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25.08.2022

Straßenausbaubeitrag: Erstattungsantrag gegenüber Freistaat Bayern, Veranschlagung von Straßenbauarbeiten im Verwaltungshaushalt

Der Fall:

Die Gemeinde (Klägerin) begehrt vom Beklagten (Freistaat Bayern) die Erstattung von entgangenen Straßenausbaubeiträgen gemäß Art. 19 Abs. 9 KAG  für den Ausbau der T.- Straße zwischen der Einmündung P.-straße und dem Eintritt der Straße in den Außenbereich (Sanierung des Mischwasserkanals). Der entsprechende, bei der Regierung eingegangene Erstattungsantrag der ihren Haushalt nach den Grundsätzen der Kameralistik aufstellenden Gemeinde wurde mit Bescheid der Regierung abgelehnt. Zur Begründung wurde dargelegt, dass die Voraussetzung nach Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG nicht erfüllt sei. Im Haushalt der Gemeinde sei die Maßnahme entgegen dieser Voraussetzung nicht im Vermögenshaushalt veranschlagt worden, sondern im Verwaltungshaushalt. Bei allen Voraussetzungen nach Art. 19 Abs. 9 Satz 3 KAG handele es sich um Tatbestandsmerkmale, die neben der grundsätzlichen Beitragsfähigkeit der Maßnahme im Sinn von Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG erfüllt sein müssten. Deshalb gehe ein Hinweis auf tatsächlich entgangene Beiträge fehl.

Eine hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Augsburg abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, die inzwischen eingelegt wurde.

Die gerichtliche Entscheidung

1. Auf Erstattungsleistungen haben die Gemeinden einen Rechtsanspruch

Nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der Fassung der

Bekanntmachung vom 4. April 1993, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Februar 2021 (GVBl S. 40), erstattet der Freistaat Bayern den Gemeinden auf Antrag diejenigen Beträge, die ihnen unmittelbar dadurch entgehen, dass sie infolge der Änderungen des Kommunalabgabengesetzes zum 1. Januar 2018 Beiträge für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen nicht mehr erheben können. Dabei handelt es sich dem Grunde und der Höhe nach um einen Rechtsanspruch der betroffenen Gemeinden (so auch Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Oktober 2021, Rn. 2207).

2. Voraussetzungen des Erstattungsanpruchs

Die Erstattung kann gemäß Art. 19 Abs. 9 Satz 2 KAG frühestens ab dem 1. Januar 2019 und nach Abschluss des Jahres beantragt werden, in dem die sachlichen Beitragspflichten nach dem Kommunalabgabengesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung und der gemeindlichen Beitragssatzung entstanden wären. Der Erstattungsanspruch setzt weiter voraus, dass die Gemeinde spätestens bis zum 11. April 2018 eine Satzung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 oder Art. 5b Abs. 1 KAG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung erlassen hatte (Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 KAG), für die demnach beitragsfähige Maßnahme in einem der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 Abs. 2 GO spätestens am 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen veranschlagt hatte (Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG), spätestens bis zum 11. April 2018 das Vergabeverfahren für die erste Bauleistung eingeleitet oder mit eigenem Personal mit der technischen Herstellung begonnen hatte (Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 3 KAG) und den Antrag auf Erstattung spätestens am 30. April 2028 gestellt hat (Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 4 KAG), es sei denn, die sachlichen Beitragspflichten sind bzw. wären am 11. April 2018 deshalb nicht entstanden, weil die Gemeinde als Straßenbaubehörde eine hierfür erforderliche straßenrechtliche Widmung nicht innerhalb eines Jahres nach ordnungsgemäßer Herstellung der Straße vorgenommen hat (Art. 19 Abs. 9 Satz 4 KAG). In der Höhe ist der Erstattungsanspruch nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 9 Satz 5 KAG auf den Betrag beschränkt, der sich bei Ausführung der Maßnahme gemäß dem am 11. April 2018 bestehenden Bauprogramm ergeben hätte (s. hierzu allgemein Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 2204 ff. m.w.N.). Die Einzelheiten in Bezug auf Antragstellung, Aufteilung der für die Erstattungsleistungen zur Verfügung stehende Haushaltsmittel, Auszahlung und Fälligkeit der Erstattungsleistungen nach Maßgabe der im Staatshaushalt bereitgestellten Mittel sowie die Zuständigkeit sind – fußend auf der in Art. 19 Abs. 9 Satz 9 KAG enthaltenen Verordnungsermächtigung – in der am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Straßenausbaubeitrags-Erstattungsverordnung (SABErstV) vom 15. Oktober 2018 (GVBl S. 787) geregelt (s. hierzu Bayerle, KommP BY 2018, 418; Rottenwallner, KStZ 2019, 21/43 ff.).

