Die klagende Stadt begehrt vom beklagten Freistaat Bayern die Erstattung von entgangenen Straßenausbaubeiträgen für die 2017 abgeschlossene Erneuerung der Straßenentwässerung der T.- Straße, die sie seit dem 1. Januar 2018 wegen der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge nicht mehr von den bevorteilten Grundstückseigentümern erheben darf. Dabei gab sie zur haushaltsmäßigen Veranschlagung an, dass im Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung davon ausgegangen worden sei, dass die Gesamtmaßnahme vorwiegend im Wege der Reparatur abgearbeitet werde und somit keine Mehrung des Anlagevermögens darstelle. Deshalb seien die Ausgaben insgesamt im Verwaltungshaushalt veranschlagt worden. Erst nach Fertigstellung des Haushalts und Prüfung der einzelnen Maßnahmen habe sich herausgestellt, dass die Erneuerung des Mischwasserkanals in der T.-Straße teilweise eine beitragspflichtige Maßnahme darstelle.
Die Regierung lehnte den Erstattungsantrag ab. Die zwingende Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG sei nicht erfüllt, weil die Baumaßnahme nicht im Vermögenshaushalt veranschlagt sei, sondern im Verwaltungshaushalt.
Die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 31. März 2022 abgewiesen. Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der sie den Erstattungsanspruch weiterverfolgt. Der BayVGH hat die Berufung zurückgewiesen.
Anspruchsgrundlage für das klägerische Erstattungsverlangen ist Art. 19 Abs. 9 Satz 1 bis 5 KAG. Diese Vorschriften, die durch das Änderungsgesetz vom 26. Juni 2018 (GVBl. S. 449) in das Kommunalabgabengesetz aufgenommen worden sind, dienen – neben dem Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für Planung und Vorbereitung von Straßenausbaubeitragsmaßnahmen nach Art. 19 Abs. 9 Satz 6, 7 KAG – der Kompensation von entgangenen Einnahmen der Gemeinden durch die rückwirkende Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018. Nach der bis 31. Dezember 2017 geltenden alten Rechtslage sollten die Gemeinden für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen (Straßenausbau-)Beiträge erheben (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F.). Seit dem 1. Januar 2018 bestimmt Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG, dass für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen, beschränkt-öffentlichen Wegen, in der Baulast der Gemeinden stehenden Teilen von Ortsdurchfahrten und der Straßenbeleuchtung (Straßenausbaubeitragsmaßnahmen) keine Beiträge erhoben werden. Damit wurde den Gemeinden zu diesem Stichtag das Recht entzogen, für die in Rede stehenden Ausbaumaßnahmen Beiträge von den Eigentümern (oder Erbbauberechtigten) der bevorteilten Grundstücke zu erheben und diese dadurch an der Refinanzierung des Straßenausbaus zu beteiligen. Als Ersatz für das abgeschaffte Refinanzierungsrecht über vorteilsabgeltende Abgaben erhielten die Gemeinden für künftige Ausbaumaßnahmen eine pauschale Finanzierungsbeteiligung des Staates. Für Ausbaumaßnahmen, die noch vor der Gesetzesänderung in Erwartung des Fortbestands der Refinanzierungsmöglichkeit über vorteilsabgeltende Beiträge begonnen worden waren, gewährte der Änderungsgesetzgeber den Gemeinden einen finanziellen Ausgleich der Beitragsausfälle nach Maßgabe der Überleitungsvorschrift des Art. 19 Abs. 9 KAG.
Gemäß Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG erstattet der Freistaat Bayern den Gemeinden auf Antrag diejenigen Beträge, die ihnen unmittelbar dadurch entgehen, dass sie infolge der Änderung des Kommunalabgabengesetzes zum 1. Januar 2018 Beiträge für Straßenausbaumaßnahmen nicht mehr erheben können. Ein solcher Erstattungsanspruch setzt nach Art. 19 Abs. 9 Satz 3 KAG voraus, dass die Gemeinde spätestens bis zum 11. April 2018 (dem Tag der Einbringung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 17/21586) eine Satzung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung erlassen hatte (Nr. 1), für die demnach beitragsfähige Maßnahme in einem der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 Abs. 2 GO spätestens am 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen veranschlagt hatte (Nr. 2), spätestens bis zum 11. April 2018 das Vergabeverfahren für die erste Bauleistung bereits eingeleitet hatte oder mit eigenem Personal mit der technischen Herstellung begonnen hatte (Nr. 3) und den Antrag auf Erstattung spätestens am 30. April 2028 gestellt hat (Nr. 4). Ein Anspruch auf Erstattung von unmittelbar entgangenen Beiträgen besteht nach dem Gesetzeswortlaut („und“) nur, wenn sämtliche vier Voraussetzungen – kumulativ – vorliegen.
