Liegt ein Grundstück an zwei Straßen an, dann sehen die gemeindlichen Erschließungsbeitragssatzungen typischerweise vor, dass eine Eckvergünstigung zu gewähren ist. Doch manchmal liegt der Teufel im Detail – und vorliegend in der konkreten Formulierung der Satzungsregelung.
Die Gemeinde erhebt einen Erschließungsbeitrag für eine Erschließungsstraße. Der Kläger geht gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vor und bekommt vor dem Verwaltungsgericht teilweise recht. Dann geht aber die Gemeinde in Berufung, denn: Sie ist der Ansicht, das Verwaltungsgericht hätte sich verrechnet. Für eines der Grundstücke hätte das Gericht die Grundstücksfläche mit dem Nutzungsfaktor und dann der Eckvergünstigung multiplizieren müssen. Stattdessen sei der Nutzungsfaktor vergessen worden. Dies führe dazu, dass der Beitragssatz pro m² zu hoch sei.
Das Oberverwaltungsgericht gab der Gemeinde insofern recht, dass das Verwaltungsgericht sich tatsächlich verrechnet habe. Das habe aber zufällig zu dem eigentlich richtigen Ergebnis geführt – denn dem Kläger stand die Eckermäßigung gar nicht zu.
„Gemäß Art. 5a KAG in Verbindung mit § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der – nach Abzug des gemeindlichen Eigenanteils verbleibende – umlagefähige Herstellungsaufwand für eine Erschließungsanlage auf „die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke“ zu verteilen. Entsprechend dem Auftrag des § 132 Nr. 2 BauGB regelt die Gemeinde in ihrer Erschließungsbeitragssatzung den konkreten Verteilungsmaßstab, durch den sie vorgibt, mit welchem Anteil die im Abrechnungsgebiet gelegenen Grundstücke jeweils zu belasten sind.
Die hier noch maßgebliche Erschließungsbeitragssatzung der [Gemeinde…] sieht […] den weitgehend üblichen und vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich empfohlenen […] kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab vor. Danach werden die bei den Grundstücken im Abrechnungsgebiet bestehenden Unterschiede im Nutzungsmaß durch die Vervielfachung der jeweiligen Grundstücksfläche mit einem nach der Anzahl der Vollgeschosse gestaffelten Nutzungsfaktor berücksichtigt. Daneben sieht [die Erschließungsbeitragssatzung] unter bestimmten Voraussetzungen eine Vergünstigung für mehrfach erschlossene Grundstücke vor (sog. Eckermäßigung). [Danach] ist für Grundstücke, die von mehr als einer Erschließungsstraße im Sinn des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erschlossen werden, die Grundstücksfläche bei Abrechnung jeder Erschließungsanlage nur mit zwei Dritteln anzusetzen. Dies gilt [laut der Satzung] nicht, wenn ein Erschließungsbeitrag nur für eine Erschließungsanlage erhoben wird und Beiträge für weitere Anlagen zu deren erstmaliger Herstellung weder nach dem geltenden Recht noch nach vergleichbaren früheren Rechtsvorschriften erhoben worden sind oder erhoben werden.“
„Das Verwaltungsgericht ist […] davon ausgegangen, dass für die in die Aufwandsverteilung […] der Grundstücke […] eine Eckermäßigung […] angesetzt werden müsse, weil diese Grundstücke nicht nur durch die abzurechnende Erschließungsanlage […], sondern auch durch [die Altanlage] erschlossen würden. Daher hat es selbst eine weitere Vergleichsberechnung durchgeführt, wobei es allerdings für [eines der Grundstücke] versehentlich den Nutzungsfaktor von 1,6 nicht berücksichtigt und deshalb […] ermittelten Beizugsfläche des Abrechnungsgebiets – statt folgerichtig ein Drittel der um den Nutzungsfaktor vervielfachten Nutzfläche – lediglich ein Drittel der „bloßen“ (Netto-)Grundstücksfläche […] abgezogen hat. Diese – fehlerhafte – Berechnung des Verwaltungsgerichts führte zu einem Beitragssatz von 10,75 €/m², was für das klägerische Grundstück einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 6.596,20 € ergab. Dementsprechend hob das Verwaltungsgericht den streitgegenständlichen Beitragsbescheid insoweit auf, als darin ein diesen Betrag übersteigender Erschließungsbeitrag festgesetzt wurde. Bei richtiger Berechnung hätte sich ein Beitragssatz in Höhe von 11,0873619 € pro m² ergeben, was zu einem höheren Beitrag für die klägerischen Grundstücke geführt hätte.“
„Im Ergebnis wirkt sich der dargestellte Rechenfehler jedoch nicht zum Nachteil der [Gemeinde] aus[…]. Denn entgegen der Grundannahme des Verwaltungsgerichts liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Eckermäßigung […] nicht vor. Daher erweist sich der von der [Gemeinde] im Rahmen der erstinstanzlich vorgelegten Vergleichsberechnung ermittelte Beitragssatz von 10,20 €/m² als zutreffend mit der Folge, dass der die klägerischen Grundstücke treffende Beitrag (noch) geringer ausfällt, als vom Verwaltungsgericht angenommen worden war.
Nach [der Erschließungsbeitragssatzung] scheidet eine Vergünstigung wegen Mehrfacherschließung zum Nachteil der übrigen an der Aufwandsverteilung beteiligten Grundstücke dann aus, wenn ein Erschließungsbeitrag nur für eine Erschließungsanlage erhoben wird und Beiträge für weitere Anlagen zu deren erstmaliger Herstellung weder nach dem geltenden Recht noch nach vergleichbaren früheren Rechtsvorschriften erhoben worden sind oder erhoben werden. Damit will der Satzungsgeber nur tatsächliche Doppelbelastungen abmildern. Ein solcher Fall liegt mit Blick auf die Grundstücke […], die sowohl an der abzurechnenden Straße […] als auch an der [Altanlage] liegen, nicht vor.
Dabei kann dahinstehen, ob die [Altanlage] im fraglichen Teil überhaupt und gegebenenfalls seit wann die Merkmale einer zum Anbau bestimmten Straße im Sinn von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erfüllt. Denn jedenfalls fehlt es an einer tatsächlichen Doppelbelastung durch bereits erhobene oder künftig zu erhebende Beiträge für deren erstmalige Herstellung.
Die [Gemeinde] hat zwar nach den Unterlagen, die sie teils bereits dem Verwaltungsgericht und im Übrigen dem Senat vorgelegt hat, in den Jahren 1973 und 1974 Beiträge im Zusammenhang mit der [Altanlage] wohl auch im fraglichen Bereich erhoben, nachdem sie die damals schon vorhandene Straße mit Kosten von 53.000 DM „ausgebaut“ hatte. Dabei hat es sich aber – entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts – nicht um Erschließungsbeiträge für die erstmalige Herstellung diese Straße gehandelt. Die [Gemeinde] verfügte damals nicht nur über die vom Verwaltungsgericht in den Blick genommene Erschließungsbeitragssatzung, sondern auch über eine „Satzung über die Erhebung einmaliger Beiträge zu den Kosten für Erweiterungen und Verbesserungen endgültig hergestellter Ortsstraßen“ […]. Die „umlagefähigen Ausbaukosten“ hatte sie zunächst mit Kostenrechnungen vom 25. Juli 1974 ohne Angabe einer Rechtsgrundlage „gleichmäßig auf die 27 An- und Hinterlieger“ aufgeteilt. Auf Widersprüche der Betroffenen hin hat sie dann unter dem 5. November 1974 förmliche „Kostenbeitragsbescheide für Erweiterungen und Verbesserungen“ für den „Ausbau der [Altanlage]“ erlassen und die Beitragserhebung ausdrücklich auf ihre Satzung über Beiträge für Erweiterungen und Verbesserungen von Ortsstraßen gestützt. Zwar ist in diesem Zusammenhang im Schriftwechsel zwischen Gemeinde, Anliegern und Widerspruchsbehörde gelegentlich von „Erschließungsbeitrag“ die Rede. Es steht aber nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen außer Frage, dass es damals nicht um die (Erschließung-)Beitragserhebung für die erstmalige Herstellung der [Altanlage] als Erschließungsanlage ging, sondern allein um die Kostenbeteiligung an einem „bloßen“ Ausbau der vorhandenen Verkehrsanlage.
Es sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für die [Altanlage] künftig Erschließungsbeiträge für die erstmalige Herstellung erhoben werden.
Da somit – im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht bezüglich der Erschließungsanlage […] – eine tatsächliche Doppelbelastung der Grundstücke […] mit Erschließungsbeiträgen für eine Mehrfacherschließung nicht festgestellt werden kann, scheidet die Gewährung einer Eckvergünstigung […] aus. Eine nachträgliche Veränderung der für die Erschließungsanlage […] im Jahr 2016 entstandenen sachlichen Beitragspflicht und -höhe kann durch eine mögliche nachträgliche Veränderung der Erschließungssituation, wie z.B. durch das spätere Hinzukommen einer weiteren Erschließungsanlage, nicht mehr bewirkt werden […].“
Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zur Eckermäßigung in Rdnr. 934.
Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.
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