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13.04.2016

Aufrechterhaltung eines Straßenausbaubeitragsbescheids als Erschließungsbeitragsbescheid ?

Es war daher zu prüfen, ob der Straßenausbaubescheid als Erschließungsbeitragsbescheid aufrechterhalten bleiben kann.

Der Fall

Der Kläger wurde von dem beklagten Markt mit zwei Bescheiden als Eigentümer des Anliegergrundstücks FlNr. 45 zu Beiträgen für Bau­maßnahmen an der F.-B.-Straße herangezogen: Zum einen nach Art. 5 Abs. 1 KAG i.V. mit der Ausbaubeitragssatzung zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von 2.993‚60 Euro für die Verbesserung und Erneuerung des – etwa 30 m langen – west­lichen Teils (von der B.-straße bis zur Nordostgrenze von FlNr. 47), den der Beklagte als vorhandene Erschließungsanlage i.S. von § 242 Abs. 1 BauGB ansieht; zum anderen auf der Grundlage von Art. 5a Abs. 1 KAG i.V. mit §§ 127 ff. BauGB zu einem Erschlie­ßungsbeitrag in Höhe von 10.370‚78 Euro für die erstmalige Herstellung des – ca. 100 m langen – östlichen Teils (bis zur J.-C.-Straße). Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger gegen beide Bescheide Klage erhoben. Der Erschließungsbeitragsbescheid ist bestandskräftig geworden‚ weil er seine Klage insoweit in der mündlichen Verhand­lung vor dem Verwaltungsgericht zurückgenommen hat. Der Ausbaubeitragsbescheid ist mit dem angegriffenen Urteil hingegen aufgehoben worden. Das Verwal­tungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der west­liche Teil der F.-B.-Straße stelle entgegen der Auffassung des Be­klagten keine bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 bereits vorhandene Erschließungsanlage dar. Er bilde vielmehr zusammen mit dem östlichen Teil eine einheitlich nach dem Erschließungsbeitragsrecht zu beurteilende Anlage. Da der Beklagte diese Straße rechtsfehlerhaft mit zwei Bescheiden als zwei Anlagen auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage abge­rechnet habe, scheide die Aufrechterhaltung des noch strittigen Bescheids auf der Grundlage des Erschließungsbeitragsrechts aus.

   

Die obergerichtliche Entscheidung

Eine vorhandene Erschließungsanlage i.S. von § 242 Abs. 1 BauGB liegt nur vor, wenn der Straße Erschließungsfunktion zukommt:

„Eine vorhandene (historische) Straße, die gemäß § 242 Abs. 1 BauGB dem Anwen­dungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts (Art. 5a Abs. 1 i.V. mit §§ 127 ff. BauGB) entzogen ist und dem Straßenausbaubeitragsrecht … unterfällt, liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn sie zu irgend­einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck endgültig hergestellt war ...). Aus­gehend von diesem Maßstab ist das Verwal­tungs­gericht mit überzeugender Begrün­dung aufgrund der bei den Akten befindlichen Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass die heutige F.-B.-Straße um 1900 als – im westlichen Teil schma­ler – Kiesweg angelegt worden sei und damals auf ihrer gesamten Länge keine Erschließungsfunktion besessen habe. Im fraglichen Bereich hätten sich damals lediglich ein land­wirtschaftliches Anwesen auf dem Grundstück des Klägers und auf der gegenüber­liegenden Seite des Kieswegs ein als gemeindliches Armenhaus dienendes Gebäude befunden, die aber beide durch die jetzige B.-straße erschlossen gewesen wären. Der Kies­weg habe damals als landwirtschaftlicher Weg gedient, der lediglich zwischen diesen beiden Anwesen hindurch in den Außen­bereich geführt habe. Als später (1955 und 1982) weitere Gebäude hinzugekommen seien, habe der Kiesweg nicht mehr den dann geltenden Ausbauanforderungen genügt.

Dass der landwirtschaftlich genutzte – von der B.-straße aus gesehen hintere – Teil des klägeri­schen Anwesens einschließlich einer Güllegrube bereits damals auch von dem Kies­weg aus genutzt worden sein mag, begründet noch nicht dessen Erschließungsfunktion. Denn beachtlich sind in diesem Zusam­menhang nicht sämtliche bauliche Anlagen, sondern grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (…). Der vom Verwaltungsgericht herangezogene Lageplan zu den Verhältnissen um 1911 drängt vielmehr die Annahme auf, dass der Kiesweg aufgrund seiner Lage und geringen Breite auch an der Abzweigung von der B.-straße den beiden dort vorhandenen (Wohn)Gebäuden gerade nicht die erforderliche wegemäßige Erschlie­ßung vermittelt hat. Denn diese Gebäude waren ersichtlich zur B.-straße hin orientiert, die im Gegensatz zu dem schmalen in den Außenbereich führenden Kies­weg damals Straßencharakter hatte und im frag­lichen Bereich platzartig aufgeweitet war. Im Übrigen erhält eine Straße in einem – wie hier – unbeplanten Gebiet die Funktion einer Erschließungsanlage nicht schon dadurch, dass vereinzelt Grund­stücke an ihr bebaut sind (…).“

