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15.09.2014

Abschnittsbildung an der Grenze eines nichtigen Bebauungsplangebiets

Ein von der Gemeinde zum Erschließungsbeitrag  herangezogener Grundstückseigentümer hielt den Bebauungsplan für unwirksam; die Abschnittsbildung sei deshalb fehlerhaft mit der Folge, dass insoweit keine Erschließungsbeiträge erhoben werden dürften. 

Der Grundsatz:

Nach § 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann der beitragsfähige Erschließungsaufwand für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Abschnitte einer Erschließungsanlage können nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z.B. Grenzen von Bebauungsplangebieten) gebildet werden (§ 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB).

                    

Der Fall:

Den Entscheidungsgründen der obergerichtlichen Entscheidung lag ein Abschnitt zugrunde, der bis zum Ende der Geltungsbereichsgrenze des Bebauungsplans gebildet worden war. Ein von der Gemeinde zum Erschließungsbeitrag  herangezogener Grundstückseigentümer hielt den Bebauungsplan für unwirksam; die Abschnittsbildung sei deshalb fehlerhaft mit der Folge, dass insoweit keine Erschließungsbeiträge erhoben werden dürften.

Das erstinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht folgte dieser Rechtsauffassung nicht: Die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag beruhe auf einer wirksamen Abschnittsbildung.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Ob der Bebauungsplan inhaltlich an Rechtsmängeln leidet, ist für die Wirksamkeit der Abschnittsbildung unerheblich. Es genügt, dass der Bebauungsplan ordnungsgemäß bekannt gemacht und nicht förmlich aufgehoben worden ist:

„Nach § 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann der beitragsfähige Erschließungsaufwand für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Abschnitte einer Erschließungsanlage können nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z.B. Grenzen von Bebauungsplangebieten) gebildet werden (§ 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB). In Übereinstimmung mit dieser Vorschrift hat der Gemeinderat der Beklagten … für die erschließungsbeitragsrechtliche Abrechnung der …-straße eine Abschnittsbildung entsprechend dem Geltungsbereich des Bebauungsplans beschlossen, beginnend an der Einmündung zur …-straße bis zum Ende der Geltungsbereichsgrenze des Bebauungsplans … Es genügt, dass der Bebauungsplan ordnungsgemäß bekannt gemacht und nicht förmlich aufgehoben worden ist; ob er inhaltlich an Rechtsmängeln leidet, ist für die Wirksamkeit der Abschnittsbildung unerheblich.“

 

Der Bebauungsplan erzeugt den Schein der Rechtssicherheit, solange er nicht in dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren oder in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO beseitigt ist.

„Dahinstehen kann, ob der Bebauungsplan gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1986 aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, ob er zumindest hinsichtlich der Festsetzung der Erschließungsanlagen aufrechterhalten werden könnte oder ob er insgesamt wegen eines Abwägungsmangels unwirksam ist. Denn eine Abschnittsbildung nach der Grenze eines Bebauungsplangebietes ist auch dann wirksam, wenn sich der Bebauungsplan im Rahmen einer gerichtlichen Inzidentkontrolle als insgesamt unwirksam herausstellen sollte.

Ein Bebauungsplan wird als Satzung beschlossen und bekannt gemacht (§ 10, § 12 BauGB 1986). Eine Norm kann nur dadurch „beseitigt“ werden, dass sie entweder in dem für die Normsetzung geltenden Verfahren aufgehoben oder in einem gerichtlichen Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO für nichtig erklärt wird. Nur in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO ist Streitgegenstand die Gültigkeit des Bebauungsplans selbst. Eine dem Antrag stattgebende Entscheidung des Normenkontrollgerichts stellt mit allgemein verbindlicher Wirkung die Ungültigkeit des Bebauungsplans fest (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO); daran ist jedes Gericht in einem nachfolgenden Verfahren gebunden. Im Fall einer Anfechtungsklage – wie sie hier der Kläger gegen die Erschließungsbeitragsbescheide führt – ist die Frage der Gültigkeit des Bebauungsplans nicht Streitgegenstand, sondern als eine nur inzident zu prüfende Frage bloßes Element der Begründung der gerichtlichen Entscheidung. In diesem Fall wird weder über die Ungültigkeit oder Gültigkeit des Bebauungsplans allgemeinverbindlich entschieden noch nimmt die Verneinung oder Bejahung der Gültigkeit des Bebauungsplans an der Rechtskraft teil (BVerwG, Beschl. v. 29.1.1992 – 4 NB 22.90 – juris Rn. 9).

Dem kann nicht entgegengehalten werden, ein nichtiger Bebauungsplan sei rechtlich nicht existent: Etwas anderes gilt auch nicht für den Fall, dass der Bebauungsplan an einem zur Ungültigkeit führenden Fehler leidet. Das gebietet die Rechtssicherheit; denn mit dem Erlass und der Verkündung eines Bebauungsplans tut der Satzungsgeber der Öffentlichkeit kund, dass die von ihm beschlossene Satzung Geltung beansprucht. Leidet die Satzung an einem Fehler, so ist dies im Allgemeinen nicht für jedermann erkennbar, an den sich die Satzung richtet. Der durch Normgebung gesetzte Rechtsschein ist deshalb durch einen Gegenakt der Normsetzung, d.h. beim fehlerhaften Bebauungsplan durch dessen förmliche Aufhebung zu beseitigen, wenn der Fehler nicht geheilt oder heilbar ist. Dem somit gebotenen förmlichen Aufhebungsverfahren für die „Beseitigung“ eines von der Gemeinde als ungültig erkannten Bebauungsplans kann auch nicht entgegengehalten werden, ein nichtiger Bebauungsplan sei rechtlich nicht existent und könne folglich nicht als Rechtssatz aufgehoben werden. Diese Ansicht verkennt, dass die Nichtigkeit eines Bebauungsplans im Allgemeinen nicht offenkundig ist und dass der Plan, solange er nicht in dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren oder in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO beseitigt ist, den Schein der Rechtsgeltung erzeugt (BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 – 4 C 22.83 – juris Rn. 11, 12).“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. Dort finden Sie bei Rdnrn. 710 bis 740 die einschlägige Rechtsprechung zur Abschnittsbildung mit umfangreichen Erläuterungen.


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