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02.03.2022

Naturschutzrechtliche Kostenerstattung versus Erschließungsbeitrag für die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage

Der Grundsatz:

Die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage kann im Grundsatz sowohl im Wege des Erschließungsbeitragsrechts als auch der naturschutzrechtlichen Kostenerstattung refinanziert werden. Fraglich ist, ob insoweit ein Wahlrecht der Gemeinde besteht bzw. wie sich das Konkurrenzverhältnis dieser beiden Refinanzierungsmöglichkeiten darstellt.


Der Fall:

Der höchstgerichtlichen Entscheidung lag ein Rechtsstreit über die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage zugrunde. Das Oberverwaltungsgericht hatte den Vorausleistungsbescheid aufgehoben. Die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die Grünanlage sei wegen des Vorrangs der Kostenerstattungsregelung des § 135a BauGB ausgeschlossen. Maßgeblich für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Kostenerstattung nach § 135a Abs. 2 bis 4 BauGB sei, ob die Grünflächenfestsetzung nach dem planerischen Willen der Gemeinde eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme darstelle oder nicht. Dies sei hier der Fall. Aus der Begründung des Bebauungsplans und der naturschutzfachlichen Bewertung des durch die Planung verursachten Eingriffs in Natur und Landschaft ergebe sich, dass der gesamten streitgegenständlichen Grünfläche nach dem planerischen Willen der Beklagten die Funktion einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme zugedacht gewesen sei. Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision machte die Gemeinde geltend, bei der Ausweisung der Grünanlage habe das Hauptaugenmerk auf deren Erschließungsfunktion und nicht auf der Ausgleichsfunktion gelegen. Eine Grünanlage könne auch dann als Erschließungsanlage nach § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB abgerechnet werden, wenn sie dem Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft diene. Außerdem fehle es an der Zuordnung von Ausgleichsmaßnahmen zu bestimmten Eingriffsgrundstücken und damit an einer zwingenden Voraussetzung für die Kostenerstattung.


Die höchstgerichtliche Entscheidung:

Die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen für die erstmalige Herstellung einer öffentlichen Grünanlage kommt nicht in Betracht, soweit die Festsetzung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme vorliegt:

„Im Einklang mit Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass im Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Kostenerstattung gemäß den §§ 135a bis 135c BauGB bzw. gemäß § 8a des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1997 (…) geltenden Fassung (BNatSchG a.F.) eine Heranziehung – auch – zu Erschließungsbeiträgen nicht in Betracht kommt und der Beklagten insoweit kein Wahlrecht eingeräumt ist.“

„Für die Refinanzierung einer nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans von der Gemeinde hergestellten öffentlichen Grünanlage kommen im Grundsatz sowohl das Erschließungsbeitragsrecht als auch die naturschutzrechtliche Kostenerstattung in Betracht. Nach § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB sind Erschließungsanlagen u.a. auch Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind. Das Vorliegen einer erschließungsbeitragsfähigen selbständigen Grünanlage setzt dabei voraus, dass es sich um tatsächlich begrünte Flächen handelt, die dazu bestimmt sind, der Erholung von Menschen zu dienen, die in räumlicher Nähe zu der Anlage leben oder arbeiten (...). Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB gehören zudem zu den rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten für die planerische Festsetzung von Ausgleichsflächen und Ausgleichsmaßnahmen (…), weshalb eine im Bebauungsplan als öffentliche Grünanlage festgesetzte Fläche auch eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme i.S.d. § 8a BNatSchG a.F. bzw. § 135a i.V.m. § 1a Abs. 3 BauGB darstellen kann.

Sowohl für Erschließungsbeiträge nach § 127 Abs. 1 BauGB als auch für Kostenerstattungsbeträge nach § 135a Abs. 3 BauGB gilt, dass diese zu erheben sind, der Gemeinde insoweit also kein Ermessen zusteht. Die Grundsätze für die Erhebung der Zahlungen unterscheiden sich jedoch in wesentlichen Punkten, je nachdem, ob die Abrechnung im Hinblick auf eine Erholungs- und Erschließungsfunktion oder aber eine naturschutzrechtliche Ausgleichsfunktion der Grünanlage erfolgt. Während die Gemeinde mit der Herstellung der Grünanlage als Erschließungsanlage eine eigene Aufgabe erfüllt und nach § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB einen Eigenanteil von zehn Prozent des beitragsfähigen Erschließungsaufwands selbst tragen muss, wird sie bei der Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen für den Vorhabenträger oder die Grundstückseigentümer tätig. Die Frage des Ausgleichs von Eingriffen in Natur und Landschaft gehört dabei zu den verbindlich zu klärenden Voraussetzungen für die bauliche Nutzung des Plangebiets und die Rechtmäßigkeit der Planung (…); die Abrechnung der für den Ausgleich aufgewendeten Kosten folgt dem Verursacherprinzip. Demgegenüber ist die Erschließung durch Grünanlagen für ein Plangebiet zwar dienlich, für dessen Bebaubarkeit aber nicht zwingend erforderlich und richtet sich hinsichtlich der Abrechnung nach dem Vorteilsprinzip. Dies führt dazu, dass sich sowohl der Kreis der Zahlungspflichtigen als auch der Maßstab für die Verteilung der Kosten auf die einzelnen Schuldner unterscheiden. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung, nach welchem Abrechnungsregime eine Heranziehung zu Zahlungen für die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage erfolgen soll, von wesentlicher Bedeutung.

Im Ergebnis übereinstimmend mit der inzwischen nahezu einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist dabei davon auszugehen, dass eine Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen nicht in Betracht kommt, soweit die Festsetzung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme vorliegt (…). Aufwand und Kosten, die im Anwendungsbereich des § 135a BauGB bzw. § 8a BNatSchG a.F. abgerechnet werden könnten, sind dem Erschließungsbeitragsrecht entzogen. Dabei kann dahinstehen, ob sich dies angesichts der dargelegten grundsätzlichen Unterschiede der Abrechnungssysteme bereits aus gesetzessystematischen Gründen unter dem Gesichtspunkt sich ausschließender Regimeentscheidungen und eines Vorrangs der am Verursacherprinzip orientierten naturschutzrechtlichen Kostenerstattung ergibt oder aus einer Anwendung von § 127 Abs. 1, § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB folgt, wonach die Gemeinden einen Erschließungsbeitrag nur zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen erheben. Denn anderweitig gedeckt kann ein Aufwand für eine Erschließungsanlage auch dann sein, wenn ein Dritter aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung Erschließungsmaßnahmen auf eigene Kosten durchführt oder wenn ein Anspruch der Gemeinde gegen einen Dritten auf Übernahme von Erschließungskosten besteht (…).“


Es kommt dabei nicht darauf an, ob eine Zuordnungsentscheidung nach § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB oder § 8a Abs. 3 Satz 2 BNatSchG a.F. getroffen worden ist:

„Der Ausschluss des Erschließungsbeitragsrechts im Anwendungsbereich des § 135a BauGB bzw. § 8a BNatSchG a.F. ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht davon abhängig, ob die Gemeinde durch eine Zuordnungsentscheidung nach § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB bzw. § 8a Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 BNatSchG a.F. die Voraussetzungen für eine tatsächliche Erhebung des naturschutzrechtlichen Kostenerstattungsbetrags geschaffen hat (…). Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 135a Abs. 3 Satz 2 BauGB besteht bei Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen die Pflicht zur Kostenerhebung. Wenn und soweit die Gemeinde naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen festsetzt, ist sie daher zur Zuordnung und Abrechnung nach den §§ 135a ff. BauGB verpflichtet, wobei eine Zuordnung auch nachträglich erfolgen kann, wie sich aus § 135a Abs. 2 Satz 2 BauGB ergibt. Dieser Verpflichtung kann sich die Gemeinde nicht dadurch entziehen, dass sie auf ein Abrechnungsregime zurückgreift, das anderen Grundsätzen folgt und daher nach dem Kreis der Schuldner und der Art und Höhe der Verpflichtungen zu ganz anderen Belastungen führt.“


Die Frage der kostenrechtlichen Zuordnung der Grünanlage ist nach dem planerischen Willen und Konzept der Gemeinde zu beurteilen:

„Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die abzurechnende Grünanlage (…) nach dem planerischen Willen der Beklagten insgesamt eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme oder Ausgleichsfläche i.S.d. § 135a BauGB/§ 8a BNatSchG a.F. darstellt, verstößt jedoch gegen Bundesrecht.“

„Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist dabei der methodische Ansatz des Berufungsgerichts, die Frage der kostenrechtlichen Zuordnung der Grünanlage nach dem planerischen Willen und Konzept der Gemeinde zu beurteilen (…) und zur Ermittlung des planerischen Willens maßgeblich auf die Begründung des Bebauungsplans sowie die dort thematisierte naturschutzfachliche Bewertung des durch die Planung verursachten Eingriffs in Natur und Landschaft abzustellen. Diese Vorgehensweise entspricht der üblichen Praxis und wird der Funktion der Planbegründung als wesentliche Hilfe für die Verdeutlichung und Auslegung eines Bauleitplans gerecht (…).“

„Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts, dass es sich bei der Grünanlage um eine Festsetzung für Ausgleichsmaßnahmen nach § 8a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BNatSchG a.F. handelt, steht auch nicht im Widerspruch zu den textlichen und zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans (…).“ (…) Der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts liegt jedoch ein fehlerhaftes Verständnis vom Begriff der festgesetzten Ausgleichsmaßnahme i.S.d. § 8a BNatSchG a.F. zugrunde“ (wird näher ausgeführt).


Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens ist das Konkurrenzverhältnis von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage zur naturschutzrechtlichen Kostenerstattung in Rn. 43a ausführlich dargestellt.


Unsere Tipps für die Praxis:

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