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30.07.2020

Erschließungsbeitrag und Kostenerstattung für Ausgleichsmaßnahmen

Der Fall:

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung einer auf der Basis eines Bebauungsplans festgesetzten öffentlichen Grünanlage. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen sei unzulässig, weil es sich bei der Grünanlage um eine naturschutzrechtliche Ausgleichsfläche handele. Für diese komme nur ein Kostenerstattungsanspruch nach § 135a Abs. 3 BauGB in Betracht. Die Festsetzung einer Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB sei nicht automatisch mit einer erschließungsbeitragspflichtigen Grünanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB gleichzusetzen. Nach der Planbegründung sei Motiv der Festsetzung insbesondere die Kompensation für den baulichen Eingriff in Natur und Landschaft durch die ökologische Aufwertung der verbleibenden Freiflächen mit einer umfangreichen naturnahen Begrünung und Lebensräumen für heimische Pflanzen und Tiergesellschaften gewesen. Die Erholungsfunktion trete dahinter zurück.

Die beklagte Gemeinde wendet sich hiergegen und trägt im Wesentlichen vor, bei der Grünanlage handele es sich um eine Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB, die bebauungsplankonform sei. Sie diene nicht dem umweltschutzrechtlichen Ausgleich. Sie sei vielmehr von den vorgesehenen Ausgleichsflächen getrennt und habe in der konkreten Funktion einer eigenständigen Grünanlage hergestellt werden sollen. Bei deren Gestaltung sei es dem Plangeber unbenommen, ökologische Aspekte einfließen zu lassen. Tatsächlich diene sie aber primär der physischen und psychischen Erholung.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

Das Gericht hat den Beitragsbescheid als rechtswidrig aufgehoben, da die Gemeinde die Kosten für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Grünanlage nicht über §§ 127 ff. BauGB erheben konnte; die Erhebung eines Erschließungsbeitrags war insofern wegen des Vorrangs der Kostenerstattungsregelung des § 135a Abs. 2 bis 4 BauGB ausgeschlossen.

Die Grundsätze zur Abgrenzung der Kostenerstattung für Ausgleichsmaßnahmen zur Beitragserhebung nach Erschließungsbeitragsrecht:

„Soweit Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle den Grundstücken nach § 9 Abs. 1a BauGB zugeordnet sind, soll die Gemeinde diese anstelle und auf Kosten der Vorhabenträger oder der Eigentümer der Grundstücke durchführen und auch die hierfür erforderlichen Flächen bereitstellen, sofern dies nicht auf andere Weise gesichert ist (§ 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB). Die Maßnahmen zum Ausgleich können bereits vor den Baumaßnahmen und der Zuordnung durchgeführt werden (§ 135a Abs. 2 Satz 2 BauGB). Die Kosten können geltend gemacht werden, sobald die Grundstücke, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen (§ 135a Abs. 3 Satz 1 BauGB). Die Gemeinde erhebt zur Deckung ihres Aufwands für Maßnahmen zum Ausgleich einschließlich der Bereitstellung hierfür erforderlicher Flächen einen Kostenerstattungsbetrag (§ 135a Abs. 3 Satz 2 BauGB). Die Erstattungspflicht entsteht mit der Herstellung der Maßnahmen zum Ausgleich durch die Gemeinde (§ 135a Abs. 3 Satz 3 BauGB). Der Betrag ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 135a Abs. 3 Satz 4 BauGB). Die landesrechtlichen Vorschriften über kommunale Beiträge einschließlich der Billigkeitsregelungen sind entsprechend anzuwenden (§ 135a Abs. 4 BauGB).“

Der Vorrang einer Kostenerstattung nach § 135a Abs. 2 – 4 BauGB:

„Die Kostenerstattung nach § 135a Abs. 2 bis 4 BauGB ist - soweit ihr Anwendungsbereich eröffnet ist - gegenüber den erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften speziell und damit vorrangig. Ihr Anwendungsbereich ist immer dann eröffnet, wenn gemäß § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB die Gemeinde anstelle der Vorhabenträger oder Eigentümer der für einen Eingriff ausgleichspflichtigen Grundstücke Ausgleichsmaßnahmen durchführt, also nicht etwa wie beim Straßenbau selbst Trägerin des Vorhabens ist. Der Vorrang ergibt sich daraus, dass die Ausgleichsmaßnahme dem Verursacherprinzip entsprechend von den Grundstückseigentümern finanziert werden soll, denen durch die Ausgleichsmaßnahme überhaupt erst die Bebauungsmöglichkeit eröffnet wird.“

