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20.11.2025

Teilstreckenausbau, Erneuerung einer Straße nur auf einer Teilstrecke

Der Fall:

Die Gemeinde hat eine Straße mit einer Gesamtlänge von 214 m nur auf einer Länge von 163 m erneuert. Im übrigen Bereich war die Straße noch in ordnungsgemäßen Zustand und wurde so belassen. Die Gemeinde hat die Erneuerungsmaßnahme auf alle Grundstückseigentümer, die an der Anlage anliegen, umgelegt. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Gemeinde habe die Anlage nicht in allen Teileinrichtungen auf der gesamten Länge ausgebaut. Es lägen weder die Voraussetzungen für eine Abschnittsbildung noch für einen Teilstreckenausbau vor. Das OVG hat das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die obergerichtliche Entscheidung (in Auszügen):

1. Ein Teilstreckenausbau (Erneuerung einer bestehenden Anlage) ist ausnahmsweise abrechnungsfähig

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats dürfen aus Gründen der Rechtssicherheit (Bauprogramme sind änderbar und häufig schwer feststellbar) und der Vorteilsgerechtigkeit (alle Anlieger sollen gleiche Vorteile haben) Straßenausbaubeiträge im Grundsatz nur dann erhoben werden, wenn der Beitragstatbestand auf der gesamten Länge der ausgebauten Straße bzw. Teileinrichtung oder des etwa gebildeten Abschnitts verwirklicht worden ist. Nur ausnahmsweise kommt ein beitragsfähiger Teilstreckenausbau einer öffentlichen Einrichtung als „Notinstitut“ in Betracht, wenn ein Ausbau auf ganzer Länge im Einzelfall nicht geboten ist. Dies ist dann der Fall, wenn die durchgehende Anlegung einer Teileinrichtung aus tatsächlichen Gründen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen erscheint oder wenn für die durchgehende Anlegung einer Teileinrichtung aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Bedürfnis besteht. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Verwirklichung eines Beitragstatbestandes (z. B. einer Erneuerung) nur in einem Teilbereich notwendig ist, eine Abschnittsbildung aber nicht in Betracht kommt; in solchen Fällen sprechen die Erneuerungsbedürftigkeit einerseits und das Gebot einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung andererseits dafür, die Beitragsfähigkeit der auf einer Teilstrecke durchgeführten Erneuerungsmaßnahme anzuerkennen, sofern die Ausbaustrecke innerhalb der öffentlichen Einrichtung einen nicht nur untergeordneten Teilbereich erfasst und die Gemeinde sowohl die Notwendigkeit eines nur teilweisen Ausbaus als auch Umfang sowie Beendigung der Baumaßnahmen deutlich macht. Letzteres kann auch noch während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (vgl. Senatsurteile vom 19.2.2020 – 9 LB 132/17 – juris Rn. 153 m. w. N. und vom 11.7.2007 – 9 LC 262/04 – juris Rn. 41 f.).

Die Voraussetzungen für einen Teilstreckenausbau sind vorliegend gegeben. Für den durchgehenden Ausbau der Teileinrichtung Fahrbahn in der F-Straße bestand aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Bedürfnis. Denn die Verwirklichung des Beitragstatbestandes der Erneuerung bzw. Verbesserung war nur in einem Teilbereich der F-Straße notwendig, eine Abschnittsbildung kam nicht in Betracht und die Ausbaustrecke erfasst innerhalb der öffentlichen Einrichtung einen nicht nur untergeordneten Teilbereich.

2. Die Erneuerung darf nur in einem Teilbereich notwendig sein

Eine Erneuerung bzw. Verbesserung der Fahrbahn der F-Straße war nur in dem Teilbereich beginnend an der Straße „G-Straße“ bis kurz hinter der Kreuzung mit der I-Straße auf einer Länge von etwa 166 m notwendig. Die Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass für eine Erneuerung und Verbesserung des südlichen Teilstücks der F-Straße kein Bedürfnis bestand.

Bereits mit den in ihren Verwaltungsvorgängen enthaltenen Vermerken hat die Beklagte die Notwendigkeit eines nur teilweisen Ausbaus der Fahrbahn sowie den Umfang und die Beendigung der Baumaßnahmen deutlich gemacht. In dem – undatierten – Vermerk der Beklagten „Anlage 1 Allgemeine Erläuterungen“ wird festgehalten, dass eine Erneuerung des restlichen Bereichs nicht erforderlich gewesen sei, da in dem nicht erneuerten Bereich kein abgängiges Natursteinpflaster, sondern noch intaktes Verbundsteinpflaster bestehe und sich dieser Bereich noch in einem guten und verkehrssicheren Zustand befinde. Eine Erneuerung der Teileinrichtungen für den Restbereich der F-Straße sei objektiv nicht erforderlich, aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar und auf absehbare Zeit nicht beabsichtigt. Ein entsprechendes weiterführendes Bauprogramm liege hierfür nicht vor. In dem Vermerk der O. vom 21. Juli 2016 zum möglichen Restausbau der F-Straße im Bereich I-Straße bis J-Straße wird ebenfalls ausgeführt, dass eine Weiterführung der Straßenerneuerung (Fahrbahn, Gosse, Gehweg) der F-Straße aufgrund des guten und verkehrssicheren Zustands objektiv nicht erforderlich, aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar und auf absehbare Zeit auch nicht beabsichtigt sei. Eine Aufnahme in das Straßenerneuerungsprogramm der Beklagten sei nicht vorgesehen.

