Selbstständige Parkflächen / Parkplätze i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 1 BauGB sind eigenständige Erschließungsanlagen, für deren Herstellung die Gemeinde Erschließungsbeiträge erstellen kann. Folge dieser Selbstständigkeit ist aber auch, dass sie selbst durch Erschließungsstraßen i.S.d. § 127 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB nicht erschlossen sind, d.h. ihre Fläche ist nicht in die Verteilung einzubeziehen. Wie sieht es aber aus mit einer Park & Ride-Anlage der Deutschen Bahn aus?
Der Fall:
Die Gemeinde zieht die beigeladene Grundstückseigentümerin mit Bescheid vom 17.11.2014 zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der hier streitbefangenen Straße i.H.v. rund 57.000 EUR heran. Die Beitragspflichtige geht gegen den Beitragsbescheid vor und bringt an, die an der streitbefangenen Straße unmittelbar anliegende Park & Ride-Anlage der Deutschen Bahn müsse in die Verteilung einbezogen werden. Die Gemeinde hält dem entgegen, sie habe die Anlage konkludent gewidmet.
Die höchstrichterliche Entscheidung:
Das Oberverwaltungsgericht gab der Beitragspflichtigen Recht.
Die Park & Ride-Anlage ist eine ganz normal erschlossene private Fläche.
„Welche Flächen an der Aufwandsverteilung zu beteiligen sind, wird durch § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB mit der Formulierung „die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke“ abschließend festgelegt. Erschlossen in diesem (beitragsrechtlichen) Sinn kann ein Grundstück nur sein, wenn ihm von der hergestellten Erschließungsanlage ein Erschließungsvorteil geboten wird […].
Als von der erstmaligen Herstellung nicht bevorteilt gelten die Grundflächen anderer Erschließungsanlagen […]. Das gilt sowohl für die Grundflächen von (beitragsfähigen) Erschließungsanlagen im Sinn von § 127 Abs. 2 BauGB als auch von Erschließungsanlagen im Sinn von § 123 Abs. 2 BauGB, die entweder kraft einer entsprechenden Festsetzung im Bebauungsplan oder infolge ihrer Widmung für eine öffentliche Nutzung weder bebaubar noch aus der Perspektive des Erschließungsbeitragsrechts vergleichbar, d.h. für andere als Erschließungszwecke, insbesondere für private/gewerbliche Zwecke des Eigentümers nutzbar sind […]. Von der Aufwandsverteilung ausgenommen sind daher etwa Flächen, die als öffentlicher Parkplatz oder öffentliches Parkhaus gewidmet und dadurch dem allgemeinen Gebrauch zur Verfügung gestellt sind, nicht jedoch Parkflächen auf einem Grundstück eines privaten Eigentümers, die nicht dem allgemeinen Gebrauch zur Verfügung stehen […].“
Wenn diese Grundsätze zugrunde gelegt werden, dann kann – so das OVG – nicht davon ausgegangen werden, dass „die Park & Ride-Anlage […] aufgrund ihrer öffentlichen Zweckbestimmung und der nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit möglichen Zuordnung zu einem räumlich bestimmten Abrechnungsgebiet keinen erschließungsbeitragsrechtlichen Vorteil“ erhalte.
Vielmehr seien die als Park & Ride-Anlage genutzten Grundstücksflächen durch die streitgegenständliche Anlage erschlossen und deshalb an der Aufwandsverteilung zu beteiligen. „Sie sind baulich, gewerblich oder in vergleichbarer Weise nutzbar, grenzen unmittelbar an die abzurechnende Anlage und erhalten von dieser ihre verkehrsmäßige Erschließung. Es handelt es sich auch nicht um die Grundflächen für eine Erschließungsanlage im Sinn von § 123 Abs. 2 oder § 127 Abs. 2 BauGB.“
Die Park & Ride Anlage wurde nicht konkludent gewidmet.
Zwischen der Gemeinde und der Deutschen Bahn wurden 2004 und 2014 Verträge über die Park & Ride-Anlage geschlossen, so dass sich die Frage stellt: Ist das eine Widmung? Folge wäre, dass die Park & Ride-Anlage als „öffentliche Einrichtung“ i.S.d. Gemeindeordnung einzustufen und damit nicht selbst erschlossen wäre. Doch das OVG verneinte hier das Vorliegen einer wirksamen Widmung:
„Ob eine die Erschließungsbeitragspflicht rechtfertigende bauliche (gewerbliche oder vergleichbare sonstige) Nutzbarkeit möglich ist, richtet sich nicht nach privatrechtlichen – der Disposition der Parteien unterliegenden – Verträgen, sondern allein nach öffentlich-rechtlichen Vorgaben, insbesondere den Festsetzungen in einem Bebauungsplan oder der straßenrechtlichen Widmung (s.o.). In dem „Vertrag über den Bau und die Erhaltung einer Park & Ride-Anlage […]“ hat sich die [Gemeinde] zur Erweiterung der – auf dem im Eigentum der Deutschen Bahn verbleibenden Grundstück – bereits vorhandenen Park & Ride-Anlage und zu deren Erhaltung während der Vertragslaufzeit verpflichtet. Zwar wird darin festgehalten, dass die Park & Ride-Anlage in Verbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr zur Entlastung der öffentlichen Straßen erforderlich ist und ihre Errichtung und Unterhaltung durch die [Gemeinde] aus diesem Grunde (auch) im öffentlichen Interesse geboten ist. Dies stellt jedoch keine (formlose) Widmung der Parkfläche für den öffentlichen Verkehr dar, zumal […] die Benutzung nur einem eingeschränkten Personenkreis erlaubt wird. Eine das Privateigentum überlagernde öffentlich-rechtliche Sachherrschaft, die die Deutsche Bahn zur fortwährenden Duldung einer allgemeinen für jedermann uneingeschränkten (öffentlichen) Inanspruchnahme verpflichten und damit in der Ausübung ihrer Eigentümerrechte einschränken würde, wird dadurch nicht begründet. Die Fläche dient vielmehr vor allem (auch) den betrieblichen Zwecken der Deutschen Bahn. Im Übrigen sind die Vertragsparteien selbst davon ausgegangen, dass der Vertrag keine Widmung enthält, weil sie nach § 135 Abs. 5 BauGB eine – andernfalls unnötige – Freistellung der für die Erweiterung der Park & Ride-Anlage bestimmten Grundstücksflächen von Erschließungsbeiträgen vereinbart haben […].“
Die Park & Ride-Anlage „ist demnach (lediglich) eine an der abzurechnenden Erschließungsanlage anliegende private Fläche, die während der Betriebszeit der öffentlichen Verkehrsmittel (ausschließlich) Parkmöglichkeiten für die Kunden der Deutschen Bahn AG bietet. Eine Nutzung durch Nichtkunden der Deutschen Bahn widerspricht deren Zweckbestimmung. Da die Parkplatzanlage der Anbindung des Schienenverkehrs an die Straße dient und damit auch dessen Nutzung begünstigt, fördert sein Betreiben gerade auch die betrieblichen Zwecke der [Deutschen Bahn]. Dieser Umstand lässt die Annahme sachgerecht erscheinen, dass (auch) eine betriebliche Nutzung des Grundstücks […] besteht, was einen die Erhebung eines Erschließungsbeitrags rechtfertigenden Vorteil im Sinn von § 131 Abs. 1 BauGB auslöst […].“
Unsere Hinweise:
Die Daten der vorgestellten höchstrichterlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zu der Frage, welche Grundstücke erschlossen i.S.d. § 131 Abs. 1 BauGB sind, in den Rdnr. 821a ff..
Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.
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