Aufrechterhaltung des  fehlerhaft auf das Straßenausbaubeitragsrecht gestützten Bescheids auf der Grundlage des Erschließungsbeitragsrechts:

„Allerdings muss ein Heranziehungsbescheid‚ der zu Unrecht auf das Straßenaus­baubeitrags­recht gestützt ist‚ gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO daraufhin überprüft wer­den‚ ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit Blick auf das Er­schlie­ßungs­beitragsrecht – wenn sonst keine Rechtsfehler vorliegen – gegebenen­falls im Wege schlichter Rechtsanwendung aufrechterhalten werden kann. Das Erschlie­ßungsbeitragsrecht ordnet – je­denfalls im Verhältnis zum Stra­ßenausbau­beitrags­recht – die Bezeichnung der Rechtsgrundlagen und damit der Beitragsart den Gründen und nicht dem Spruch des Heranziehungsbescheides zu (…). Wenn ein Heranziehungsbescheid fälsch­licherweise auf das Straßenausbaubeitragsrecht ge­stützt wird‚ aber durch die Vor­schriften des Erschließungsbeitragsrechts gerechtfer­tigt wird‚ so ist demnach die mit ihm getroffene Regelung‚ also die Festsetzung des geschul­deten Betrags und des Leistungsgebots nach ständiger Rechtsprechung materiell rechtmäßig (…). Diese Grundsätze dürften ent­gegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch dann Anwendung finden, wenn eine Gemeinde rechtsirrig annimmt, eine insgesamt nach Erschließungsbeitragsrecht zu beurteilende Straße zerfalle aus Rechtsgründen in zwei Anlagen, und deshalb zwei Heranziehungsbescheide erlässt, von denen einer zu Unrecht auf das Straßen­ausbaubeitragsrecht gestützt ist. Auch insoweit dürfte es, wie der Beklagte mit guten Gründen meint, ohne dass der Wesensgehalt dieses Bescheids berührt wäre, allein darauf ankommen, in welcher Höhe die (Gesamt-)Beitragsforderung materiell gerechtfertigt ist und den zu Unrecht auf das Straßenausbaubeitragsrecht gestützten Bescheid inhaltlich trägt. Diese Frage stellt sich indes nicht entscheidungserheblich.

Es ist nämlich weder mit dem Zulassungsantrag dargetan noch drängt es sich auf, dass der Beklagte vom Kläger über den bereits mit bestandskräftigem Bescheid festgesetzten Erschließungsbeitrag von 10.370‚78 Euro hinaus überhaupt einen weiteren Beitrag für die Herstellung der (gesamten) F.-B.-Straße in der noch stritti­gen Höhe von 2.993‚60 Euro beanspruchen kann. Zwar wäre bei einer Gesamtabrechnung nach Erschließungsbeitragsrecht der umlagefähige Aufwand wegen des gerin­geren gemeindlichen Eigenanteils höher als bei der bisherigen Abrechnung. Daraus folgt aber keineswegs zwangsläufig, dass der auf das klägeri­sche Grundstück ent­fallende Erschließungsbeitrag über dem unstreitigen Betrag von 10.370‚78 Euro liegt. Denn bei einer Verteilung des (höheren) Aufwands nach den Regeln des Erschließungsbeitragsrechts wären zum einen zwei weitere Anlieger­grundstücke zu berück­sichtigen, die bislang (anders als das klägerische Grundstück) allein für den nach Straßenausbaubeitragsrecht behandelten Straßenteil veran­schlagt, nicht aber an den Kosten für den östlichen Teil beteiligt worden sind (FlNrn. 46 und 47). Zum anderen entfiele für das klägerische Grund­stück eine besondere Belastung aus der bisherigen getrennten Abrechnung nach zwei Anlagen. Da dieses Grundstück (als einziges) an beide Straßenteile angrenzt, wurde es vom Beklagten sowohl für den westlichen als auch für den östlichen Teil jeweils mit seiner gesamten Grundfläche und damit – abgesehen von der Gewährung einer Eckgrund­stücksvergünstigung – doppelt berücksichtigt. Wird hingegen die Straße einheitlich nach Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet, so darf das klägerische Grundstück, wie alle anderen Grundstücke auch, nur einmal herangezogen werden, was seine Beitragsbelastung im Vergleich zu der mit den Beitragsbescheiden vom 9. September 2010 festgesetzten Gesamtsumme erheblich mindert.

In einer solchen Fallgestaltung hätte der Beklagte als Rechtsmittelführer mit Blick auf das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO anhand einer konkreten Ver­gleichsberechnung substantiiert vortragen müssen, dass er über den bestandskräftig festgesetzten Betrag von 10.370‚78 € hinaus noch einen weiteren Beitrag beanspru­chen kann. Dazu verhält sich der Zulassungsantrag jedoch nicht. Damit sind keine beachtlichen Zweifel dargetan, dass das angegriffene Urteil im Ergebnis unrichtig sein könnte.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zur erstmaligen Herstellung unter RdNrn. 180 bis 186 und 2000 


Unsere Tipps für die Praxis:

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