Im Zulassungsverfahren hat die Beklagte sodann die bereits in den genannten Vermerken getroffenen Aussagen zur Notwendigkeit eines nur teilweisen Ausbaus der Teileinrichtung Fahrbahn weiter vertieft und bestätigt.

3. Eine Abschnittsbildung muss ausgeschlossen sein

Eine Abschnittsbildung kam vorliegend nicht in Betracht.

Der Tatbestand eines beitragsfähigen Teilstreckenausbaus ist nicht erfüllt, wenn eine Gemeinde meint, der Ausbau einer in der Sache ebenfalls ausbaubedürftigen weiteren Teilstrecke könne – aus welchen Gründen auch immer – noch um einige Jahre verschoben werden; in einem solchen Fall kommt ausschließlich eine Abrechnung im Wege einer Abschnittsbildung in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 19.3.2015 – 9 ME 1/15 – juris Rn. 8 m. w. N

Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt die Abschnittsbildung ein im Interesse der Finanzsituation der Gemeinden zugelassenes Vorfinanzierungsinstitut dar. Die Möglichkeit der Abschnittsbildung soll die Gemeinde in die Lage versetzen, bei auf den Ausbau der öffentlichen Einrichtung in ganzer Länge abzielenden Maßnahmen, die sich über mehrere Straßenabschnitte erstrecken und einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, Ausbauabschnitte gesondert endgültig abzurechnen. Bei einer von vornherein auf einen bestimmten Abschnitt einer öffentlichen Einrichtung beschränkten Baumaßnahme ist für eine Abschnittsbildung kein Raum, weil das Institut der Abschnittsbildung im Blick auf seine Vorfinanzierungsfunktion nicht dazu dient, einzig ein auf den Abschnitt beschränktes eigenständiges Abrechnungsgebiet zu schaffen. Letztlich soll Gegenstand der Abrechnung immer der Ausbau der öffentlichen Einrichtung auf ganzer Länge sein. Die nach einer Abschnittsbildung auf den einzelnen Abschnitt beschränkte Abrechnung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn damit eine Vorfinanzierung angestrebt wird und die Anlieger im Bereich des noch nicht ausgebauten Abschnitts später für eine vergleichbare Baumaßnahme zu Beiträgen herangezogen werden sollen. Daher setzt eine wirksame Abschnittsbildung voraus, dass das Bauprogramm der Gemeinde einen Ausbau über den ausgebauten Abschnitt hinaus vorsieht. Das Bauprogramm muss weitere Teilstrecken der öffentlichen Einrichtung erfassen, von der Gemeinde aber nicht in einem Zug, sondern etappenweise, eben in Abschnitten umgesetzt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 22.12.2009 – 9 ME 108/09 – juris Rn. 6 m. w. N.).

Ein für eine Abschnittsbildung erforderliches Bauprogramm, welches einen Ausbau über die 2015/2016 ausgebaute Teilstrecke der F-Straße hinaus Richtung Süden vorsieht, ist nicht festzustellen. Den Verwaltungsvorgängen der Beklagten sind keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass ihre Planungen in Form eines wirksamen Bauprogramms einen Ausbau der F-Straße bis zu ihrem südlichen Ende vorsehen. Die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Vermerke sprechen im Gegenteil vielmehr dafür, dass allein der abgerechnete Ausbau der F-Straße Gegenstand der Ausbauplanung war. In dem – undatierten – Vermerk der Beklagten „Anlage 1 Allgemeine Erläuterungen“  wird – wie ausgeführt – festgehalten, dass eine Erneuerung der Teileinrichtungen für den Restbereich der F-Straße objektiv nicht erforderlich, aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar und auf absehbare Zeit nicht beabsichtigt sei. Ein entsprechendes weiterführendes Bauprogramm liege hierfür nicht vor. Daher sei eine Verselbständigung nur des ausgebauten Teils durch eine Abschnittsbildung als Vorfinanzierungsinstitut nicht möglich/erforderlich gewesen, die Maßnahmen seien im Wege des „Teilstreckenausbaus“ abgerechnet worden.

4. Die Erneuerung muss einen nicht untergeordneten Teilbereich umfassen

Schließlich erfasst die Ausbaustrecke der Teileinrichtung Fahrbahn innerhalb der öffentlichen Einrichtung F-Straße einen nicht nur untergeordneten Teilbereich. Die Ausbaustrecke erfasst mit 166 m den überwiegenden Teil der Gesamteinrichtung von insgesamt 241 m.


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