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21.03.2011

Abwicklung eines nichtigen Ablösungsvertrags

Verstößt ein Ablösungsvertrag gegen die geltenden Ablösungsbestimmungen, ist er nichtig und muss rückabgewickelt werden. Verjährung?

 

Der Grundsatz:

 

Anstelle einer späteren Erhebung des Erschließungsbeitrags kann gemäß § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht eine Ablösung des Beitrags vereinbart werden. Ein solcher Ablösungsvertrag setzt voraus, dass die Gemeinde Ablösungsbestimmungen besitzt. In der gemeindlichen Praxis ist hierzu eine Regelung in der Erschließungsbeitragssatzung üblich, wonach sich der Ablösungsbetrag nach der Höhe des voraussichtlichen Erschließungsbeitrags errechnet. Zur Bestimmung dieses Betrages ist der mutmaßliche beitragsfähige Erschließungsaufwand zu ermitteln und nach der Verteilungsregelung der Erschließungsbeitragssatzung auf die erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Entspricht der vereinbarte Ablösungsbetrag diesen Ablösungsbestimmungen nicht, so ist er nichtig.

 

Der Fall:

 

Eine Gemeinde hatte den Ablösungsbetrag unter Verstoß gegen ihre Ablösungsbestimmungen ermittelt. Wäre der Ablösungsbetrag gesetzmäßig errechnet worden, dann hätte sich ein um etwa € 30.000,- niedrigerer Betrag ergeben, nämlich nur etwa € 50.000,- . Die Klägerin verlangte von der Gemeinde die Rückerstattung des gesamten Betrages in Höhe von rund € 80.000,- . Das Verwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben: Es hat die beklagte Gemeinde verurteilt, an die Klägerin rund € 30.000,- nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen, die Klage im Übrigen aber abgewiesen. Die Ablösungsvereinbarung zwischen der Beklagten und Herrn Z., dessen Schuld die Klägerin übernommen habe, sei wegen gesetzeswidriger Berechnung des von der Klägerin übernommenen Ablösungsbetrags nichtig. Der ursprünglich bestehende Rückerstattungsanspruch sei jedoch gemäß § 228 AO wegen Verjährung erloschen. Es bestehe aber ein nicht verjährter Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss. Dieser Anspruch sei darauf gerichtet, die Klägerin so zu stellen, wie sie ohne die Pflichtverletzung der Beklagten stünde. Dann wäre der Ablösungsbetrag gesetzmäßig errechnet worden, Der Schaden bestehe in der Differenz (rund € 30.000,-).

In der Berufungsinstanz stützte die Klägerin ihr in vollem Umfang weiter verfolgtes Zahlungsbegehren auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, auf einen Anspruch auf Verschulden bei Vertragsschluss, auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen Änderung des dem Ablösungsvertrag zugrunde liegenden Bebauungsplans sowie auf Amtshaftung. Es möge sein, dass kein Schaden im Sinne einer Amtspflichtverletzung entstehe, wenn der Geschädigte seinen Schaden im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ausgleichen könne. Dies sei aber dann nicht der Fall, wenn das Gericht – wie hier – von einer Verjährung der öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche ausgehe. In diesem Fall erhalte der Geschädigte keinen anderweitigen Ersatz für seinen Schaden und müsse daher auf den Amtshaftungsanspruch zurückgreifen. Die Gemeinde wandte sich gegen die Forderung und trug vor, das Verwaltungsgericht habe zu Recht eine Verjährung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs angenommen. Entgegen seiner Ansicht bestehe aber auch kein Zahlungsanspruch der Klägerin nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss. Die Beklagte habe die Ermittlung der Ablösungsbeträge mit entsprechend aufwendiger Mühewaltung durchgeführt. Im Übrigen wären aber auch eventuelle Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss verjährt; denn § 228 AO erfasse die öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche unabhängig davon, auf welchem Rechtsgrund sie beruhten. Ein Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung scheide in jedem Fall aus. Wenn überhaupt ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch bestanden hätte, so sei dieser jedenfalls verjährt.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

Die Klage wurde in der Berufungsinstanz in vollem Umfang abgewiesen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Ablösungsbetrags weder ganz noch teilweise zu. Zwar habe ursprünglich ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch bestanden, dieser sei aber wegen Verjährung erloschen. Sonstige gesetzliche oder vertragliche Schadensersatzansprüche seien ebenfalls verjährt. Die Klägerin könne ihr Zahlungsbegehren auch nicht auf einen Anspruch aus § 839 BGB, Art. 34 GG wegen Amtspflichtverletzung stützen:

 

Ein Verstoß gegen die Ablösungsbestimmungen führt zur Nichtigkeit der Ablösungsvereinbarung. Hieraus folgt ein Rückabwicklungsanspruch.

„Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom ... festgestellt, dass die Beklagte die ... Ablösungsbeträge unter Verstoß gegen ihre Ablösungsbestimmungen ... ermittelt hat. Daran wird festgehalten. Demnach war auch die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Ablösungsvereinbarung zwischen Herrn Z. und der Beklagten vom ... wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot von Anfang an nichtig. Die Klägerin hat mithin (an Stelle von Herrn Z.) den Ablösungsbetrag ... ohne Rechtsgrund gezahlt. Mit der rechtsgrundlosen Zahlung ist ein Anspruch nach Art. 10 Nr. 2, Art.13 Abs. 1 Nr. 2 b) KAG i.V.m. § 37 Abs. 2 AO auf Erstattung des gezahlten Betrags entstanden.

Der Erstattungsanspruch ist vor seiner gerichtlichen Geltendmachung durch Verjährung erloschen. Wie im Urteil vom ... ausgeführt, finden für die Verjährung von Erstattungsansprüchen aufgrund beitragsrechtlicher Ablösungsvereinbarungen die Vorschriften der Abgabenordnung Anwendung. Der Einwand der Klägerin, die Verjährungsfrist des § 228 AO sei nur für den Fall gerechtfertigt, dass eine Leistung durch Bescheid gegenüber dem Bürger geltend gemacht werde, kann nicht überzeugen. Selbst die Klägerin meint, dass die Vorschriften der §§ 228 bis 232 AO ihrem Wortlaut nach Anwendung finden. Das lediglich deshalb anders sehen zu wollen, weil die kurze Verjährungsfrist in dem Falle, dass der Bürger eine Geldleistung „vom Staat“ begehrt, angeblich zu unbilligen Ergebnissen führen würde, ist durch nichts gerechtfertigt.

Die Verjährungsfrist beträgt danach gemäß Art. 10, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG i.V.m. § 228 AO fünf Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO), .... Mit Ablauf des Jahres 2001 war damit der Erstattungsanspruch wegen der rechtsgrundlosen Zahlung auf die nichtige Ablösungsvereinbarung vom ... verjährt. Gründe für eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung dieses Anspruchs (§ 230, § 231 AO) liegen nicht vor. Damit ist der Anspruch nach § 232 AO durch Verjährung erloschen.“

 

Im Falle der Abwicklung eines fehlgeschlagenen Vertragsverhältnisses kommt es für Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss zu einem „Gleichlauf“ der Verjährungsbestimmungen.

Denn im Falle konkurrierender Schadensersatzansprüche sind die Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung für die Abwicklung des fehlgeschlagenen Vertragsverhältnisses vorrangig anzuwenden. Dies führt im vorliegenden Fall zum Eintritt der Verjährung:

„Sonstige gesetzliche oder vertragliche Schadensersatzansprüche, insbesondere der vom Verwaltungsgericht angenommene Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss, können von der Klägerin nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, soweit sie mit dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch deckungsgleich sind, also –wie hier– auf Rückerstattung der auf die nichtige Ablösungsvereinbarung geleisteten Zahlung der Klägerin gerichtet sind.