3. Veranschlagung der voraussichtlichen Ausgaben sind im Vermögenshaushalt vorzunehmen

Im vorliegenden Fall scheitert der geltend gemachte Erstattungsanspruch unabhängig davon, ob es sich um eine Maßnahme gehandelt hat, die gemessen an der in Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 KAG genannten Straßenausbaubeitragssatzung – hier der Satzung der Klägerin über die Erhebung von einmaligen Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen und Parkplätzen vom 25. Januar 2018 (ABS) – beitragsfähig gewesen wäre, daran, dass für die Ausbaumaßnahme im Bereich der T.- Straße keine Ausgaben im Vermögenshaushalt eines der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 Abs. 2 GO bis 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplans veranschlagt wurden.

Nach den Erläuterungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration zum Vollzug des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) im Schreiben vom 10. Dezember 2018 (Gz. B4-1523-4-81 – im Folgenden: Vollzugshinweise) betrifft die Veranschlagung im Vermögenshaushalt die Buchführung nach den Grundsätzen der Kameralistik, die Veranschlagung von Ausgaben aus Investitionstätigkeit die Haushaltsführung auf der Grundlage der doppelten kommunalen Buchführung (vgl. auch Art. 64 Abs. 2 Satz 1 GO). Bei beiden Buchführungsvarianten kommt es nach den oben genannten Vollzugshinweisen, die über die entsprechend ausgeübte Verwaltungspraxis und den in Art. 3 Abs. 1 GG bzw. Art. 118 Abs. 1 BV verankerten Gleichheitssatz Außenrechtswirkung erlangen können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 17.1.1996 – 11 C 5.95 – NJW 1996, 1766; OVG NW, U.v. 25.11.1996 – 25 A 1950/96 – NVwZ-RR 1997, 585; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 40 Rn. 57 ff.) nicht darauf an, ob die jeweilige Haushaltssatzung und der darin festgesetzte Haushaltsplan als rechtswirksam anzusehen ist. Unmaßgeblich ist auch, ob im Haushaltsplan ein mit der Veranschlagung der Ausgaben korrespondierender Ansatz von Beitragseinnahmen vorgenommen wurde (s.Vollzugshinweise S. 23 erster Absatz).

Die verlangte Veranschlagung von Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen muss in irgendeinem bis 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan enthalten gewesen sein. Deren Ansatz kann also auch in einem die Jahre vor 2018 betreffenden Haushaltsplan erfolgt sein. Maßnahmen, für welche die Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen zum ersten Mal in einem nach dem 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan veranschlagt sind – wobei dies in der Praxis in erster Linie einzelne Haushalte für das Haushaltsjahr 2018 betreffen dürfte – werden im Rahmen der Erstattung nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG hingegen nicht berücksichtigt. Darüber hinaus wird es in einem solchen Fall auch an der weiteren Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 3 KAG fehlen, da nicht ersichtlich ist, wie ohne jegliche Veranschlagung in einem Haushaltsplan ein Vergabeverfahren für die erste Bauleistung eingeleitet oder mit eigenem Personal mit der technischen Herstellung begonnen werden könnte (vgl. Art. 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 GO). Vom Haushaltsplan im Sinn von Art. 64 GO als dem wesentlichen Inhalt der Haushaltssatzung (Art. 63 Abs. 2 Satz 1 GO) zu unterscheiden ist die in Art. 70 GO geregelte mittelfristige Finanzplanung. Der dort vorgesehene fünfjährige Finanzplan und das Investitionsprogramm sind kein Haushaltsplan. Durch eine Veranschlagung allein im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung (Finanzplan, Investitionsprogramm) wird die Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG nicht erfüllt. Um das Vorliegen der dort geregelten Erstattungsvoraussetzungen bejahen zu können ist es allerdings nicht notwendig, dass die Ausgaben für die Straßenbaumaßnahme in dem bis spätestens 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan bereits in voller Höhe veranschlagt waren. Es genügt vielmehr, dass in einem solchen Haushaltsplan ein Teilbetrag der Aufwendungen enthalten war. Hat eine Gemeinde beispielsweise die Aufwendungen für eine Straßenbaumaßnahme teilweise im (rechtzeitig vorgelegten) Haushaltsplan für 2018 veranschlagt und den Restbetrag im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung im Finanzplan für 2019 und 2020 berücksichtigt, dann ist die Erstattungsbehörde gehalten anzunehmen, dass die Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG vorliegt (vgl. zum Ganzen: Vollzugshinweise S. 23). Zu einer Möglichkeit, dass ausnahmsweise auch die Veranschlagung der Ausgaben im Verwaltungshaushalt genügen soll – so etwa, wenn Straßenunterhaltungsmaßnahmen erst im Nachhinein als beitragsfähige Maßnahmen erkannt werden oder im Laufe der Bauausführung in den Umfang einer beitragsrechtlich relevanten Maßnahme „hineinwachsen“ – verhalten sich die Vollzugshinweise nicht. Es ist auch weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass die bayerischen Erstattungsbehörden eine entsprechende, vom Gesetzeswortlaut abweichende Praxis beim Vollzug des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 KAG pflegen.

Gemessen an dem Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen und den hierzu bekanntgemachten Vollzugshinweisen sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen von Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG nicht erfüllt, da die Klägerin die für die Straßenbaumaßnahme erforderlichen Ausgaben nicht in einem Vermögenshaushalt eines Haushaltsplans der Jahre 2016 bis 2018 veranschlagt hat, der der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 Abs. 2 GO spätestens am 11. April 2018 vorgelegt worden ist. Auf der Grundlage des insoweit eindeutigen Wortlauts der Norm genügt die vorgenommene allgemeine Veranschlagung von Kosten für die Sanierung der Mischwasserkanäle T. (Haushaltsstelle 5152 im Unterabschnitt 7000 – Ortskanalisation; Bl. 80 der Behördenakte) in Höhe von 230.000 EUR im Verwaltungshaushalt des nach den Angaben der Klägerin im Herbst 2015 aufgestellten Haushaltsplans für das Jahr 2016 nicht, auch wenn dieser Haushaltsansatz die entstandenen Kosten in Höhe von 35.199,66 EUR für die Sanierung des Mischwasserkanals im Bereich Einmündung P.-straße bis zum Übergang in den Außenbereich (Anteil Straßenentwässerung 8.799,92 EUR; Gemeindeanteil nach Berechnung der Klägerin 3.519,97 EUR) umfasst hat.

4. Eine am Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG orientierte Auslegung der Vorschrift (Erstattung der Beiträge, die den Gemeinden durch Abschaffung der Beiträge verloren gehen), kommt nicht zum Tragen.

Die von der Klägerin als rechtlich möglich erachtete und zu dem von ihr vertretenen Ergebnis kommende, sich auf den Sinn und Zweck der Regelung beziehende bzw. an den in der Gesetzesbegründung hierzu vermeintlich zum Ausdruck kommenden Vorstellungen des Gesetzgebers orientierte Auslegung ist im vorliegenden Fall weder methodologisch statthaft noch rechtlich tragfähig und lässt den von Klägerseite gezogenen Schluss nicht zu. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (so bereits BVerfG, U.v. 21.5.1952 – 2 BvH 2/52 – BVerfGE 1, 299/312; B.v. 17.5.1960 – 2 BvL 11/59 – BVerfGE 11, 126/131). Dem Ziel, diesen zu ermitteln, dienen die vom Wortlaut der Norm ausgehende grammatikalische Auslegung, die den normativen Zusammenhang in den Blick nehmende systematische Auslegung, die am Zweck ausgerichtete teleologische Auslegung und die sich mit der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien befassende historische Auslegung (s. hierzu z.B. Leibholz/Rink, GG, Stand Februar 2022, Einführung Rn. 8 ff.). Die Auslegung findet jedoch ihre Grenze dort, wo sie mit dem eindeutigen Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfGE 148, 69/130 f. m.w.N.). Diesen Grundsätzen folgend kommt eine Auslegung von Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG, die abweichend vom eindeutigen Wortlaut, der für das Bestehen eines Erstattungsanspruchs verlangt, dass „die Gemeinde für die demnach beitragsfähige Maßnahme in einem der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 Abs. 2 GO spätestens am 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen veranschlagt hatte“, eine Veranschlagung der durch die Ausbaumaßnahme bedingten Ausgaben im Verwaltungshaushalt ausreichen lassen würde, rechtlich nicht in Betracht. Es sind auch mit Blick auf die Gesetzesmaterialien keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich um ein Redaktionsversehen gehandelt haben könnte (a.A. Rottenwallner, a.a.O., S. 45, der den Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ für anwendbar hält).

