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16.10.2013

Zuordnung von Kosten einer Grünanlage Erschließungsbeitrag oder Eingriffsausgleich gem. §§ 135a ff.?

Der Vorrang für den Eingriffsausgleich könnte sich daraus ergeben, dass die Ausgleichsmaßnahme dem Verursacherprinzip entsprechend von den Grundstückseigentümern finanziert werden soll, denen durch die Ausgleichsmaßnahme überhaupt erst die Bebauungsmöglichkeit eröffnet wird.

Der Fall:

Die Gemeinde ließ im Gebiet eines Bebauungsplans mehrere Straßen als öffentliche Straßen anlegen. Ebenso ließ sie in diesem Gebiet Grünflächen anlegen. Die Grünflächen sollten nach der Begründung des Bebauungsplans zur Deckung des Bedarfs an wohnungsnahen Grünflächen wie auch zum Ausgleich für - unter anderem - die Eingriffe durch den Straßenbau dienen. Die Gemeinde forderte von der Eigentümerin eines Grundstücks (der Antragstellerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren) einen Erschließungsbeitrag für die Herstellung des T.-Parks, wobei die Gemeinde den Park als Erschließungsanlage ansah.

Die Antragstellerin begehrt gegen den Beitragsbescheid vorläufigen Rechtsschutz. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin abgelehnt und sich in seiner Begründung zu der Frage verhalten, ob für die bei der Anlegung des T.-Parks angefallenen Kosten ein Erstattungsanspruch für den naturschutzrechtlichen Eingriffsausgleich (§§ 135a ff. BauGB) in Betracht kommt oder ob ein Erschließungsbeitrag gemäß §§ 127 ff. BauGB erhoben werden darf. Das Verwaltungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass der T.-Park nach der Begründung des Bebauungsplans zum einen als Ausgleichsfläche für naturschutzrechtliche Eingriffe an anderer Stelle des Plangebiets vorgesehen sei, zum anderen „auch, wenn nicht sogar vorrangig, eine wesentliche Erschließungsfunktion (nämlich die Versorgung des Gebiets um den Potsdamer Platz mit Grünflächen)“ erfülle. Bei einem derartigen „Nebeneinander“ von „eingriffskompensatorischer Funktion und Erschließungsfunktion“ sei die Anwendbarkeit der §§ 127 ff. BauGB überwiegend wahrscheinlich, jedenfalls wenn - wie hier – alles dafür spreche, dass die fragliche Anlage zu Erschließungszwecken auch errichtet worden wäre, wenn das Ausgleichserfordernis nicht bestanden hätte, auch sonst keine Anhaltspunkte bestünden, dass die naturschutzrechtliche Zielsetzung deutlich überwiege, und wenn ein Kostenerstattungsanspruch nach § 135a Abs. 3 BauGB ersichtlich nicht in Betracht komme.

Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Die vom Verwaltungsgericht für eine Anwendbarkeit der §§ 127 ff. BauGB und gegen einen Erstattungsanspruch nach § 135a BauGB getroffene „Alles-oder-nichts-Entscheidung“ verletze den verwaltungsrechtlichen Grundsatz des Übermaßverbotes. Bei dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Nebeneinander der Funktionen des Parks liege näher, dass eine Kostensplittung stattzufinden habe.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

„... mit Blick darauf, dass sich jeweils der Kreis der Erschließungsbeitragspflichtigen (Anlieger der jeweiligen Erschließungsanlage) von dem der Erstattungspflichtigen (Eigentümer der Grundstücke, auf denen ein ausgleichspflichtiger Eingriff vorgenommen wird) unterscheidet und insoweit auch unterschiedliche Sondervorteile für Grundstückseigentümer begründet werden, dürfte die vom Verwaltungsgericht für zulässig angesehene Zuordnung aller Kosten zu allein der Erschließungsfunktion des Parks nicht rechtmäßig sein. Vielmehr dürfte es darauf ankommen, in welchem Umfang der Kostenaufwand für den Park seinen jeweiligen Funktionen zu dienen bestimmt ist.“

Vorrang des Kostenerstattungsanspruchs nach §§ 135a ff. BauGB:

„Insoweit dürfte zunächst davon auszugehen sein, dass die Vorschriften über eine Kostenerstattung nach §§ 135a ff. BauGB - soweit ihr Anwendungsbereich eröffnet ist - gegenüber den erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften spezieller und damit vorrangig sind (...). Ihr Anwendungsbereich dürfte immer dann eröffnet sein, wenn gemäß § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB „die Gemeinde“ - und damit hier der Antragsgegner - „anstelle“ der Vorhabenträger oder Eigentümer der für einen Eingriff ausgleichspflichtigen Grundstücke Ausgleichsmaßnahmen durchführt, also nicht etwa wie beim Straßenbau selbst Trägerin des Vorhabens ist (in diesem Falle gehören die Ausgleichskosten zu den Kosten für den Straßenbau, die über Erschließungsbeiträge abgerechnet werden können). Der Vorrang ergibt sich daraus, dass die Ausgleichsmaßnahme dem Verursacherprinzip entsprechend von den Grundstückseigentümern finanziert werden soll, denen durch die Ausgleichsmaßnahme überhaupt erst die Bebauungsmöglichkeit eröffnet wird.

Der Vorrang dürfte nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass eine Gemeinde die Ausgleichsmaßnahme an einer Stelle vorsieht, an der sie anderenfalls ohnehin eine selbständige Grünanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB geschaffen hätte. Wenn eine Gemeinde der Auffassung sein sollte, dass an einer bestimmten Stelle in jedem Fall eine Grünanlage geschaffen werden sollte, dann kann sie diese (mit der Folge der Erschließungsbeitragspflicht für deren Anlieger) als Anlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB planen und eine wegen eines Straßenbaus oder einer sonstigen Maßnahme notwendige Ausgleichsmaßnahme für eine andere Stelle vorsehen. Wenn sie das nicht tut, sondern die in jedem Fall gewünschte Grünanlage als die Ausgleichsmaßnahme vorsieht, dürfte sie sich im Folgenden auch abrechnungsmäßig an dieser Entscheidung festhalten lassen müssen.“

Entscheidend ist die Zweckbestimmung der Anlage:

„Das bedeutet indessen, dass ein- und dieselbe Teilfläche einer Anlage nicht gleichzeitig Ausgleichsfläche und selbständige Grünanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB sein kann, sondern eindeutig und ausschließlich dem einen oder anderen Zweck – und damit hinsichtlich seiner Finanzierung auch eindeutig und ausschließlich einem „Schuldnerkreis“ zugewiesen werden muss:

-

 

es geht entweder um Ausgleichsmaßnahmen für Maßnahmen des Straßenbaus, dann sind finanzierungspflichtig die Anlieger der betreffenden Straße als Erschließungsbeitragspflichtige,

 

-

 

oder um Ausgleichsmaßnahmen für Maßnahmen außerhalb des Straßenbaus, dann sind finanzierungspflichtig nur die Eigentümer der Grundstücke, auf denen die Bebauung oder der sonstige Eingriff stattfindet,

 

-

 

oder um die Schaffung einer selbständigen Grünanlage, dann sind finanzierungspflichtig deren Anlieger i.S.d. Erschließungsbeitragsrechts.

             

Das Vorstehende schließt zwar nicht aus, dass eine Grünanlage im Ganzen mehreren Zwecken dient, weil darin eine Ausgleichsfläche neben einer Fläche liegt, die selbständige Grünfläche i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB ist. Das bedeutet indessen, dass die Kosten auf die Ausgleichsfläche und die Grünanlage verteilt werden müssen.“

Unsere Hinweise:

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zur Beitragsfähigkeit von Ausgleichsmaßnahmen bei Rdnr. 192a.


Unsere Tipps für die Praxis:

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