Im vorliegenden Fall fehlt es an der Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG. Zwar verfügte die Klägerin nach alter Rechtslage über eine Ausbaubeitragssatzung (zuletzt vom 25.1.2018), nach der die im Jahr 2017 abgeschlossene Sanierung des Mischwasserkanals in der T.- Straße straßenausbaubeitragsfähig war. Denn mit ihr wurde die schadhafte Teileinrichtung Straßenentwässerung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit in beitragsfähiger Weise erneuert, weil die Kanalsanierung im Inliner-Verfahren auf einer Teilstrecke von 148,2 m der 543 m langen Straße, also über mindestens ein Viertel der Gesamtlänge, in qualitativer und quantitativer Hinsicht über eine bloße beitragsfreie Instandsetzung hinausging und eine beitragsfähige Erneuerung der gesamten Straße im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. in Verbindung mit der Ausbaubeitragssatzung der Klägerin darstellte (zum Teilstreckenausbau etwa BayVGH, U.v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – VGHE 63, 62 ff., U.v. 18.5.2017 – 6 BV 16.2345 – BayVBl. 2018. 29 Rn. 17; zum Inliner-Verfahren Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand März 2024, Rn. 2033).
Gleichwohl ist die Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG deshalb nicht erfüllt, weil für die Baumaßnahme als Teil der Gesamtbaumaßnahme „Sanierung Kanal T.“ Ausgaben lediglich im Verwaltungshaushalt des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 veranschlagt waren. Das genügt nicht den Anforderungen des Gesetzes. Dieses spricht nicht von irgendeiner Berücksichtigung der beitragsfähigen Maßnahme in einem spätestens am 11. April 2018 der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 GO vorgelegten Haushalt der Gemeinde. Es verlangt vielmehr ausdrücklich eine bestimmte Veranschlagung im Haushaltsplan (Art. 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GO), und zwar bei Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der Kameralistik in Gestalt von „Ausgaben im Vermögenshaushalt“ (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 7 KommHV-Kameralistik), bei Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der doppelten kommunalen Buchführung in Gestalt von „Auszahlungen aus Investitionstätigkeit“ (vgl. § 3 Abs. 1 Nrn. 20 bis 25 KommHV-Doppik), oder die Veranschlagung von „Verpflichtungsermächtigungen“ für künftige Haushaltsjahre.
Die Veranschlagung im Verwaltungshaushalt, wie sie die Klägerin für ihren kameralistisch geführten Haushalt 2016 gewählt hat, erfüllt die gesetzlichen Anforderungen nicht. Das gilt auch für den Fall, dass die haushaltsrechtliche Zuordnung mit Blick auf den Schwerpunkt der Kanalsanierung rechtmäßig oder zumindest vertretbar und ein Nachtragshaushalt mit einer geänderten Zuordnung der auf die Straßenentwässerung der T.- Straße entfallenden Ausgabenanteile wegen ihrer straßenausbaubeitragsrechtlichen Qualifizierung als Erneuerungsmaßnahme zum Vermögenshaushalt aus Rechtsgründen nicht durchführbar gewesen sein sollte.
