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27.10.2020

Rückwirkendes Entfallen verwirkter Säumniszuschläge

Der Fall und die Frage

Widerspruch und Anfechtungsklage haben gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung, die aber nach Abs. 2 Nr. 1 bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten entfällt. Ergreift ein Beitragspflichtiger gegen die Beitragsfestsetzung Widerspruch oder Klage, so entbindet ihn das nicht davon, den Beitrag spätestens einen Monat nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheids zu bezahlen (§ 135 Abs. 1 BauGB). Kommt er dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, so kann die Gemeinde Säumniszuschläge verlangen (§ 240 AO).

Dem Beitragspflichtigen, der die Beitragsfestsetzung für rechtwidrig hält und deshalb Rechtsmittel ergriffen hat, steht aber die Möglichkeit offen, zunächst bei der Behörde die Aussetzung der Vollziehung (§ 80 Abs. 4 VwGO) bzw. für den Fall einer Ablehnung durch die Behörde bei Gericht (Abs. 5) die aufschiebende Wirkung seines Rechtsmittels zu beantragen. Hat der Antrag Erfolg, kann fallen keine Säumniszuschläge mehr an.

Wie ist aber im Falle einer erfolgreich erlangten Aussetzung der Vollziehung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels mit zuvor festgesetzten Säumniszuschlägen umzugehen? Sind sie zurückzuzahlen oder bleiben sie verwirkt?

 

Die obergerichtliche Entscheidung

 

Der Grundsatz und seine Ausnahme

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung lässt im Grundsatz die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge entfallen

„Zwar wirkt die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses zurück und lässt damit auch die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge entfallen (…). Denn die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO soll generell die Rechtslage in Kraft setzen, die bestände, wenn die in § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nicht ausnahmsweise entfiele. Allerdings kann das Gericht im Rahmen seiner Ermessensausübung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Rückwirkung zeitlich einschränken oder ausschließen, insbesondere die Wirkungen der Entscheidung etwa nur für die Zukunft (ex nunc) eintreten lassen (…). Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn der Abgabenschuldner den nicht fristgebundenen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erst längere Zeit nach Rechtsbehelfseinlegung ohne nachvollziehbare Gründe gestellt und dadurch dazu beigetragen hat, dass es zu belastenden Folgen für den Betroffenen, beispielsweise zu Säumniszuschlägen, gekommen ist, die er nunmehr aufgehoben wissen will (…).“

 

Der Ausnahmefall (verneint)

„Im vorliegenden Einzelfall erscheint es dem Senat unter Beachtung dieser Maßgaben als sachgerecht, die aufschiebende Wirkung erst mit Stellung des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde (§ 80 Abs. 6 VwGO) anzuordnen. Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. August 2012 fristgerecht Widerspruch eingelegt. Erst mit Schreiben vom 29. August 2018, bei dem Antragsgegner am 3. September 2018 eingegangen, hat sie die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides beantragt. Dabei wird in dem Bescheid in der Rechtsbehelfsbelehrung unter anderem ausdrücklich auf die sofortige Vollziehung des Bescheides trotz Einlegung eines Rechtsmittels, die Einziehung nicht rechtzeitig geleisteter Beiträge im Verwaltungszwangsverfahren und die Erhebung von Säumniszuschlägen und Verwaltungskosten hingewiesen. Die Antragstellerin hat es daher aus nicht nachvollziehbaren Gründen über einen längeren Zeitraum versäumt, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen und damit (einstweilen) die Fälligkeit der Forderung zu beseitigen, um so etwa die Verwirkung von Säumniszuschlägen zu verhindern (…). ... Aufgrund dessen erscheint es im Ergebnis nicht vertretbar, der Antragstellerin auch für den Zeitraum bis zur Antragstellung bei der Behörde die Rechtswohltat der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu gewähren und dem Antragsgegner die schon angefallenen Säumniszuschläge wieder zu entziehen.“

 

Unsere Hinweise

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. Dort stellen wir auch weitere einschlägige Rechtsprechung zur Verfügung. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zum dargestellten Rechtskreis bei Rdnr. 1150 .


Unsere Tipps für die Praxis:

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