Selbst wenn man konkurrierende verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche und hier insbesondere einen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss (vgl. nunmehr § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB) neben dem verschuldensunabhängigen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch annehmen wollte, wären diese ebenfalls durch Verjährung erloschen. Denn auch insoweit greift der Anwendungsvorrang der Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung für die Abwicklung des fehlgeschlagenen Vertragsverhältnisses. Dazu hat der Senat im Urteil vom ... hervorgehoben, dass der Landesgesetzgeber mit der relativ kurzen und strikten Verjährung nach der Abgabenordnung Rechtssicherheit für die Gemeinden als Haushaltssatzungsgeber schaffen wollte; zur Sicherstellung der Haushaltsplanung sowohl auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite sollten mit einer kurzen Verjährung klare Verhältnisse geschaffen werden. Unwägbarkeiten aus eventuell erst später erhobenen, auf Schadensersatznormen gestützten Ansprüchen, die unter Umständen diese geregelte Haushaltsplanung und -führung in Frage stellen könnten, sollten ausgeschlossen sein, soweit Steuer- bzw. Abgabenschuldverhältnisse und daraus abgeleitete vertragliche Verhältnisse (also auch Ablösungsvereinbarungen) betroffen sind. Das Interesse an einer geregelten Haushaltsführung ist insoweit gemeinwohlverträglich hoch eingestuft worden. Da demnach eine spezielle Regelung für Abgabeschuldverhältnisse besteht (Art. 1 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz BayVwVfG), kann auch nicht hinsichtlich der Verjährung sonstiger vertraglicher Schadensersatzansprüche über Art. 62 Satz 2 BayVwVfG auf die Verjährungsregelung des Bürgerlichen Gesetzbuches zurückgegriffen werden; insbesondere die vom Verwaltungsgericht angenommene 30-jährige Verjährung von Ansprüchen aus Verschulden bei Vertragsschluss findet damit keine Anwendung. Der Senat hält an dieser Auffassung fest, zumal auch in vergleichbaren Fallgestaltungen ein „Gleichlauf“ der Verjährungsbestimmungen angenommen wird, wenn Schadensersatzansprüche aufgrund ein und desselben schädigenden Ereignisses an die Stelle von Erfüllungsansprüchen treten (vgl. BVerwG vom 29.8.1996 BVerwGE 102, 33; vom 21.9.2000 BayVBl 2001, 216). Die Klägerin hat dem mit ihrem pauschalen Vorbringen, Kommunen könnten mit Blick auf die kurze Verjährungsfrist schuldhaft und sogar arglistig in Ablösungsvereinbarungen Erschließungskosten frei erfinden, ohne bei Scheitern der Vereinbarungen zur Rechenschaft gezogen werden zu können, nichts Stichhaltiges entgegengesetzt.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf den von ihr geltend gemachten Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen Änderung des der Ablösungsvereinbarung zugrundeliegenden Bebauungsplans stützen. Da die Ablösungsvereinbarung vom ..., wie oben ausgeführt, nichtig und damit von Anfang an unwirksam war, können aus ihr keine Rechtsfolgen hergeleitet werden, und zwar auch nicht solche, die sich aus der Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ergeben (BVerwG vom 21.1.2010 DVBl. 2010, 575).“

 

Die Verletzung vertraglicher Pflichten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen durch Behörden stellt nicht per se eine Amtspflichtverletzung dar.

„Die Klägerin kann ihr Zahlungsbegehren auch nicht auf einen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB, Art. 34 GG stützen. In ihrer Klageschrift ... (Anmerkung: ursprünglich an das Landgericht, das den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwies) hat die Klägerin zur Begründung ihres Zahlungsverlangens geltend gemacht, den Bediensteten der Beklagten sei eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen, weil sie den Ablösungsbetrag gesetzwidrig zu hoch berechnet und dabei die erforderlichen Sorgfaltspflichten offensichtlich und somit grob fahrlässig außer Acht gelassen hätten.

Es bestehen bereits Zweifel, ob der bindende Verweisungsbeschluss des Landgerichts ... eine Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichtshofs über den behaupteten Amtshaftungsanspruch entgegen Art. 34 Satz 3 GG überhaupt begründen könnte ... Diese Frage kann letztlich offen bleiben ... Der Klägerin steht der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Die von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzungen stehen im Zusammenhang mit der Anbahnung bzw. Abwicklung eines öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses, nämlich der fraglichen Ablösungsvereinbarung. Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen wegen Nicht- oder Schlechterfüllung stehen aber der Annahme einer durch eine Amtspflichtverletzung verursachten Vermögensschädigung entgegen (BGH vom 10. Februar 1983 NJW 1983, 2311; bestätigt nach Änderung des § 17 Abs. 2 GVG durch Urteil vom 12.11.1992 NJW 1993, 1526). Andernfalls würden die besonderen Regeln, die sich für die gegenseitigen Leistungen aus öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen ergeben, und die gerichtlichen Zuständigkeiten umgangen werden. Die Verletzung vertraglicher Pflichten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen durch Behörden stellt daher nicht per se eine Amtspflichtverletzung dar.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin zitierten Entscheidungen zur Amtspflichtverletzung im Rahmen der Geltendmachung von Erschließungskosten (insbes. OLG Frankfurt vom 10. August 2000 NVwZ-RR 2001, 150). Diese Entscheidungen betreffen andere Fallgestaltungen, nämlich Verwaltungshandlungen der Behörden durch Verwaltungsakte, und sind mit der vorliegenden nicht vergleichbar. ...“

 

Unsere Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zu den gesetzlichen Voraussetzungen des Ablösungsvertrags bei Rdnrn. 1520 ff., zur Rückabwicklung nichtiger Ablösungsverträge und zu Erstattungsansprüchen, Verzinsung und Verjährung bei Rdnr. 1542 .


Unsere Tipps für die Praxis:

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