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08.07.2024

Beginn oder kein Beginn der Herstellung – das ist die Frage!

Der Fall:

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Erschließungsbeitrages.

Die etwa 150 m lange zur Abrechnung gestellte Erschließungsanlage „A3.weg (Nord)“ beginnt an der Einmündung in den F.-wegs im Norden und endet im Süden bei der FlNr. 2947, wo sich der Weg an einer Gabelung aufspaltet und westlich weiter als „A3.weg“ in den Außenbereich und östlich weiter als „N. Weg“ verläuft.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem erstinstanzlichen Urteil den Beitragsbescheid lediglich teilweise als rechtswidrig angesehen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Augenschein stelle sich der der Abrechnung räumlich zugrunde gelegte Teil der O. straße „A3.weg“ (A3.weg Nord) als eigenständig zu betrachtende Erschließungsanlage dar. Die sachlichen Beitragspflichten seien erst im Jahr 2021 entstanden, da die streitgegenständliche Erschließungsanlage auch nach den Baumaßnahmen in den 1990er Jahren weder über einen frostsicheren Unterbau noch über eine ausreichende Straßenentwässerung verfügt habe. Der Erhebung von Erschließungsbeiträgen stehe auch der am 1. April 2021 in Kraft getretene Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG nicht entgegen.

Die obergerichtliche Entscheidung (in Auszügen):

Der BayVGH befasst sich in seiner Entscheidung neben der Frage der Abgrenzung der beitragsrechtlichen Anlage auch mit dem Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG. Hierzu arbeitet er die Voraussetzungen für den Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Anlage heraus:

 „Nach dieser Vorschrift kann kein Erschließungsbeitrag erhoben werden, sofern seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind. Bei ihrer Auslegung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nicht nur vom Beginn der erstmaligen technischen Herstellung spricht, sondern diese ausdrücklich auf eine Erschließungsanlage bezieht, mithin auf den Anfang des durch zentrale erschließungsbeitragsrechtliche Begriffe umschriebenen Vorgangs der „erstmaligen Herstellung“ (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) einer beitragsfähigen „Erschließungsanlage“ (§ 127 Abs. 2 BauGB) abstellt. Demnach wird der fristauslösende Beginn nicht durch irgendwelche sichtbaren Bauarbeiten markiert, sondern nur durch solche, die objektiv auf die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage gerichtet sind. Gemeint ist der Beginn des sichtbaren technischen Ausbaus („erster Spatenstich), an dessen Ende die jeweilige Erschließungsanlage in der gesamten vorgesehenen Ausdehnung mit sämtlichen vorgesehenen Teileinrichtungen erstmalig hergestellt ist (vgl. Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand April 2023, Rn. 1101a). Die Frage nach dem Beginn kann ebenso wie diejenige nach dem Ende der erstmaligen technischen Herstellung allein danach beurteilt werden, welche Planung die Gemeinde als Trägerin der Erschließungsaufgabe (§ 123 Abs. 1 BauGB) verfolgt. Maßgeblich sind daher neben dem Teileinrichtungs- und dem technischen Ausbauprogramm in der Erschließungsbeitragssatzung insbesondere das auf die konkrete Anlage bezogene Bauprogramm, das von der Gemeinde auch formlos aufgestellt werden kann und in der Regel wird (vgl. BayVGH, U.v. 27.11.2023 – 6 B 22.306 – Rn. 29; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 5 Rn. 15 ff. und § 8 Rn. 24).

Mit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer A5.straße ist also die erste sichtbare Baumaßnahme gemeint, mit der das gemeindliche Bauprogramm für eine bestimmte A5.straße (Teilstrecke) verwirklicht werden soll. Daran fehlt es etwa, wenn die Gemeinde lediglich ein Provisorium anlegen will, also nur irgendeine Verkehrsanlage, um für anliegende Grundstücke eine Bebauung zu ermöglichen oder um eine Verbindung zwischen zwei Straßen herzustellen. Um den Beginn der technischen Herstellung einer Erschließungsanlage handelt es sich auch nicht, wenn die Gemeinde lediglich beabsichtigt, eine Teileinrichtung wie etwa die Fahrbahn technisch herzustellen, ihre Planung also die übrigen Teileinrichtungen nicht einschließt (vgl. Driehaus, KStZ 2022, 102/105).“

Für den konkreten Fall bedeutet das, dass die streitgegenständlichen Baumaßnahmen (Herstellung einer Einmündungstrompete, Installation von Straßenleuchten) keinen Beginn der erstmaligen technischen Herstellung darstellen konnten, da zu diesem Zeitpunkt ein Bauprogramm für die streitgegenständliche Anlage nicht vorlag. Die Ausschlussfrist begann auch nicht mit dem nachfolgenden Beschluss des Bauprogramms zu laufen, da der Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn „nur in der ersten sichtbaren Baumaßnahme gesehen werden kann, die auf die Verwirklichung eines für die konkrete Anlage aufgestellten Bauprogramms gerichtet ist.“

Unsere Hinweise:

Die vorgestellte Entscheidung stellt einen guten Überblick über die Voraussetzungen des Beginns der erstmaligen technischen Herstellung dar.

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie ab der Randnr. 1101a weitere Hinweise zum Beginn der erstmaligen Herstellung einer Anlage.


Unsere Tipps für die Praxis:

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