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02.03.2018

Bayern: Fiktion der endgültigen Herstellung: Die 25-Jahr-Frist

Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, kann nach Art. 5a Abs. 7 KAG Bayern kein Beitrag mehr erhoben werden, wenn seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind.

Die Rechtslage: 

Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, kann nach Art. 5a Abs. 7 KAG Bayern kein Beitrag mehr erhoben werden, wenn seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind. Die Vorschrift tritt am 01. April 2021 in Kraft. Anlagen gelten gemäß Art. 5a Abs. 8 KAG Bayern nach Ablauf der Frist als endgültig hergestellt.

  

 

Die Einzelfragen: 

Fristbeginn:

GemäßArt. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG beginnt der Lauf der Frist von 25 Jahren mit dem Beginn der technischen Herstellung der Erschließungsanlage. Die Beitragspflicht darf noch nicht entstanden sein. Der Fristbeginn nicht an den Ablauf des Kalenderjahres geknüpft. 

Für den Fristbeginn nicht maßgeblich sind alle weiteren Maßnahmen, die zur endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage erforderlich sind, also insbesondere die der Herstellung vorangehenden Planungsarbeiten; ebenso alle Maßnahmen des erforderlichen Grunderwerbs, auch wenn die Gemeinde in ihrer Erschließungsbeitragssatzung den Grunderwerb zum Herstellungsmerkmal bestimmt hat.

 

Funktionswandel:

Um eine Erschließungsanlage handelt es sich nicht, solange die Anlage keine Erschließungsfunktion hat.

 

 „Beginn der technischen Herstellung“:

Nicht jede Straßenbaumaßnahme wird als Begin der technischen Herstellung verstanden; maßgeblich ist die „Zielgerichtetheit“.

 

Provisorium:

Maßnahmen, die ein „reines“ Provisorium darstellen, dienen nicht der endgültigen Herstellung, sondern gehen ihr voraus – Beispiel: Staubfreimachungen, die in den 50er und 60er Jahren verbreitet waren. Für Provisorien kommt etwas anderes nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass die Errichtung des Provisorium zur Vorbereitung der endgültigen Herstellung nach den Regeln der Baukunst technisch erforderlich ist (sog. notwendige Zwischenherstellung, s. Matloch/Wiens Rdnr. 193).

 

Baustelleneinrichtung:

Sie geht dem Beginn der Herstellung nur voraus. Damit stellt sie noch nicht den Beginn der Herstellung dar.

 

 

Beitragserhebung nach Fristablauf:

 

Grundsatz:

Nach dem Ablauf der 25-Jahr-Frist kann gemäß Art. 5a Abs. 7 Satz 2 i.V. mit Satz 1 KAG kann für die bis dahin entstandenen Aufwendungen kein Beitrag mehr erhoben werden. Solche Aufwendungen können auch nicht über das Straßenausbaubeitragsrecht abgerechnet werden, weil sie nicht der Erneuerung oder Verbesserung, sondern der erstmaligen Herstellung der Anlage dienten. Erst nach Eintritt der Fiktion durchgeführte Arbeiten können unter das Straßenausbaubeitragsrecht fallen.

 

Beitragserhebung:

Hierunter ist die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Abgabenschuldverhältnis zu verstehen. Dies bedeutet, dass mit dem Beitragserhebungsverbot (zumindest) untersagt wird, Beiträge festzusetzen. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten bestehen unterschiedliche Rechtsmeinungen.

 

„Strenge“ Rechtsmeinung:

Recht weit geht das ThürOVG, nach dessen Rechtsprechung es auch untersagt sein soll, bereits entstandene und/oder durch Beitragsbescheid festgesetzte Beiträge noch einzuziehen oder bereits bestandskräftige Bescheide noch zu vollziehen (ThürVerfGH).

Diese Rechtsauffassung ist höchst umstritten: Denn es geht bei der Fristenregelung im Kern um den Vertrauensschutz des Beitragspflichtigen, der nach vielen Jahren nicht mehr damit rechnen müssen soll, doch noch mit einer Beitragsforderung „überrascht“ zu werden. Hat der Beitragspflichtige aber bereits einen Beitragsbescheid erhalten, so ist kein Platz mehr für ein schutzwürdiges Vertrauen, keinen Beitrag mehr bezahlen zu müssen, zumal die Gemeinde nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheids im Falle von Rechtsmittelverfahren ihren zeitlich Einfluss verlieren kann.

 

„Großzügige“ Meinung:

Darüber hinausgehend wird auch die Meinung vertreten, es genüge zur Fristwahrung, dass die sachliche Beitragspflicht vor dem Ablauf der Frist entstanden ist, es könne dann innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist (Art. 13 Abs. 1 Satz 4 Buchst. B KAG i.V.m. § 129 AO) der Beitrag noch festgesetzt und der Beitragsbescheid noch vollzogen werden. Diese Rechtsmeinung (s. Bayerischer Städtetag, Rundschreiben Nr. 066/2016 v. 08.04.2016) gründet sich insbesondere auf BVerwG, zuletzt v. 05.03.1980 – 4 B 8.80.

 

vermittelnde Rechtmeinung:

Vor Fristablauf erfolgte Festsetzung - mit Bekanntgabe des Bescheids - ist auch nach Fristablauf vollziehbar.

 

Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten.

 

 

Übergangsrecht – Art. 13 Abs. 6 KAG

                                  

Beitragsteilerlass möglich für Anlagen, für die bis zum Stichtag die Beitragspflicht

  • endstanden ist
  • oder noch entsteht

und bei denen der Beginn der technischen Herstellung 25 Jahre zurück liegt.

 

 

 

 

Unsere Hinweise:

Weitere Erläuterungen finden Sie in Ihrem Matloch/Wiens unter Rdnr. 1101a ; zu den übrigen Beitragserhebungsausschlussfristen bei Rdnrn. 1140 ff. Zum Übergangsrecht – Beitragsteilerlass – s. Rdnr. 1730 .

 

Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden die Gemeinden bis zum Stichtag 01.04.2021 kaum in der Lage sein, alle vor mehr als 25 Jahren begonnenen und noch nicht endgültig hergestellten Anlagen rechtzeitig fertig zu stellen. Was ist zu tun? Hinweise hierzu finden Sie in unseren Tipps für die Praxis.

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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