Alle Treffer anzeigen
Dieses Fenster schliessen
01.03.2021

A_2019-10-29_Beitragsfähigkeit der Kosten einer planüberschreitenden Herstellung?

Der Grundsatz:

Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen setzt eine gemäß § 125 BauGB hergestellte Anlage voraus. Liegt der Herstellung ein Bebauungsplan zugrunde, so hat sich die Herstellung grundsätzlich nach dessen Festsetzungen zu richten. Die Erschließungsanlage ist aber auch dann rechtmäßig hergestellt, wenn von den Festsetzungen des Bebauungsplans unter den Voraussetzungen des § 125 Abs. 3 BauGB abgewichen wurde. Dabei muss die Gemeinde beachten, dass eine solche Planabweichung regelmäßig voraussetzt, dass die Abweichung mit den Grundzügen der Planung vereinbar ist. Wenn dies nicht der Fall ist, erweist sich die Prüfung der weiteren Voraussetzungen des Abs. 3 als überflüssig; die Anlage ist dann nicht rechtmäßig hergestellt.

Ist die Hürde der Vereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung genommen, kommt es für die weitere Prüfung darauf an, on es sich einerseits um eine Planunterschreitung oder andererseits um eine Planüberschreitung bzw. einen sonstigen Planwiderspruch handelt.

Hinweis: Liegt dem Ausbau kein Bebauungsplan zugrunde, kann die Erschließungsanlage bei Erfüllung anderer Voraussetzungen rechtmäßig hergestellt sein; s. hierzu unsere Tipps für die Praxis.

 

Der Fall:

In Abweichung von den Festsetzungen eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans, der eine Straßenbreite von 8 m auswies, davon 6,5 m Fahrbahnbreite zuzüglich 1,5 m Gehwegbreite. Streckenweise wurde die Ausbaubreite streckenweise um 50 cm überschritten; stellenweise wurde die geplante Straßenbreite um 18 cm unterschritten. Der zum Erschließungsbeitrag herangezogene Eigentümer eines des von der Anlage erschlossenen Grundstücks ergriff Rechtsmittel. Das erstinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht gab der Klage statt, bezog sich zur Begründung auf andere Gesichtspunkte als auf die Frage der Rechtmäßigkeit. Die Rechtmäßigkeit der Herstellung wurde dann eines der Themen der Berufungsentscheidung.

Die vorliegende Vorstellung der obergerichtlichen Entscheidung beschränkt sich auf die aus der Überschrift ersichtliche Fragestellung. Demnach kommt es zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Herstellung zum einen darauf an, ob die nach § 125 Abs. 3 BauGB unverzichtbare Vereinbarkeit der Abweichung mit den Grundzügen der Planung gegeben ist; und wenn dies der Fall ist, ob es sich um eine Planunterschreitung (Abs. 3 Nr. 1) und/oder eine anderweitige Planabweichung (Abs. 3 Nr. 2), z.B. eine Planüberschreitung handelt. Im Falle der Planabweichung durch Überschreitung darf es nicht zu eine Mehrbelastung der Beitragspflichtigen kommen, sonst fehlt der Herstellung die Rechtmäßigkeit.

 

Die obergerichtliche Entscheidung (auszugsweise):

Das Berufungsgericht prüft die Frage der Rechtmäßigkeit der planabweichenden Herstellung zunächst unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung und bejaht insoweit die Voraussetzungen der planabweichenden Herstellung. Das Gericht führt unter Darlegung der Grundsätze aus dar:

„Zu den Grundzügen der Planung von Erschließungsanlagen zählen vor allem diejenigen Elemente, die für die Erschließungsfunktion der jeweiligen Anlage von wesentlicher Bedeutung sind. Dies hängt bei Anbaustraßen im Einzelnen von Art und Umfang des Erschließungsgebiets, der sich hieraus ergebenden Verkehrsbelastung und den topographischen Verhältnissen ab. Erschließungsstraßen sollen zum einen den Anliegergrundstücken eine verkehrssichere Anbindung an das übrige Straßennetz bieten. Zum anderen gehört zur Erschließungsfunktion auch die Aufnahme des über den reinen Anliegerverkehr hinausgehenden Verkehrs. Dies setzt eine von Art und Umfang des Verkehrs abhängige Mindestbreite der Straße oder wenigstens ausreichende Ausweichmöglichkeiten für Fahrzeuge und Fußgänger voraus (…).

