Nach § 131 Abs. 1 BauGB kann der beitragsfähige Aufwand nur auf erschlossene Grundstücke verteilt werden. Erschlossen ist ein Grundstück dabei nur dann, wenn es bebaubar ist, d.h. wenn die Voraussetzungen des § 30 BauGB gegeben sind oder es im Innenbereich nach § 34 BauGB liegt. Aus diesem Grund muss im Beitragsrecht, wie im Baurecht, die Grenze zum Außenbereich (§ 35 BauGB) gezogen werden. Wenn ein Bebauungsplan vorliegt, ist das zum Glück ganz einfach – oder doch nicht?
Der Kläger ist Eigentümer eines großen Grundstücks, das nach Westen hin mit einem Wohn- und einem Wirtschaftsgebäude bebaut ist, wird zum größten Teil als Pferdeweide genutzt. Der bebaute Teil ist mit einem einfachen Bebauungsplan überplant, der unbebaute Teil ist unbeplant. Die Gemeinde veranlagt das gesamte Grundstück zu einem Erschließungsbeitrag i.H.v. fast 68.000 EUR. Auf Klage des Klägers hin teilt das Verwaltungsgericht das Grundstück in einen erschlossenen und einen nicht erschlossenen Teil und reduziert den Beitrag um über 30.000 EUR. Die Pferdeweide sowie ein Teil des überplanten, aber unbebauten Fläche sei Außenbereich, nur der bebaute und beplante Teil sei dem Innenbereich zuzuordnen. Die Gemeinde ruft das Oberverwaltungsgericht an, um klären zu lassen, ob diese Aufteilung des Grundstücks rechtens war.
Das Oberverwaltungsgericht hatte keine Einwände gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts […] hängt die Beantwortung der Frage, ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem Bebauungszusammenhang anschließt, diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht, davon ab, inwieweit nach der maßgeblichen Betrachtungsweise der „Verkehrsauffassung“ die aufeinanderfolgende Bebauung trotz der vorhandenen Baulücke den Eindruck der Geschlossenheit oder der Zusammengehörigkeit vermittelt; diese Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lässt sich nicht nach allgemein gültigen, etwa geografisch-mathematischen Maßstäben treffen, sondern nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der optisch wahrnehmbaren topographischen Situation und der Umgebungsbebauung […].“
„An diese Vorgaben hat sich das Verwaltungsgericht gehalten. Es ist unter dem Eindruck des Augenscheins zu der Überzeugung gelangt, dass nur der westliche Teil des klägerischen Grundstücks durch eine prägende Bebauung umgeben ist und an dem hierdurch erkennbaren Bebauungszusammenhang teilnimmt. Für den östlichen Bereich […] gelte dies jedoch nicht. Nach dem Eindruck des Gerichts von den konkreten baulichen und topographischen Verhältnissen gehört dieser zusammen mit einem – im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans liegenden, aber unbebauten – Teil […] östlich des Wohngebäudes […] dem Außenbereich im Sinn von § 35 BauGB an. Dies ergebe sich insbesondere aus der Größe dieser unbebauten Fläche (ca. 5.100 m²), auf der sich gemessen an der maßstabsbildenden Bebauung in der Umgebung mindestens fünf Bauvorhaben vergleichbarer Größe verwirklichen ließen. Dem östlich an das klägerische Grundstück angrenzenden Weg […] käme wegen seiner geringen Breite und seines einfachen Ausbauzustands keine „trennende Wirkung“ im Hinblick auf die sich auf seiner Ostseite erstreckenden landwirtschaftlich genutzten Freiflächen zu.“
„Damit wendet die [Gemeinde] sich gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an einer solchen Beurteilung können aber nur dann angenommen werden, wenn das Verwaltungsgericht von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen oder – aus den Akten erkennbaren – unzutreffenden Sachverhaltsfeststellungen ausgegangen wäre. […]. Derartige Mängel der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung hat die [Gemeinde] nicht aufzuzeigen vermocht. Sie setzt vielmehr dem aus den Erkenntnissen des Augenscheintermins gewonnenen Eindruck des Verwaltungsgerichts lediglich ihren eigenen Eindruck entgegen, wobei sie zudem außer Acht lässt, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Bewertung der in Augenschein genommenen konkreten örtlichen Gegebenheiten den östlichen Teil des streitgegenständlichen Grundstücks mit einer Größe von 3.410 m² nicht isoliert betrachtet hat. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass zusammen mit diesem Grundstücksteil ein weiterer – unbebauter – Teil des klägerischen Grundstücks (östlich des Wohngebäudes […]) […] mit einer Gesamtfläche von ca. 5.100 m² dem Außenbereich im Sinn von § 35 BauGB zuzurechnen sei. Dass die [Gemeinde], ebenso wie die Bauabteilung des zuständigen Landratsamtes, eine Innenbereichslage des gesamten klägerischen Grundstücks annimmt, begründet jedoch keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht […].“
„Bei dem Bebauungsplan […] handelt es sich unstreitig nicht um einen qualifizierten Bebauungsplan im Sinn von § 30 Abs. 1 BauGB, sondern lediglich um einen „einfachen“ Bebauungsplan im Sinn von § 30 Abs. 3 BauGB. Wie sich aus dieser Vorschrift ergibt, ist es nicht möglich, Flächen des Außenbereichs durch Überplanung mit einem einfachen Bebauungsplan einem nach § 34 BauGB zu beurteilenden Ortsteil zuzuordnen […]; der einfache Bebauungsplan ändert in seinem Anwendungsbereich die gebietliche Einordnung einer Fläche als Außenbereich im Sinn von § 35 BauGB nicht. Daher steht er einer Zuordnung bestimmter Teilflächen zum Außenbereich nicht entgegen. Eine im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans gelegene unbebaute Fläche ist daher nur dann als „Baulücke“ Teil des Bebauungszusammenhangs – und damit dem Innenbereich zuzurechnen – wenn sie von der angrenzend zusammenhängenden Bebauung so stark geprägt wird, dass die Errichtung eines Gebäudes auf dieser Fläche als zwanglose Fortsetzung der bereits vorhandenen Bebauung erscheint. Soweit eine Prägung durch die benachbarte Bebauung fehlt, handelt es sich – unbeschadet der Belegenheit im Gebiet eines einfachen Bebauungsplans – um bauplanungsrechtlichen Außenbereich.
Das Verwaltungsgericht hat dem entsprechend für die Abgrenzung des dem Innenbereich zugehörigen Bereichs vom Außenbereich ausdrücklich auch solche Flächen einbezogen, die zwar im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen, aber (noch) nicht bebaut sind […]. Dabei hat es auch einen geringen Teil des vom Bebauungsplan […] umfassten westlichen Bereichs des klägerischen Grundstücks […] ebenfalls noch dem Außenbereich zugeordnet. Dies entspricht der Regelung zur Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands in [der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde]. Dass diese Würdigung durch das Verwaltungsgericht materiell fehlerhaft wäre, ist nicht ersichtlich und wird auch von der [Gemeinde] nicht substantiiert dargetan.“
Unsere Hinweise:
Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zur beitragsrechtlichen Abgrenzung von Innen- und Außenbereich in Rdnr. 870.
Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.
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