„Vorhabenträger sind nach § 135a Abs. 1 BauGB grundsätzlich verpflichtet, die Ausgleichsmaßnahmen selbst (und auf eigene Kosten) durchzuführen. Der Umstand, dass nach § 135a Abs. 2 und 3 BauGB an die Stelle dieser Durchführungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen eine Kostenerstattungspflicht tritt, muss dabei ohne Einfluss darauf bleiben, welches Regelungsregime zur Anwendung gelangt.“

Maßgeblich ist der planerische Wille der Gemeinde:

„Zwar hängt das Bestehen des Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 135a Abs. 2 bis Abs. 4 BauGB konstitutiv von der Zuordnung von Ausgleichsmaßnahmen zu - bestimmten - Eingriffsflächen durch Festsetzung im Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 1a BauGB ab.

Davon zu unterscheiden ist jedoch die - systematisch vorgelagerte - Festlegung des Rangverhältnisses von § 135a Abs. 2 bis 4 BauGB zu den §§ 127 ff. BauGB, das sich - wie gesagt - bereits nach dem Anwendungsbereich des jeweiligen Rechtsregimes richtet. Dieser bemisst sich aber nicht nach der Zuordnungsentscheidung der Gemeinde im Bebauungsplan bzw. deren Unterbleiben, sondern danach, ob die Grünflächenfestsetzung nach dem planerischen Willen der Gemeinde eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme darstellt oder nicht. Findet ein Ausgleich für naturschutzrechtliche Eingriffe auf einer öffentlichen Grünfläche, aber keine Zuordnung dieser Ausgleichsmaßnahme zu Eingriffsgrundstücken durch Bebauungsplanfestsetzung gemäß § 9 Abs. 1a BauGB statt, ändert dies daher nichts daran, dass die Kostenerstattung für die Herstellung der Grünfläche dem Erschließungsbeitragsrecht entzogen ist. Es handelt sich dabei nicht um Erschließungsaufwand im Sinne von § 128 BauGB. Die Ausgleichsmaßnahme hat eine andere, dem Erschließungsbeitragsrecht vorgehende, speziellere Funktion zu erfüllen, nämlich diejenige der naturschutzrechtlichen Eingriffskompensation.“

Entscheidungsspielraum der Gemeinde begrenzt:

„Der den Gemeinden in § 9 Abs. 1a Satz 2 BauGB eingeräumte Entscheidungsspielraum bei der Zuordnung von Ausgleichsmaßnahmen nach § 1a Abs. 3 BauGB rechtfertigt nicht eine Durchbrechung des in § 135a Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommenden Verursacherprinzips zulasten von Erschließungsbeitragspflichtigen. Die Gemeinde hat insoweit nicht die Wahl, ob sie den entstandenen Aufwand gegenüber den Vorhabenträgern bzw. Eigentümern nach § 135a Abs. 3 BauGB oder - durch Unterlassen einer entsprechenden Zuordnung - gegenüber den Erschließungsbeitragspflichtigen geltend macht.

 „Der prinzipielle Vorrang der Kostenerstattungsregelung nach § 135a Abs. 2 bis 4 BauGB wird weiterhin nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine Gemeinde die Ausgleichsmaßnahme an einer Stelle vorsieht, an der sie andernfalls ohnehin eine selbständige Grünanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB geschaffen hätte. Wenn eine Gemeinde der Auffassung ist, dass an einer bestimmten Stelle in jedem Fall eine Grünanlage geschaffen werden sollte, dann kann sie diese (mit der Folge der Erschließungsbeitragspflicht für deren Anlieger) als Anlage im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB planen und eine wegen eines Straßenbaus oder einer sonstigen Maßnahme notwendige Ausgleichsmaßnahme für eine andere Stelle vorsehen. Wenn sie dies nicht tut, sondern die in jedem Fall gewünschte Grünanlage als die Ausgleichsmaßnahme vorsieht, muss sie sich im Folgenden auch abrechnungsmäßig an dieser Entscheidung festhalten lassen. Ein und dieselbe Fläche einer Anlage kann nicht gleichzeitig Ausgleichsfläche und Grünanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB sein. Vielmehr kommt der Ausgleichsmaßnahme der Vorrang zu und sind deren Kosten der Beitragserhebung für die Grünanlage entzogen.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der aktuellen obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens erläutern wir die Abgrenzung der Kostenerhebung für Ausgleichsmaßnahmen im Verhältnis zur Beitragserhebung nach den Vorschriften des Erschließungsbeitragsrechts bei Rdnr. 192a .


Unsere Tipps für die Praxis:

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