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02.05.2023

Muss man Grunderwerbssteuer auf die Ablösesumme zahlen?

Das Aushängeschild jeder modernen Gemeindeverwaltung ist ein guter Bürgerservice. Die Antwort auf die Frage „Muss man Gewerbesteuer auf die Ablösesumme zahlen?“ ist für die verkaufende Gemeinde an sich irrelevant, aber eine gute Beratung ihrer Bürgerinnen und Bürger auch in diesem Punkt ist nicht nur äußerst zuvorkommend, sondern kann gegebenenfalls im Nachgang allen Beteiligten Ärger ersparen.

Der Fall: 

Das klagende Ehepaar kaufte der Gemeinde ein unbebautes und noch nicht erschlossenes Grundstück ab. Der Kaufvertrag wies dabei getrennt die Kosten für Grund und Boden auf der einen Seite und Erschließungskoten auf der anderen Seite aus. In den Erschließungskosten seien sämtliche bereits erbrachten und noch zu erbringenden Kosten der Ersterschließung enthalten. Das zuständige Finanzamt erließ daraufhin einen Bescheid und setzte als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbssteuer den Gesamtbetrag (Kaufpreis plus Erschließungskosten) fest. Gegen diesen Bescheid gingen die Kläger gerichtlich vor mit dem Ziel und argumentierten, die Grunderwerbssteuer sie allein auf Grundlage des Kaufpreises zu berechnen.

Die obergerichtliche Entscheidung:

Das Revisionsgericht sah das genauso.

Bemessungsgrundlage ist die Gegenleistung für das Grundstück in dem Zustand, in dem es verkauft wird

„Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein sich auf ein inländisches Grundstück beziehender Kaufvertrag, der den Anspruch auf Übereignung begründet. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung.

Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage) alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben […].“

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt […]. Für den Umfang der Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne ist entscheidend, in welchem Zustand die Vertragsbeteiligten das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht haben (ständige Rechtsprechung […]).

Diese Grundsätze gelten auch für den Erschließungszustand des Grundstücks […].

Ist ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags bereits tatsächlich erschlossen, kann Gegenstand eines solchen Vertrags nur das erschlossene Grundstück sein. In diesem Fall gehören die im Kaufvertrag ausgewiesenen Kosten für die Erschließung grundsätzlich auch dann zur Gegenleistung, wenn Veräußerer eine Gemeinde ist […].

Ist ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags noch nicht erschlossen, ist im Wege der Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln, ob das erschlossene Grundstück Gegenstand der Übereignungsverpflichtung ist, und zwar nach zivilrechtlichen Maßstäben (ständige Rechtsprechung […]).“

Privatrechtliche Verträge einer Gemeinde über einen (künftigen) Erschließungsbeitrag sind rechtswidrig und nichtig.

 „Ist eine nach öffentlichem Recht erschließungspflichtige Gemeinde selbst der Veräußerer und übernimmt der Erwerber die Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück. Das gilt nicht nur, wenn der Erwerber die Erschließungskosten mittels gesonderten Vertrags übernimmt […], sondern ebenso, wenn eine solche Vereinbarung in den Kaufvertrag über das Grundstück integriert ist. Sie enthält regelmäßig einen von dem Kaufvertrag über den Erwerb des Grundstücks zu trennenden öffentlich-rechtlichen Vertrag.

Privatrechtliche Vereinbarungen über die der Gemeinde obliegende Erschließung sind nicht zulässig. Sie verstoßen gegen ein gesetzliches Verbot und sind nach § 134 BGB nichtig.

Die Erschließung ist nach § 123 Abs. 1 BauGB Aufgabe der Gemeinden, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt. Die Gemeinden erheben unter den Voraussetzungen des § 127 Abs. 1 BauGB einen Erschließungsbeitrag, der nach § 134 Abs. 2 Alternative 1 BauGB als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht und, wie sich aus § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB sowie § 135 Abs. 1 BauGB ergibt, durch Beitragsbescheid erhoben wird.

Auf Grundlage von § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB können die Gemeinden als Ausnahme von dem gesetzlichen Verbot vertraglicher Vereinbarungen über Erschließungskosten mit den Eigentümern oder Erbbauberechtigten eines Grundstücks vor Entstehung der Beitragspflicht einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Ablösung des gesamten Erschließungsbeitrags schließen. Das wirksame Zustandekommen eines solchen Vertrags setzt die vollständige Ablösung des Erschließungsbeitrags vor Entstehen der Beitragspflicht voraus. Die jeweiligen Ablösungsbestimmungen der Gemeinde müssen einen Maßstab für die vorteilsgerechte Verteilung des mutmaßlichen Erschließungsaufwands schaffen, den die Vertragsparteien zugrunde legen können. Eine solche Ablösungsabrede kann grundsätzlich auch mit einem Kaufvertrag verbunden werden, sofern sich die privatrechtlichen und die öffentlich-rechtlichen Elemente des Vertrags --Kaufpreis und Ablösungsbetrag-- trennen lassen.

Daraus ergibt sich im Gegenschluss, dass eine privatrechtliche Vereinbarung über die Ablösebeträge unzulässig ist. Andernfalls könnten durch Wahl der privatrechtlichen Handlungsform die Vorgaben des öffentlichen Rechts umgangen werden. Ein wegen Missachtung dieser Vorgaben unwirksamer öffentlich-rechtlicher Vertrag kann daher auch nicht als "hilfsweise" wirksamer privatrechtlicher Vertrag verstanden oder in einen solchen umgedeutet werden, sondern behält seinen öffentlich-rechtlichen Charakter. […]“

Vereinbarungen der Gemeinde über Erschließungsbeiträge sind im Zweifel als Ablöseverträge auszulegen.

Die Tatsache, dass eine Gemeinde gar keinen privatrechtlichen Vertrag über einen Erschließungsbeitrag schließen kann, ist bei der Auslegung von Grundstückskaufverträgen zu beachten.

„Zu den Auslegungsgrundsätzen nach §§ 133, 157 BGB gehört der Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung, d.h. einer Auslegung, die nicht zur Unwirksamkeit einer Vereinbarung führt […]. Zwar kommt es auf die Gesetzeskonformität eines Auslegungsergebnisses nicht an, wenn dieses nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck eindeutig ist […]. Ist das Auslegungsergebnis jedoch nicht eindeutig, ist nur die Auslegung interessengerecht, die die Nichtigkeit des angestrebten Vertrags nach § 134 oder § 138 BGB vermeidet […].

Dieser Auslegungsgrundsatz ist auch bei der Vertragsauslegung für steuerrechtliche Zwecke zu befolgen. […]

Der [Grundstückskaufvertrag] ist in der Weise zu verstehen, dass die Vertragsparteien eine (zivilrechtliche) Vereinbarung über den Kauf des unerschlossenen Grundstücks […] getroffen haben und dass sie daneben eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung i.S. des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB über die Ablösung des Erschließungsbeitrags schließen wollten. Der Vertrag ist nicht eindeutig. Er benennt einerseits einen Gesamtkaufpreis, schlüsselt diesen andererseits in einen Teilbetrag für den verkauften Grund und Boden sowie einen Teilbetrag für die Erschließungskosten auf. Also ist der Vertrag so auszulegen, dass er insgesamt so weit wie möglich wirksam ist.“

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zum Gesamtpreisvertrag in der Rdnr. 1535.


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

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