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02.04.2024

Erschlossensein nach § 131 Abs. 1 BauGB – Der Streitfall Hausgarten

Nach § 131 Abs. 1 BauGB kann der beitragsfähige Aufwand nur auf erschlossene Grundstücke verteilt werden. Erschlossen ist ein Grundstück dabei nur dann, wenn es bebaubar ist, d.h. im Gebiet eines Bebauungsplans oder im Innenbereich nach § 34 BauGB liegt. Aus diesem Grund muss im Beitragsrecht – genauso wie im Baurecht – die Grenze zwischen Außen- und Innenbereich gezogen werden. Aber wo genau beginnt der Außenbereich nach § 35 BauGB? Und wie ist das mit dem Hausgarten?

Der Fall:

Der Kläger ist Eigentümer zweier Grundstücke: ein Grundstück mit einem Wohnhaus (1.500 m²) und ein angrenzendes Grundstück (1.000 m²), das er als Garten nutzt. Die Gemeinde stellt die Erschließungsstraße her, an dem das Wohngrundstück liegt und erhebt einen Erschließungsbeitrag. Der Kläger geht dagegen vor und trägt vor: Die Gemeinde könne nicht die ganze Fläche für beide Grundstücke der Berechnung des Beitrags zugrunde legen, denn Teile seiner Grundstücke liegen im Außenbereich.

Die gerichtliche Entscheidung:

Das Oberverwaltungsgericht gab dem Kläger vorliegend recht.

Bahnlinie kann hier den Bebauungszusammenhang nicht herstellen.

Die Gemeinde argumentierte unter anderem damit, dass eine einspurige Bahnlinie bzw. die dazugehörige Böschung den Außenbereich vom Innenbereich abgrenze. Hierzu führte das OVG aus:

„Nach ständiger Rechtsprechung endet der Bebauungszusammenhang regelmäßig am letzten Baukörper […]. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen […]. Maßgeblich ist dabei, ob diese besonderen topografischen oder geografischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln […]. Denn bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt. Ebenso wie ein Bebauungszusammenhang nicht unmittelbar mit dem letzten Baukörper zu enden braucht, verbietet sich aber umgekehrt die Annahme, dass notwendigerweise das letzte Grundstück in seinem gesamten Umfang vom Zusammenhang erfasst wird. Bei der hierbei maßgeblichen Bewertung des konkreten Sachverhalts ist vielmehr zu fragen, ob sich tragfähige Argumente dafür finden lassen, mit denen sich die Anwendbarkeit der Vorschriften über den unbeplanten Innenbereich rechtfertigen lässt, das heißt, ob die besonderen topografischen oder geographischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. der Zugehörigkeit der Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln. Fehlt es hieran, so liegt – deshalb – Außenbereich vor […].

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist […] davon auszugehen, dass weder die Böschung […] hinunter zur Bahnstrecke noch diese selbst geeignet sind, den Eindruck der Geschlossenheit und der Zugehörigkeit der Fläche der [streitgegenständlichen Grundstücke] zum Bebauungszusammenhang zu erzeugen, weil ihnen die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorausgesetzte maßstabsbildende Kraft fehlt.

Bei Böschungen handelt es sich zum einen – wie bei Baumreihen oder Hecken – grundsätzlich um typische Bestandteile der freien Landschaft. Gewichtige besondere Umstände, weshalb die hier zu betrachtende Böschung ausnahmsweise die Zuordnung des streitgegenständlichen Grundstücks zum Innenbereich rechtfertigen könnte, sind […] nicht zu erkennen. Bei der Abgrenzung zum Außenbereich sind nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse zu berücksichtigen […]. Hier wird die Böschungskante aber verdeckt durch dichten Bewuchs am westlichen Grundstücksstreifen, so dass sie optisch schon keine markante Trennlinie darstellt. Im Auge des Betrachters entsteht bereits aus diesem Grund nicht der für die Annahme eines Bebauungszusammenhangs erforderliche Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit des streitgegenständlichen Grundstücks zu der im Osten und Süden befindlichen Bebauung. Dieser Befund wird zudem durch die freie Sicht vom [klägerischen] Grundstück […] nach Süden, Westen und Norden verstärkt. Diese vermittelt dem Betrachter den Eindruck, dass das Grundstück der freien Landschaft und nicht dem im Zusammenhang bebauten Bereich zuzurechnen ist.

Eine einbeziehende Wirkung bzw. eine städtebaulich relevante Zäsur der Bahnlinie scheidet [..] aus, weil diese nicht unerheblich tiefer als das streitgegenständliche Grundstück liegt und es sich nur um eine einspurige Bahnlinie ohne Lärmschutzwall oder -wand handelt. […] Entgegen der Auffassung der [Gemeinde] ist es nicht entscheidend, um wieviel Meter tiefer genau die Bahnlinie und die sich daran anschließenden westlichen Freiflächen im Vergleich zum streitgegenständlichen Grundstück […] tatsächlich liegen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Bahnlinie aufgrund des Höhenunterschieds zur westlichen Grenze dieses Grundstücks (nach Angaben der [Gemeinde] 3-5 m) vom Innenbereich aus betrachtet nicht wahrgenommen werden kann und schon deshalb nicht geeignet ist, einen Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit der Fläche des streitgegenständlichen Grundstücks zum Bebauungszusammenhang zu vermitteln.

Die[se] Einschätzung […] wird zusätzlich dadurch untermauert, dass das Landratsamt die Satzung der [Gemeinde] […] zur Einbeziehung der auf den südlich an das Nachbargrundstück […] angrenzenden Grundstücken […] bestehenden Außenbereichsflächen in den im Zusammenhang bebauten Ortsteil […] mit der Begründung beanstandet hatte, die einbezogenen Bereiche würden durch die lediglich im Osten vorhandene Bebauung sachlich und räumlich nicht – wie bei Einbeziehungssatzungen gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB verlangt – geprägt und die Bahnlinie könne auch nicht als besondere topografische Abgrenzung zum Außenbereich gewertet werden. […]“

Der Hausgarten gehört zum Innenbereich

Ein weiteres Argument der Gemeinde war, dass die Freiflächen der beiden Grundstücke ja als Hausgarten genutzt werden und somit dem Innenbereich zuzurechnen seien. Dass der Hausgarten als Innenbereich i.S.d. § 34 BauGB zu werten sei, sei zutreffend, so das Oberverwaltungsgericht, aber im vorliegenden Fall seien nur Teilflächen der Grundstücke als Hausgarten zu werten.

Es sei zwar richtig, dass die Erschließungswirkung der abgerechneten Anlage nicht streng an der westlichen Hauskante des klägerischen Wohngebäudes ende; vielmehr sei davon auszugehen, „dass aus erschließungsbeitragsrechtlicher Sicht für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der bevorteilten von den nicht mehr bevorteilten Flächen eine Einbeziehung von Flächen in das Abrechnungsgebiet gerechtfertigt ist, die im Hinblick auf die dortige typische wohnakzessorische Nutzung noch dem Innenbereich zugeordnet werden können. Hierzu zählt insbesondere ein angemessener Hausgarten bebauter Grundstücke in Ortsrandlage […].

Die Grenzziehung der ortsüblichen Ausdehnung eines Hausgartens kann im Einzelfall aufwändige Ermittlungen erfordern und bewegt sich naturgemäß innerhalb einer gewissen Bandbreite […]. Entgegen der Auffassung der [Gemeinde] kommt es allerdings nicht darauf an, inwieweit der Kläger das streitgegenständliche Grundstück tatsächlich als Garten nutzt. Eine solche tatsächliche Nutzung allein ändert nichts daran, dass das Grundstück im bauplanungsrechtlichen Außenbereich liegt und daher grundsätzlich keiner Erschließungsbeitragspflicht unterliegt.“

Bei der Festsetzung der Tiefe der wohnakzessorischen Gartennutzung habe man sich am Maß der Hausgärten bei den im Süden durch Bebauungsplan überplanten Grundstücken orientieren können, die dort eine typische Tiefe von 15 bis 20 m aufweisen.

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zur beitragsrechtlichen Abgrenzung von Innen- und Außenbereich in Rdnr. 870.


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

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