzen der Ortsdurchfahrt korrespondiert die Straßenbaulast der Klägerin. Nach Art. 48 Abs. 1 BayStrWG ist die Klägerin Trägerin der Straßenbaulast für Gehwege an der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße. Soweit an den Staats- oder Kreisstraßen außerhalb der Ortsdurchfahrt unselbstständige Gehwege bestehen, gehören sie zu diesen Straßen und stehen in der Baulast des Freistaates oder des Landkreises (Zeitler, a.a.O RdNr. 6 zu Art. 48). Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Gemäß § 1 der Ausbaubeitragssatzung der Klägerin vom 26. August 2003 (ABS) erhebt die Gemeinde zur Deckung ihres Aufwands für die (u.a.) Herstellung der in § 5 Abs. 1 ABS genannten, in ihrer Baulast stehenden öffentlichen Einrichtungen Beiträge. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2.2 ABS wird der Berechnung des Beitrags der Aufwand der (u.a.) Herstellung für Gehwege zugrunde gelegt, die Bestandteile der Ortsdurchfahrten von Kreisstraßen sind (vgl. auch § 7 Abs. 2 Nrn. 2.2 und 2.7 ABS: Maßnahmen an Ortsdurchfahrten). Damit nicht vereinbar ist es, Straßenausbaubeiträge für einen Gehweg zu verlangen, der sich – wie hier – jenseits der festgesetzten Ortsdurchfahrt bereits an der sog. freien Strecke befindet. Ist eine Gemeinde nämlich nicht Straßenbaulastträgerin, darf sie keine Straßenausbaubeiträge erheben. Gegenstand einer beitragsfähigen Maßnahme im Straßenausbaubeitragsrecht können nur öffentliche Einrichtungen sein, deren Ausbau der Gemeinde als eigene Aufgabe obliegt (BayVGH vom 25.10.2006 - 6 BV 03.2517 BayVBl 2007, 143/144).“

 

Die Straßenbeleuchtung obliegt unabhängig der Straßenbaulast der Gemeinde:

„Die Straßenbeleuchtung obliegt der Gemeinde zwar als selbständige öffentliche Aufgabe unabhängig davon, wer Träger der Straßenbaulast ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, RdNr. 5 zu § 28). Hierzu legt der Zulassungsantrag jedoch nichts dar.“

 

 

Weiterleitende Hinweise:

 

Die Daten der obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zu Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen unter RdNr. 2021

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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