Alle Treffer anzeigen
Dieses Fenster schliessen
17.12.2012

Ausbau einer seit langem bestehenden Straße (historische Straße).

Wann ist eine historische Straße rechtlich erstmalig endgültig hergestellt?

Der Fall:

 

Die Klägerin wendet sich gegen die Bescheide der Beklagten vom 25. August 2006, mit denen sie für die erstmalige endgültige Herstellung der Sch.-straße zwischen R.-straße und P.-allee als Eigentümerin von zwei (Anlieger-) Grundstücken zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von 4.357,92 Euro und 3.864,57 Euro herangezogen wurde. Das Verwaltungsgericht hat die betragsmäßig auf den anteiligen Aufwand für die Fahrbahnbefestigung und Straßenbeleuchtung beschränkte Klage als unbegründet abgewiesen.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

„Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Sch.-straße nach den maßgeblichen rechtlichen Kriterien (...) nicht bereits vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 insgesamt endgültig hergestellt worden war und damit nicht als vorhandene Erschließungsanlage im Sinn von § 242 Abs. 1 BauGB dem Regime des Erschließungsbeitragsrechts ... entzogen ist. Es hat dies damit begründet, dass es an einer ordnungsgemäßen Straßenentwässerung gefehlt habe, wie sie zunächst nach den Vorschriften des Königlichen Bezirksamtes München vom 1. September 1904 zum Vollzuge des § 62 Abs. 3 der Bauordnung vom 17. Februar 1901 (BayBO 1901), später durch § 4 des Münchner Straßenstatuts vom 10. April 1930 in Form von „Kantsteinen mit Rinnen aus zwei Reihen Kleinsteinen, bei weniger als 7 m Straßenbreite Rinnen aus drei Reihen Kleinsteinen (ohne Kantsteine)“ vorgeschrieben gewesen sei. Das ist nicht zu beanstanden.

 

1. Frage der erstmaligen Herstellung ist an ortsrechtlichen Vorschriften zu messen.

Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe bei Auslegung und Anwendung des Münchner Straßenstatuts die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 28.12.1956 – Vf. 102-VII-55 (GVBl 1957, S. 6 ff.) missachtet, geht fehl. Diese Entscheidung betrifft, so weit in diesem Zusammenhang von Interesse, die – dem § 62 Abs. 3 BayBO 1901 entsprechende – Bestimmung des § 81 Abs. 1 der Münchner Bauordnung vom 29.Juli 1895, wonach „die Bewilligung zu Bauführungen in neuen Bauanlagen erst dann erteilt werden (darf), wenn vorher die Herstellung des an die Gemeinde zu überweisenden Straßenkörpers, einschließlich der Pflasterung und Instandsetzung, (…) für den treffenden Teil der Straße von einer Querstraße bis zur nächsten Querstraße und für die Verbindung mit einer bereits bestehenden Straße gesichert oder wenigstens Sicherheit dafür geleistet ist, dass diese Herstellung binnen einer zu bestimmenden Frist erfolge“. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Bestimmung als verfassungsgemäß angesehen und unter anderem ausgeführt, dass sie nach ihrem Sinn und Zweck der Stadt keinesfalls die Befugnis verleihe, beliebige in ihrem Interesse liegende Anforderungen an den Bauwerber zu stellen, sondern dass nur verlangt werden dürfe, was zur Herstellung eines sachgemäßen Anschlusses des zu bebauenden Grundstücks an das Straßennetz notwendig sei (a.a.O. S. 13). Diese Entscheidung verhält sich indes nicht zu der hier maßgeblichen Frage, welche objektiven Kriterien an die endgültige Herstellung einer Straße mit Erschließungsfunktion vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes zu stellen sind. Insbesondere kann ihr entgegen der Sichtweise der Klägerin nicht entnommen werden, dass eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung in der vom Verwaltungsgericht genannten Form aus verfassungsrechtlichen Gründen kein Herstellungsmerkmal sein durfte.

Mit dem Einwand, die Vorschriften des Königlichen Bezirksamtes München vom 1. September 1904 seien 1957 schon längst außer Kraft getreten gewesen, verfehlt der Zulassungsantrag die Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils. Denn das Verwaltungsgericht hat die Anforderungen an eine endgültige Herstellung vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes nur für die Zeit vor der Eingemeindung von Feldmoching (1938) an diesen Vorschriften gemessen, nach diesem Zeitpunkt indes an § 4 des Münchner Straßenstatuts vom 10. April 1930.

 

2. Straßenentwässerung gehört zu Kriterien der erstmaligen Herstellung

Ohne Erfolg bleibt ferner der Einwand, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass nach § 4 Buchst. b des Straßenstatuts der Stadtrat anstelle der vom Verwaltungsgericht verlangten Straßenentwässerung in Form von Rinnen eine andere hätte treten lassen können, wenn er dieselbe als mindestens gleichwertig oder wenigstens als ausreichend erachte. Abgesehen davon, dass mit dem Zulassungsantrag keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen werden, dass der Stadtrat eine solche Entscheidung für die Sch.-straße getroffen haben könnte, wird auch nicht ansatzweise aufgezeigt, dass anstelle der damals grundsätzlich vorgeschriebenen Entwässerungsrinne eine gleichwertige Straßenentwässerung angelegt worden sei. Das Vorbringen erschöpft sich in pauschalen Vermutungen, die weder naheliegend oder gar zwingend sind, noch konkrete Gesichtspunkte erkennen lassen, die weiterer Aufklärung bedürften.

Die vom Verwaltungsgericht aus der Würdigung des Sachverhalts, insbesondere dem (umfangreichen) Aktenmaterial gewonnene Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die Sch.-straße vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes nicht über eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung verfügt habe, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin eine eigene Sachverhaltswertung entgegen hält und dem Verwaltungsgericht vorwirft, dass dieses nicht ausreichend ermittelt habe und nur an seiner im Eilverfahren gewonnenen Einschätzung habe festhalten wollen. Das gilt umso mehr, als die Klägerin, auch insoweit gestützt auf die nicht einschlägige Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 28. Dezember 1956, einen anderen, unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde legt. Der (unstreitige) Umstand, dass im Jahr 1963 eine Straßenentwässerungseinrichtung errichtet worden ist, stellt jedenfalls ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass die Straße zuvor nicht über eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung verfügt hat. Da für die gegenteilige Annahme keine greifbaren Anhaltspunkte ersichtlich sind, ist die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Den von der Klägerin entgegen gehaltenen Erfahrungssatz, wonach eine Fahrbahn nicht ohne Entwässerung gebaut werde, gibt es jedenfalls für den fraglichen Zeitraum vor 1961 nicht. Damit ist auch nicht von einer Unaufklärbarkeit auszugehen, die zu einer Entscheidung nach den Regeln der materiellen Beweislast führen würde.

 

3. Unerheblich ist Fertigstellung einzelner Teileinrichtungen vor Inkrafttreten des BBauG

Dass vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes einzelne Teileinrichtungen der Straße, wie insbesondere die Fahrbahn, möglicherweise bereits fertig gestellt waren, hat das Verwaltungsgericht zu Recht als unerheblich angesehen; denn das vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes geltende bayerische Landesrecht sah eine Beitragsabrechnung zumal im Wege der Kostenspaltung nicht vor (vgl. ...).

 

4. Nach Inkrafttreten des BBauG erstmalige Herstellung an satzungsmäßigen Herstellungmerkmalen zu messen

Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, die Sch.-straße sei auch unter Geltung des Bundesbaugesetzes und des Baugesetzbuches bis zum Abschluss der nunmehr abgerechneten Maßnahmen (am 9.7.2002) nicht endgültig hergestellt gewesen, wird vom Zulassungsantrag ebenfalls nicht in Frage gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat seine Annahme damit begründet, dass die satzungsmäßigen Herstellungsmerkmale (§ 12 der maßgeblichen Erschließungsbeitragssatzung vom 1. April 1971) in mehrfacher Weise nicht erfüllt gewesen seien, weil es an einer ordnungsgemäßen Beleuchtung, ferner am vollständigen Grunderwerb und schließlich an der Herstellung der Gehwege gefehlt habe. Der Zulassungsantrag greift schon deshalb zu kurz, weil er lediglich die Frage der Beleuchtung und des Grunderwerbs thematisiert, aber das – für sich allein tragende – Fehlen der Gehwege nicht in Frage stellt; im Gegenteil wird ausdrücklich hervorgehoben, die Klägerin habe schon immer gesagt, „dass nur noch die Randsteinsetzung und der Gehweg gefehlt“ hätten (S. 14 der Zulassungsbegründung). Das wird bestätigt durch den Schriftwechsel zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und der Beklagten aus dem Jahr 1966 aus Anlass der Teilbeitragserhebung für die Straßenentwässerung, den der Senat bereits im Eilverfahren (...) hervorgehoben hat: Auf Hinweis, dass die Entwässerung noch nicht ordentlich funktioniere und der Bürgersteig nur an wenigen Stellen begehbar sei, hat die Beklagte geantwortet, dass es sich bei der Teerung lediglich um eine vorbereitende, dem endgültigen Ausbau vorausgehende Maßnahme gehandelt habe und eine übernahmefähige Herstellung, die auch die Ausführung der Gehbahnen einschließe, in Anbetracht der angespannten Haushaltslage vorerst nicht erfolgen könne.

Dass die Beklagte unter Geltung des Bundesbaugesetzes/Baugesetzbuchs zunächst 1963 nur die Teileinrichtung Straßenentwässerung hergestellt und im Wege der Kostenspaltung abgerechnet hat, mit der Beitragsabrechnung im Übrigen aber bis zur endgültigen Herstellung der Straße insgesamt im Jahr 2002 abgewartet hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.) Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Erschließungsbeitragsforderungen der Beklagten nicht durch Zahlung von Sicherungskosten nach § 62 BayBO 1901 ganz oder teilweise erloschen sind.

Die Zahlung einer solchen Sicherheitsleistung durch Rechtsvorgänger der Klägerin ist nach den Unterlagen der Beklagten nicht erfolgt. Soweit die Klägerin geltend macht, wegen der Rückgabe der Sicherungshypothek sei eine (Ausgleichs-)Zahlung zu unterstellen, kann dem aus den bereits im Eilverfahren genannten Gründen (...) nicht gefolgt werden. Einen Nachweis über tatsächlich gezahlte Sicherungskosten hat die Klägerin nicht vorgelegt. Entgegen ihrer Auffassung muss nach allgemeinen Beweisregeln derjenige, der eine Zahlung behauptet, diese auch beweisen.

 

Weiterleitende Hinweise:

Die Daten der obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zur erstmaligen Herstellung unter RdNrn 5, 181 f., 2000 - 2011.

 


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

Das Passwort erhalten Sie mit der aktuellen Ergänzungslieferung. Sie finden es auf der Rückseite des Vorworts. Wenn sie Cookies auf Ihrem PC aktivieren, genügt die einmalige Eingabe des Passwortes.


Sie sind nicht Bezieher des Matloch/Wiens und möchten die Tipps für die Praxis lesen? Dann klicken Sie bitte auf Service


Bitte Ihr Passwort eingeben: