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29.09.2022

Widmung einer Ortsstraße als Gemeindeverbindungsstraße

Der Fall:

Der beklagte Markt führte im Jahr 2015 im Ortsteil ... Straßenbaumaßnahmen durch, wobei die Fahrbahnen erneuert, die Straßenbeleuchtung verbessert und die Straßenentwässerung saniert wurden. Für den Ausbau der Straße „J... A...“ zog er den Kläger mit Bescheid vom 20. November 2017 für eine als Parkplatz genutzte Teilfläche seines Grundstücks zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 2.087,34 € heran.

Diese Straße war 1963 als Gemeindeverbindungsstraße in das Straßenbestandsverzeichnis eingetragen worden. Ob sie 2007 wirksam zur Ortsstraße umgewidmet wurde, ist offengeblieben. Der Kläger wandte sich gegen die Beitragserhebung und machte vor allem geltend, die abgerechneten Baumaßnahmen seien nicht beitragsfähig, weil die Straße bis heute nicht als Ortsstraße gewidmet sei und die Beitragsfähigkeit nicht mehr rückwirkend herbeigeführt werden könne. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil für unbegründet erachtet und abgewiesen. Einen Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof abgelehnt.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Vorausleistungen vor dem 31.12.2017 bleiben aufrechterhalten

Durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) wurde rückwirkend zum 1. Januar 2018 die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verboten (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG n.F.). Allerdings verbleibt es für Beiträge und für Vorauszahlungen, die – wie hier – bis zum 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind, nach Maßgabe der Übergangsvorschriften in Art. 19 Abs. 7 und 8 KAG bei der früheren, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage, die sich aus dem Kommunalabgabengesetz selbst (KAG a.F.) und dem auf seiner Grundlage wirksam erlassenen gemeindlichen Satzungsrecht ergibt.

 

Der beitragsrechtliche Begriff der Ortsstraße folgt dem straßenrechtlichen, in Art. 46 Nr. 2 BayStrWG definierten Begriff

In Anwendung dieser Rechtslage hat das Verwaltungsgericht zutreffend – und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats – entschieden, es reiche für die Beitragsfähigkeit der in Rede stehenden Straßenbaumaßnahme nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG aus, dass die ausgebaute Straße „J... A...“ die materiellen Voraussetzungen des Art. 46 Nr. 2 BayStrWG für die Einstufung als Ortsstraße erfülle und dass sie als Gemeindeverbindungsstraße gewidmet sei. Die Einwände des Klägers werfen keine ergebnisbezogenen Zweifel auf, die weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfen. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass der beitragsrechtliche Begriff der „Ortsstraße“ im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. dem straßenrechtlichen, in Art. 46 Nr. 2 BayStrWG definierten Begriff folgt (BayVGH, B.v. 18.5.2016 – 6 ZB 15.2785 – juris Rn. 7; U.v. 1.12.2016 – 6 BV 16.856 – juris Rn. 18; B.v. 28.3.2019 – 6 ZB 19.60 – juris Rn. 9). Danach sind Ortsstraßen Straßen, die dem Verkehr innerhalb der geschlossenen Ortslage oder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans im Sinn des Baugesetzbuchs dienen, mit Ausnahme der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen, Staatsstraßen und Kreisstraßen. Dementsprechend setzt der in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG verwendete Begriff „öffentlich“ bei einer Ortsstraße entweder eine Widmung nach Art. 6 BayStrWG oder eine Eintragung im Straßenbestandsverzeichnis (Art. 67 Abs. 3 BayStrWG) voraus.

 

Aus Sicht des Beitragsrechts betrifft die Frage der Widmung allein das Merkmal öffentlich

Diese Rechtsprechung betrifft zwei verschiedene, kumulativ erforderliche Beitragsvoraussetzungen, nämlich einerseits die „Ortsstraße“ als beitragsfähige Einrichtung, andererseits deren Eigenschaft „öffentlich“. Sie besagt, dass beide Begriffe straßenrechtlich zu verstehen sind. Maßgeblich ist danach, ob die erneuerte oder verbesserte Verkehrseinrichtung die materiellen Kriterien des Art. 46 Nr. 2 BayStrWG erfüllt und für den öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Der Rechtsprechung ist aber entgegen der Ansicht der Kläger nicht zu entnehmen, die Straße müsse zudem als Ortsstraße gewidmet sein. Beitragsrechtlich ist es vielmehr unerheblich, ob eine – die materiellen Kriterien des Art. 46 Nr. 2 BayStrWG erfüllende – Straße als Ortsstraße oder als Gemeindeverbindungsstraße gewidmet ist (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Oktober 2021, Rn. 2164d; s. auch BayVGH, B.v. 28.3.2019 – 6 ZB 19.60 – juris zum Fall, dass eine als Ortsstraße gewidmete Verkehrseinrichtung die materiellen Kriterien des Art. 46 Nr. 2 BayStrWG nicht erfüllt und deshalb – trotz Widmung – nicht beitragsfähig ist). Zwar ist die Einstufung in eine bestimmte Straßenklasse straßenrechtlich integraler Bestandteil einer jeden Widmung. Aus der Sicht des Beitragsrechts betrifft die Frage der Widmung jedoch allein das Merkmal „öffentlich“. Mit diesem verlangt das Gesetz, dass die erneuerte oder verbesserte Verkehrseinrichtung nicht nur tatsächlich genutzt werden kann, sondern auch der Allgemeinheit rechtlich gesichert und privatrechtlicher Verfügungsmacht entzogen zur Verfügung steht. Erst dann kann sie den Anliegern einen beitragsrelevanten Sondervorteil in Gestalt einer qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit bieten (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 6 ZB 19.2057 – juris Rn. 7 ff. zum Sondervorteil im Straßenausbaubeitragsrecht). Die Eigenschaft „öffentlich“ erhält eine Straße aber unabhängig von ihrer konkreten Einstufung (vgl. Art. 6 Abs. 1 BayStrWG); es genügt, dass die Straße wirksam für den öffentlichen Verkehr gewidmet ist oder kraft Gesetzes als gewidmet gilt. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs bestehen auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen keine Zweifel daran, dass die abgerechneten Baumaßnahmen an der Straße „J... A...“ nach der bis 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage beitragsfähig sind. Die abgerechnete Straße verläuft – eindeutig – innerhalb der geschlossenen Ortslage und erfüllt sämtliche Kriterien des Art. 46 Nr. 2 BayStrWG für eine Ortsstraße. Dass sie gleichzeitig dem nachbarlichen Verkehr der Gemeindeteile untereinander dient, ist für diese Klassifizierung unerheblich (vgl. Schmid in Zeitler, Bayerisches

Straßen- und Wegegesetz, Stand März 2020, Art. 46 Rn. 9). Sie gilt durch die Eintragung im Bestandsverzeichnis als gewidmet (Art. 67 Abs. 4 BayStrWG), ist mithin „öffentlich“. Dass sie fehlerhaft als Gemeindeverbindungsstraße eingetragen ist, steht der Rechtswirksamkeit der Widmung nicht entgegen (vgl. Häußler in Zeitler, a.a.O. Art. 6 Rn. 5). Die umfangreichen Straßenausbaumaßnahmen haben die Ortsstraße – unstreitig – erneuert und/oder verbessert, wofür der Beklagte auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG a.F. und seiner Ausbaubeitragssatzung Beiträge von denjenigen Grundstückseigentümern erheben durfte (und musste), denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Straße besondere Vorteile bietet (zur Beitragserhebungspflicht nach früherer Rechtslage BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – BayVBl 2017, 200).

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihren Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen sowie einschlägige Rechtsprechung bei Rdnrn. 2164d, 1104.


Unsere Tipps für die Praxis:

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