Für eine erweiternde Auslegung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG, wie sie die Klägerin anstrebt, ist kein Raum. Sie muss schon am eindeutigen Gesetzeswortlaut scheitern, der – bei einem kameralistisch geführten Haushalt – ausdrücklich von „Ausgaben im Vermögenshaushalt“ oder „Verpflichtungsermächtigungen“ spricht. Dabei stellt das Gesetz ebenso unmissverständlich auf die tatsächlich erfolgte, nicht auf die rechtlich gebotene Veranschlagung ab. Dass es sich bei dieser qualifizierten Veranschlagung um eine eigenständige Anspruchsvoraussetzung handelt, folgt aus der Gesetzessystematik. Der von der Klägerin in den Vordergrund gestellte Satz 1 des Art. 19 Abs. 9 KAG regelt den Erstattungsanspruch keineswegs abschließend. Er bestimmt als Grundnorm allerdings den Inhalt des Anspruchs (auf der Rechtsfolgenseite), wonach der Freistaat Bayern den Gemeinden auf Antrag diejenigen Beträge erstattet, „die ihnen unmittelbar dadurch entgehen, dass sie infolge der Änderungen des Kommunalabgabengesetzes zum 1. Januar 2018 Beiträge für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen … nicht mehr erheben können“. Das bedeutet jedoch nicht, dass auf Antrag alle unmittelbar durch die Gesetzesänderung entgangenen Beiträge voraussetzungslos erstattet werden. Vielmehr formuliert das Gesetz anschließend in Satz 3 einen Katalog von zwingenden Voraussetzungen („Ein Erstattungsanspruch nach Satz 1 setzt voraus, dass die Gemeinde …“), einen Ausschlussgrund (Satz 4) und eine inhaltliche Beschränkung des Anspruchs auf das am Stichtag bestehende Bauprogramm (Satz 5).
Gerade aus der Aufzählung in Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG wird deutlich, dass die rechtzeitige und qualifizierte haushaltsrechtliche Veranschlagung eigenständige Bedeutung als Anspruchsvoraussetzung haben soll. Denn das Gesetz bezieht das Veranschlagungserfordernis einleitend auf „die demnach beitragsfähige Maßnahme“. Damit setzt es bereits voraus, dass die konkrete Baumaßnahme nach dem alten Satzungsrecht der Gemeinde auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. beitragsfähig war oder wäre, dass sie also als Erneuerung oder Verbesserung der jeweiligen Verkehrseinrichtung zu qualifizieren ist und nicht als bloße beitragsfreie Instandsetzung (zur Abgrenzung etwa BayVGH, U.v. 18.5.2017 – 6 BV 16.2345 – BayVBl 2018, 29 Rn. 15 m.w.N.; U.v. 11.12.2015 – 6 BV 14.584 – BayVBl 2016, 348 Rn. 17 m.w.N.). Wenn das Gesetz im Anschluss an das Erfordernis der Beitragsfähigkeit zusätzlich eine rechtzeitige und qualifizierte Veranschlagung von „Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen“ verlangt, soll damit sichergestellt werden, dass es auch aus dem haushaltsrechtlich prognostischem Blickwinkel der Gemeinde um Baumaßnahmen geht, die die Schwelle von bloßen Unterhalts- und Instandsetzungsarbeiten (Verwaltungshaushalt) zur Straßenerneuerung oder -verbesserung (Vermögenshaushalt) überschreiten. Diese unwiderlegliche Typisierung des Gesetzes dient einerseits der Verwaltungspraktikabilität, indem die Notwendigkeit einer aufwändigen Einzelfallprüfung im Erstattungsverfahren verringert werden soll, und andererseits der Verhinderung von „Mitnahmeeffekten“.
Mit diesen zusätzlichen, dem Beitragsrecht fremden haushaltsrechtlichen Anforderungen nimmt es das Gesetz bewusst hin, dass im Einzelfall Straßenbaumaßnahmen von der Erstattung ausgeschlossen sind, die zwar für sich betrachtet nach alter Rechtslage ohne Weiteres beitragsfähig waren oder gewesen wären, die aber – aus welchem Grund auch immer – haushaltsrechtlich nicht rechtzeitig in qualifizierter Weise als Investitionen veranschlagt wurden oder werden konnten. Diese Beschränkung des Erstattungsanspruchs, die den Gemeinden in Einzelfällen für bereits laufende Ausbaumaßnahmen die ursprünglich bestehende Einnahmequelle aus Beiträgen ohne Kompensation verschließt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Typischerweise betrifft das lediglich „kleinere“, weniger kostenintensive Ausbaumaßnahmen im Abgrenzungsbereich zwischen noch beitragsfreier Instandhaltung oder schon beitragspflichtigem Ausbau. Weder wird dadurch die gemeindliche Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) beeinträchtigt noch das – möglicherweise analog anzuwendende – Konnexitätsprinzip des Art. 83 Abs. 3 BV verletzt.
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