Der Grundsatz:
Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen richtet sich nach § 125 BauGB. Gemäß dessen Abs. 1 setzt die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 einen Bebauungsplan voraus. Die Rechtmäßigkeit der Herstellung wird aber durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt (§ 125 Abs. 3 BauGB), wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und
entweder
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben (Planunterschreitung)
oder
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen (Planüberschreitung oder Planwiderspruch).
Der Fall (im Auszug):
Eine Gemeinde stellte ihre Erschließungsanlage planabweichend her, und zwar sowohl in Form einer Planunterschreitung von stellenweise 18 Zentimetern und einer Planüberschreitung von streckenweise bis zu 50 Zentimetern. Bei dem planabweichenden Ausbau sind Mehrkosten in Höhe von 1.871,81 EUR entstanden.
Nach den Feststellungen des Gerichts sind beide Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar. Unter dieser Voraussetzung lässt eine Planunterschreitung (§ 125 Abs. 3 Nr. 1) die Rechtmäßigkeit der Herstellung unberührt. Dem Gericht oblag die Prüfung, ob die Planüberschreitung mit der Planunterschreitung verrechnet werden kann („Kompensation“) und ob die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden (§ 125 As. 3 Nr. 2).
Die obergerichtliche Entscheidung:
Die Rechtmäßigkeit der Herstellung ist Voraussetzung für das Entstehen der Beitragspflicht nach § 132 Abs. 2 BauGB. Der Gemeinde stehen hierzu mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
„Eine Mehrbelastung der Erschließungsbeitragspflichtigen ist zu verneinen, wenn die Abweichung kostenneutral ist oder die Gemeinde die anfallenden Mehrkosten nicht geltend macht (…). Darüber hinaus kann die Gemeinde die abweichende Herstellung auch durch eine Änderung des Bebauungsplans nachträglich absichern. In diesem Fall entsteht die Erschließungsbeitragspflicht, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, erst mit der Abgabe dieser Erklärung oder der Änderung des Bebauungsplans (…).“
Keine Kompensation von Mehr- und Minderkosten:
„Eine Kompensation der Mehrkosten einer Planüberschreitung durch mutmaßliche Minderkosten einer Planunterschreitung an anderer Stelle ist nicht möglich (…). Eine solche Verrechnung scheidet schon mit Blick auf die Systematik des § 125 Abs. 3 BauGB aus, weil diese Bestimmung die Tatbestände der Planunterschreitung (Nr. 1) regelt; obendrein liegt die Annahme fern, ein zweiter Verstoß gegen die von einem Bebauungsplan ausgehende Bindung könne den ersten Verstoß folgenlos werden lassen (…).“
Voraussetzungen für den Mehrkostenverzicht:
„Voraussetzung für einen Mehrkostenverzicht ist eine konstitutive Entscheidung der Gemeinde, sie werde die Mehrkosten nicht auf die Beitragspflichtigen abwälzen. Dies bedeutet, dass es, auch wenn die Erklärung über den Mehrkostenverzicht konkludent erfolgen kann (…), bei der erklärenden Gemeinde des Bewusstseins bedarf, eine entsprechende Erklärung abzugeben.“
Unsere Hinweise:
Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren ausführlichen Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die umfangreichen Erläuterungen zur Rechtmäßigkeit der Herstellung bei Rdnrn. 60 ff., speziell zu den Folgen einer Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans bei Rdnrn. 67 – 75 .
Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.
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