Die von Klägerseite zur Stützung ihres Anspruchs vorgenommene am Sinn und Zweck der Regelung des Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG orientierte Auslegung kann im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommen, da hier der – eindeutige – Wortlaut die Grenze jeder Auslegung darstellt. Gestützt wird das Abstellen auf den Wortlaut der gesetzlichen Regelung, die von einer Veranschlagung der Ausgaben im „Vermögenshaushalt“spricht, durch den in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen, dass „ein Erstattungsanspruch von Beiträgen nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG nur dann besteht, wenn die Gemeinde die in Satz 3 genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt“ (LT-Drs. 17/21586 S. 11). Der Gesetzesbegründung ist auch zu entnehmen, dass eine finanzielle Erstattung durch den Freistaat Bayern gegenüber den Gemeinden nur in den vom Gesetzgeber ausdrücklich normierten Fällen erfolgt und dabei auch nur unter den im Gesetz genannten formellen und materiellen Voraussetzungen. Der Gesetzgeber hat darüber hinaus in der Begründung zum Ausdruck gebracht, dass eine über diese Fälle hinausgehende Erstattung von Beiträgen, Vorauszahlungen und Kosten nicht in Betracht kommt (a.a.O., S. 10). Nach dem gesetzgeberischen Willen sollte mit der Schaffung von Erstattungsmöglichkeiten nicht nur ein bloßer Schuldnerwechsel dergestalt verbunden sein, dass an die Stelle der Beitragspflichtigen nunmehr der Freistaat Bayern tritt und die nicht mehr realisierbaren Beitragsansprüche an deren Stelle erfüllt, sondern der Gesetzgeber hat die staatlichen Erstattungsleistungen an gesetzlich eigenständig geregelte Voraussetzungen gebunden. Durch das Verknüpfen des Erstattungsanspruchs mit der haushaltrechtlichen Kategorie des Vermögenshaushalts wird zum Ausdruck gebracht, dass nur in diesem Haushaltsteil enthaltene Investitionsmaßnahmen, nicht aber bloße Unterhaltungsmaßnahmen, die im Verwaltungshaushalt veranschlagt werden, zu Erstattungsleistungen des Staates führen sollen. Dass damit Erstattungszahlungen für Projekte, die haushaltsrechtlich als Unterhaltungs- bzw. Reparaturmaßnahmen geplant waren, aber im Laufe der bautechnischen Umsetzung aufgrund von Weiterungen die Gestalt einer beitragsfähigen Maßnahme annehmen und bei denen dann von der Aufstellung eines die ursprüngliche Zuordnung korrigierenden Nachtragshaushalts – aus welchen Gründen auch immer – abgesehen wird, ausscheiden, stellt keine im Wege der Rechtsfortbildung richterrechtlich korrigierbare ungewollte Regelungslücke oder ein Redaktionsversehen dar, sondern ist vom objektiv erklärten Willen des Gesetzgebers gedeckt. Hätte der Gesetzgeber die Erstattung auch von lediglich im Verwaltungshaushalt veranschlagten Maßnahmen, die sich später aber als beitragsfähig herausstellen, gewollt, hätte er dies entsprechend im Wortlaut der Anspruchsnorm zum Ausdruck bringen müssen. Damit handelt es sich bei diesem Tatbestandsmerkmal um eine beabsichtigte Eingrenzung der Erstattungsleistungen auf Investitionsmaßnahmen, die auch im damit korrespondierenden Teil des Haushalts veranschlagt wurden und bei denen die Gemeinde dadurch den langfristigen investiven Zweck zum Ausdruck gebracht hat (vgl. hierzu in Bezug auf Tiefbauarbeiten Anlage 4 Nr. 2.4 der Allgemeinen Zuordnungsvorschriften zum Gruppierungsplan der Vorschriften über die kommunale Haushaltssystematik nach den Grundsätzen der Kameralistik – VVKommHSyst-Kameralistik, Bek. des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 24.8.2016 – AllMBl S. 1952, zuletzt geändert durch Bek. v. 20.5.2019 – BayMBl Nr. 206). Die Veranschlagung der Ausgaben im Vermögenshaushalt stellt folglich eine unverzichtbare Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen eines Erstattungsanspruchs dar, die durch einen Ansatz von Ausgaben im Verwaltungshaushalt nicht ersetzt werden kann. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Erstattungsbeträgen unter Verzicht auf die rechtlich erforderliche haushaltsrechtliche Radizierung letztlich nur aus dem Grund, weil der Gemeinde Straßenausbaubeiträge entgangen sind, ist mit den gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar und kommt daher nicht in Betracht.

5. Eine spätere Einstufung als beitragspflichtige Maßnahme lässt Erfordernis der Einstufung in den Vermögenshaushalt nicht entfallen.

Dadurch, dass die Klägerin Kosten für Mischwasserkanäle in Höhe von 230.000 EUR im Verwaltungshaushalt des Haushaltsplans für das Jahr 2016 veranschlagt hat und zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung davon ausgegangen ist, dass das Projekt überwiegend eine Reparaturmaßnahme darstelle und deshalb die Veranschlagung der Ausgaben im Verwaltungshaushalt zu erfolgen habe, wird kein Erstattungsanspruch begründet. Dies gilt auch für den Fall, dass die Gemeinde nach der Veranschlagung im Verwaltungshaushalt bei nochmaliger – beitragsrechtlicher – Prüfung zu dem Schluss gelangt, dass die Maßnahme oder ein Teil der Maßnahme als beitragspflichtige Maßnahme einzustufen ist, für die nach der vorliegenden Straßenausbaubeitragssatzung Beiträge von den Grundstückseigentümern zu erheben sind. Dabei spielt es weder eine Rolle, dass bei der Qualifizierung einer Maßnahme als beitragsfähig oder nicht und der sich daraus ergebenden haushaltsrechtlichen Verortung auch Fragen der gebührenrechtlichen Refinanzierung Bedeutung besitzen können, noch dass im Straßenausbaubeitragsrecht eine von der Veranschlagung der Kosten im Haushalt unabhängige Erhebungspflicht bestand und sich der Beitragspflichtige im Streitfall nicht auf eine fehlerhafte Zuordnung der Kosten einer Baumaßnahme im gemeindlichen Haushalt berufen konnte. In gleicher Weise irrelevant ist die Anwendbarkeit von haushaltsrechtlichen Ausnahmebestimmungen. Auf die Frage der möglichen Anwendbarkeit der Regelungen zur Zulässigkeit von Planabweichungen gemäß Art. 66 GO oder das Vorliegen von nicht erheblichen und unabweisbaren Ausgaben im Sinn von Art. 68 Abs. 3 Nr. 1 GO kommt es hier nicht an, da es nicht auf ein haushaltsrechtlich rechtmäßiges Handeln der Gemeinde als solches ankommt, sondern auf die gesetzlich verlangte Veranschlagung der Ausgaben im Vermögenshaushalt.

6. Erlass einer Nachtragshaushaltssatzung erforderlich

Nach Art. 68 Abs. 2 Nr. 3 GO hat die Gemeinde unverzüglich eine Nachtragshaushaltssatzung zu erlassen, wenn Auszahlungen des Finanzhaushalts bzw. Ausgaben des Vermögenshaushalts für bisher nicht veranschlagte Investitionen oder Investitionsförderungsmaßnahmen geleistet werden sollen. Diese Regelung ermöglicht es, bislang nicht im Vermögenshaushalt veranschlagte Investitionskosten im Rahmen eines Nachtragshaushalts zu erfassen und in den Vermögenshaushalt aufzunehmen. Im Vorfeld der Sitzung des Bauausschusses vom 21. April 2016 hat die Klägerin festgestellt, dass ein Teil der Sanierungsmaßnahme (240 m von insgesamt 311 m) beitragspflichtig ist. Damit lag ein Sachverhalt vor, der unter haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten Anlass gab, die Veranschlag der beitragsfähigen Maßnahme im Verwaltungshaushalt zu hinterfragen und die Zuordnung der Ausgaben durch die Aufnahme in den Vermögenshaushalt im Wege des Erlasses eines Nachtragshaushalts zu korrigieren. Die Klägerin hat hier aber zum einen davon abgesehen, aufgrund der geänderten Einstufung der Maßnahme einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2016 zu erlassen und die Ausgaben im Vermögenshaushalt zu veranschlagen, sowie zum anderen den Haushaltsansatz bei Aufstellung der Haushaltssatzung 2017 zu korrigieren, obwohl absehbar war, dass noch Haushaltsmittel in einer zu erwartenden Höhe von rund 100.000 EUR für die Sanierung und den Ausbau benötigt werden. Eine Veranschlagung der Ausgaben im Vermögenshaushalt war damit möglich und mit Blick auf den Grundsatz der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit auch in der Sache geboten. Dass die Klägerin in den maßgeblichen Jahren 2016 und 2017 haushaltsrechtlich davon ausgegangen ist, dass grundsätzlich zusätzliche Ausgaben von mindestens 1% des gesamten Haushalts vorliegen müssen, um einen Nachtragshauhalt zu rechtfertigen und der Erlass eines Nachtragshaushalts deswegen nicht veranlasst war, liegt in ihrem Risikobereich. Rechtlich war ein Nachtragshaushalt jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Ob eine Kommune die in Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG normierte Anspruchsvoraussetzung auch dadurch erfüllen kann, dass sie im Rechenschaftsbericht zum Jahresabschluss (Art. 102 Abs. 1 Satz 4 GO) ihre Handlungsweise erläutert und zum Ausdruck bringt, dass die Beitragsfähigkeit der Maßnahme – wegen einer zunächst fehlerhaften rechtlichen Bewertung bzw. wegen eines unerwartet erhöhten Bauumfangs – erst nachträglich zutreffend festgestellt werden konnte und sich der Ansatz der Ausgaben im Verwaltungshaushalt deshalb als unzutreffend herausgestellt hat (s. hierzu Rottenwallner a.a.O.), erscheint wegen der insoweit eindeutig formulierten gesetzlichen Vorgaben zweifelhaft, kann aber dahinstehen, da dies im vorliegenden Fall weder vorgetragen wurde, noch das Vorhandensein einer derartigen Erläuterung in einem Rechenschaftsbericht aus den Akten ersichtlich ist. Bestehende Spielräume und unscharfe rechtliche Vorgaben bei der haushaltsrechtlichen Zuordnung von möglicherweise beitragsfähigen Maßnahmen sowie die für Beitragserhebung nach alter Rechtslage gegebene Bedeutungslosigkeit der haushaltsrechtlichen Kostenveranschlagung rechtfertigen es nicht, abweichend vom Wortlaut des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG einen Erstattungsanspruch zuzusprechen, auch wenn die Ausgaben nicht – wie verlangt – im Vermögenshaushalt veranschlagt wurden.

Im Ergebnis lässt der eindeutige Gesetzeswortlaut eine Interpretation des Inhalts von Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG im Sinn der Klägerin nicht zu. Da mangels Veranschlagung der Ausgaben für die Sanierung des Mischwasserkanals in der T.- Straße im Vermögenshaushalt die gesetzlich normierten Tatbestandsvoraussetzungen für die Bewilligung eines Erstattungsanspruchs im Sinn von Art. 19 Abs. 9 Nr. 2 KAG nicht vorliegen, konnte die Klage keinen Erfolg haben.

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen sowie einschlägige Rechtsprechung unter Rdnr. 2205


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