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10.02.2022

H_2022-02-14_Streitfall Abgrenzung Innenbereich/Außenbereich

Grundstücke oder Grundstücksteile, die zum baurechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB) gehören, sind hingegen nicht erschlossen. Darüber, wo der unbeplante Innenbereich aufhört und der Außenbereich beginnt, kann man sich jedoch – bekanntermaßen – trefflich streiten.

Eine Erschließungsanlage kann nur denjenigen Flächen einen Erschließungsvorteil vermitteln, die in Geltungsbereich eines Bauleitplans (§ 30 BauGB) oder im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) liegen. Grundstücke oder Grundstücksteile, die zum baurechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB) gehören, sind hingegen nicht erschlossen. Darüber, wo der unbeplante Innenbereich aufhört und der Außenbereich beginnt, kann man sich jedoch – bekanntermaßen – trefflich streiten.


Der Fall:

Der Kläger ist Eigentümer zweier Grundstücke, für die er einen Erschließungsbeitrag in Höhe von rund 36.500 EUR zahlen soll. Er legt gegen die beiden Bescheide der beklagten Gemeinde Widerspruch ein und stellt gleichzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Bescheide. Das Grundstück FlNr. 234/2 sei nur mit einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle bebaut, werde landwirtschaftlich genutzt und gehöre damit zum Außenbereich. Das Grundstück FlNr. 243 sei zwar mit einem Wohnhaus bebaut und gehöre zum Teil zum Innenbereich; der Außenbereichsanteil des Grundstücks sei jedoch zu gering angesetzt.


Die höchstrichterliche Entscheidung:

Das OVG konnte der Argumentation des Klägers folgen und ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an.


Bebauung ist nicht gleich Bebauung: Gebäude, die nicht dem Aufenthalt von Menschen dienen, begründen keinen Bebauungszusammenhang

„Das 9.763 m2 große Grundstück FlNr. 243/2 dürfte […] insgesamt nicht mehr dem (unbeplanten) Innenbereich (§ 34 BauGB), sondern bereits dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich im Sinn des § 35 BauGB zuzuordnen und deshalb nicht erschließungsbeitragspflichtig sein.

[…]

Ein Grundstück ist Bestandteil des Bebauungszusammenhangs im Sinn von § 34 BauGB, wenn die tatsächlich vorhandene Bebauung trotz bestehender Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zu beurteilende Fläche diesem Zusammenhang angehört. Maßgeblich ist die tatsächlich vorhandene Bebauung, die Gründe für deren Genehmigung sind unerheblich. Jedoch ist „Bebauung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht jede beliebige bauliche Anlage. Unter den Begriff der Bebauung, die einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bilden und damit auch einen Bebauungszusammenhang am Ortsrand fortsetzen kann, fallen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen […]. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, sind dagegen unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlichen Zwecken (z. B. Scheunen, Ställe oder Maschinenhallen), Freizeitzwecken (z.B. kleine Wochenendhäuser, Gartenhäuser) oder sonstigen Zwecken dienen, in aller Regel keine Bauten, die einen Bebauungszusammenhang vermitteln können […]. Soweit in der Rechtsprechung von diesem Grundsatz Ausnahmen zugelassen wurden, handelt es sich um Gebäude, die zumindest vorübergehend dem Aufenthalt von Menschen dienen und darüber hinaus weitere Besonderheiten aufweisen […].

Von diesen Grundsätzen ausgehend dürfte das Grundstück FlNr. 243/2 bereits dem Außenbereich zuzuordnen sein. Es ist zwar […] zur Straße hin bebaut, gleichwohl aber insgesamt geprägt durch die landwirtschaftliche, dem Außenbereich zuzuordnende Nutzung. Die darauf befindliche – privilegiert errichtete (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) – Maschinenhalle ist eine Nebenanlage des landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers und dient nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen im oben dargelegten Sinn. Diese bauliche Anlage ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts deshalb – bei summarischer Prüfung – nicht geeignet, den Bebauungszusammenhang zu dem […] angrenzenden […] bebauten Grundstück […] fortzuführen. Anhaltspunkte für die Annahme eines Ausnahmefalls sind von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden und sind auch sonst nicht ersichtlich. Mit einer Breite von ca. 45 m und einer Tiefe von bis zu ca. 150 m ist das Grundstück FlNr. 243/2 so groß, dass man auch nicht von einer den Bebauungszusammenhang nicht unterbrechenden „Baulücke“ ausgehen kann. […]

Erschließungsbeitragsrechtlich hat eine Außenbereichslage zur Folge, dass das Grundstück FlNr. 243/2 aus dem Kreis der nach § 131 Abs. 1 Satz 1, § 133 Abs. 1 BauGB erschlossenen und damit beitragspflichtigen Grundstücke vollständig herausfällt (und die übrigen erschlossenen Grundstücke entsprechend höher zu belasten sind). Denn zum einen sind Grundstücke im Außenbereich kein Bauland im Sinn von § 133 Abs. 1 BauGB und deshalb selbst dann nicht erschließungsbeitragspflichtig, wenn sie tatsächlich und rechtmäßig bebaut sind. Zum anderen grenzt das Grundstück nicht an eine beitragsfähige Erschließungsanlage, weil die [abgerechnete] Straße […] auf seiner Höhe nicht mehr diese Eigenschaft aufweist; denn ein Straßenzug verliert seine Bestimmung zum Anbau im Sinn von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB und damit zugleich seine Eigenschaft als Erschließungsanlage dort, wo er beidseitig endgültig in den Außenbereich oder einen durch planerische Festsetzungen der Bebauung entzogenen Bereich übergeht […].“


Ein teilweise im Innenbereich belegenes Grundstück ist hingegen grundsätzlich erschlossen.

„Das (Nachbar-)Grundstück FlNr. 243, das insgesamt 5.851 m² groß und im nördlichen Teil [zur abzurechnenden Anlage] hin mit einem Wohnhaus bebaut ist, gehört zwar teilweise noch dem unbeplanten Innenbereich an und unterliegt deshalb grundsätzlich der Erschließungsbeitragspflicht. Allerdings hat die Antragsgegnerin die dem Innenbereich zuzurechnende Fläche mit 3.240 m² wohl deutlich zu groß bemessen und deshalb bei Anwendung des kombinierten Grundstücksflächen- und Geschossflächenmaßstabs […] einen zu hohen Beitrag angesetzt.

Aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen wird das Grundstück FlNr. 243 von der abgerechneten Straße im Sinn des § 131 Abs. 1, § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen und zählt deshalb – der Fläche nach teilweise – zum Abrechnungsgebiet. Dieses Grundstück schließt sich unmittelbar […] an die im Zusammenhang bebauten Grundstücke des Ortsteils an. Es ist mit einem Wohnhaus sowie Nebengebäuden bebaut und setzt damit den Bebauungszusammenhang fort. Im Süden geht es allerdings – unstreitig – in den Außenbereich über.“


Ein angemessener Hausgarten gehört erschließungsbeitragsrechtlich zu den dem Innenbereich zuzuordnenden Flächen.

„Für die auch insoweit gebotene Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen kommt es wiederum maßgeblich darauf an, wie weit sich das Grundstück noch in einem Bebauungszusammenhang befindet, der einem Ortsteil angehört. Das hängt allein von den tatsächlichen Gegebenheiten ab. Aus der Sicht des Erschließungsbeitragsrechts steht dabei weniger der Grundsatz im Vordergrund, dass der Bebauungszusammenhang in der Regel am letzten Baukörper der Ortslage endet. Entscheidend ist vielmehr, dass die typische wohnakzessorische Nutzung bebauter Grundstücke, insbesondere ein angemessener Hausgarten, regelmäßig noch ganz oder teilweise zum Innenbereich gehört […]. Daraus folgt für den Fall eines in den Außenbereich übergehenden Grundstücks: Das Erschlossensein endet nicht unmittelbar an der in Richtung Außenbereich zeigenden Hauswand; es umfasst vielmehr auch den angrenzenden Hausgarten mit seiner ortsüblichen Ausdehnung, und zwar sowohl in der Breite, als auch in der Tiefe. Die Grenzziehung kann im Einzelfall aufwändige Ermittlungen erfordern und bewegt sich naturgemäß innerhalb einer gewissen Bandbreite […]. Um zu beurteilen, ob ein Grundstück innerhalb des Bebauungszusammenhangs liegt, bedarf es einer „echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts“ durch den Tatrichter […]. Eine derartige Bewertung des konkreten Einzelfalls ist in einem auf summarische Prüfung angelegten Eilverfahren grundsätzlich nur nach Aktenlage möglich.“


Abgrenzung in jedem Einzelfall individuell notwendig

„Gemessen an diesem Maßstab sprechen gute Gründe dafür, dass das insgesamt 5.851 m² große, vom unbeplanten Innenbereich in den Außenbereich übergehende Grundstück FlNr. 243 lediglich im Umgriff seiner mit dem Wohnhaus bebauten Flächen einschließlich eines wohnakzessorischen typischen Hausgartens nach Süden hin noch dem Innenbereich zugeordnet werden kann […]. Das dürfte […] eine deutlich kleinere Fläche umfassen als von der Antragsgegnerin bei ihrer Beitragsberechnung zugrunde gelegt wurde. Denn die im südlichen Grundstücksteil vorhandene Wagenremise vermag einen Bebauungszusammenhang nicht herzustellen. Bei ihr handelt es sich um eine untergeordnete bauliche Nebenanlage, die nicht für den ständigen Aufenthalt von Menschen bestimmt ist; damit ist sie nicht geeignet, die Ausdehnung des Innenbereiches bis dorthin zu rechtfertigen. Auch die in den Akten befindlichen Luftbilder und Pläne sprechen deutlich für die Auffassung, dass lediglich eine wesentlich kleinere Fläche des Grundstücks FlNr. 243 als wohnakzessorisch typischer Hausgarten dem Innenbereich zuzuordnen ist.“


Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten höchstrichterlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zum (Nicht-)Erschlossensein von Außenbereichsgrundstücken in der Rdnr. 870.


Unsere Tipps für die Praxis:

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