Der vorliegende planabweichende Ausbau der R…-straße ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar. Die Römerstraße dient aufgrund der örtlichen Gegebenheiten vor allem dem Anliegerverkehr der Anwohner, da sie am Ende in einen Feldweg übergeht und aufgrund der sich anschließenden Felder nicht mit Durchgangsverkehr zu rechnen ist. Für den Anwohnerverkehr reicht die Straßenbreite von 8 Metern aus, denn die Fahrbahnbreite von ungefähr 6,5 Metern ermöglicht den Begegnungsverkehr. Es ist weder für den Senat erkennbar noch von den Beteiligten vorgetragen, dass die geringfügigen Planabweichungen der Erschließungsanlage ein anderes Gepräge geben.

Sodann führt das Gericht aus, dass sowohl eine Planunterschreitung (§ 125 Abs. 3 Nr. 1 als auch eine Planüberschreitung (§ 125 Abs. 3 Nr. 2 BauGB) vorliegen und zu beurteilen sind.“

 

Keine Kompensation von Planunter- und -überschreitung:

„Eine Kompensation der Mehrkosten einer Planüberschreitung durch mutmaßliche Minderkosten einer Planunterschreitung an anderer Stelle ist nicht möglich (…). Eine solche Verrechnung scheidet schon mit Blick auf die Systematik des § 125 Abs. 3 BauGB aus, weil diese Bestimmung die Tatbestände der Planunterschreitung (Nr. 1) und der Planüberschreitung (Nr. 2) jeweils selbständig behandelt und unterschiedlich regelt; obendrein liegt die Annahme fern, ein zweiter Verstoß gegen die von einem Bebauungsplan ausgehende Bindung könne den ersten Verstoß folgenlos werden lassen (…).“

 

Das hat zur Folge, dass die durch die Verbreiterung der Straße erfolgte Planüberschreitung u.a. danach zu beurteilen ist, ob „Kostenneutralität“ besteht oder die Gemeinde einen „Mehrkostenverzicht“ erklärt:

„Eine Mehrbelastung der Erschließungsbeitragspflichtigen ist zu verneinen, wenn die Abweichung kostenneutral ist oder die Gemeinde die anfallenden Mehrkosten nicht geltend macht (…).“

„Die Beklagte ist im Rahmen des … erklärten Mehrkostenverzichts davon ausgegangen, dass ihr durch den planüberschreitenden Ausbau Mehrkosten in Höhe von 1.871,81 EUR entstanden sind. Ausgangspunkt dieser Mehrkostenberechnung war ein Vergleich der bei plangemäßem Ausbau entstandenen Kosten und der durch die Planabweichung entstandenen Kosten unter Nichtberücksichtigung des Minderausbaus. Für diese vergleichende Betrachtung hat die Beklagte zum einen die Grundfläche der Straße berechnet, die sich bei einem plangemäßen Ausbau ergeben hätte, und zum anderen die Grundfläche, die durch den planüberschreitenden Ausbau entstanden ist. Für den Senat bestehen insoweit keine Anhaltspunkte, dass durch den etwas breiteren Ausbau der Römerstraße noch höhere Mehrkosten als durch die Beklagte angenommen entstanden sind. Sollten die angesetzten Mehrkosten zu hoch gewesen sein, fehlt es jedenfalls an einer Rechtsverletzung der insoweit nicht belasteten Kläger.“

 

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens sind die Fragen der Rechtmäßigkeit der Herstellung umfassend erläutert (Rdnrn. 60 – 97).


Unsere Tipps für die Praxis:

Exklusiv für die Bezieher des Matloch/Wiens Erschliessungsbeitragsrechts. Die Tipps für die Praxis tragen dazu bei, die schwierige Materie in den Alltag zu integrieren.

Das Passwort erhalten Sie mit der aktuellen Ergänzungslieferung. Sie finden es auf der Rückseite des Vorworts. Wenn sie Cookies auf Ihrem PC aktivieren, genügt die einmalige Eingabe des Passwortes.


Sie sind nicht Bezieher des Matloch/Wiens und möchten die Tipps für die Praxis lesen? Dann klicken Sie bitte auf Service


Bitte Ihr Passwort eingeben: