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26.01.2012

Vorauszahlung auf Straßenausbaubeitrag

Eine Gemeinde hatte im Rahmen eines neuen Verkehrskonzeptes die Ortsdurchfahrtsstraße zeitlich gestreckt in zwei technischen Bauabschnitten ausgebaut und dabei insbesondere auch den Übergang zu den anschließenden Straßen mit dem Ziel umgestaltet, Fahrzeugverkehr zur Entlastung des innerörtlichen Bereichs aufzunehmen.

 

Der Fall:

 

Eine Gemeinde hatte im Rahmen eines neuen Verkehrskonzeptes die Straße A. zeitlich gestreckt in zwei technischen Bauabschnitten ausgebaut und dabei insbesondere auch den Übergang zu den anschließenden Straßen mit dem Ziel umgestaltet, Fahrzeugverkehr zur Entlastung des innerörtlichen Bereichs aufzunehmen. Im Gegensatz zur Gemeinde sah das Verwaltungsgericht die Straße A. deswegen nur noch als Teil eines weitaus längeren Straßenzugs an, bewertete die Erneuerungsmaßnahme aber gleichwohl als einen beitragsfähigen Teilstreckenausbau. Der VGH teilte demgegenüber die Sichtweise der Gemeinde und fasste dabei seine Rechtsprechung zu einigen immer wieder aufgeworfenen allgemeinen Problemen zusammen.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

1. Ein Beitrag kann auch für solche Ausbaumaßnahmen erhoben werden, die vor Inkrafttreten einer Beitragssatzung durchgeführt worden sind.

„Der Erhebung von Beiträgen und Vorauszahlungen … steht nicht entgegen, dass die Beklagte mit der Ausbaumaßnahme an der östlichen Teilstrecke bereits 1996, also vor dem Inkrafttreten der Ausbaubeitragssatzung vom 27. Oktober 2003, begonnen hatte. Wie Art. 5 Abs. 8 KAG klarstellt, dürfen Beiträge (auch) für solche Ausbaumaßnahmen erhoben werden, die vor dem Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung endgültig abgeschlossen worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 15.10.2009 – 6 B 08.1431 – VGH n.F. 62, 146/148 f. <RdNr. 25>; Stadlöder in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, RdNr. 237 zu Art. 5). Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich und gilt auch mit Blick auf eine nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG beitragsfähige Erneuerung, die zwar in Art. 5 Abs. 8 KAG nicht ausdrücklich genannt, dem Sinnzusammenhang nach aber mit erfasst ist. Da seit Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 26. März 1974 (GVBl S. 109) am 1. Juli 1974 jeder Grundstückseigentümer grundsätzlich mit einer Belastung durch Straßenausbaubeiträge rechnen muss, ist ein etwaiges Vertrauen der Betroffenen darauf, von einer Beitragspflicht überhaupt verschont zu bleiben, nicht schutzwürdig. Insbesondere lässt sich ein schutzwürdiges Vertrauen nicht aus den Vorgängersatzungen vom 6. November 1991, 20. November 1998 und 25. November 2002 herleiten, an deren Stelle die Ausbaubeitragssatzung vom 27. Oktober 2003 getreten ist. Denn diese Satzungen waren insgesamt nichtig (vgl. VerfGH, E.v. 12.1.2005 VerfGH 58, 1/26), weil sie die Beitragspflicht an das Erschlossensein im Sinn von § 131 Abs. 1 BauGB geknüpft und damit auf die baulich oder gewerblich nutzbaren Grundstücke ein­geengt haben, was mit dem Vorteilsbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG nicht vereinbar ist und den Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage überschreitet (vgl. BayVGH, Urt. v. 10.7.2002 – 6 N 97.2148 – VGH n.F. 55, 121 ff.). Die Betroffenen sind grundsätzlich nicht davor geschützt, dass die Gemeinde eine nichtige Satzung durch eine wirksame ersetzt und damit auch für bereits abgeschlossene Baumaßnahmen Beitragspflichten entstehen lässt.“

 

2. Bei der Erhebung von Vorauszahlungen bestimmt sich die Frage, wo die zu erneuernde Ortsstraße beginnt und wo sie endet, prognostisch danach, wie sie sich nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms darstellen wird.

„Da die Beklagte, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, weder eine rechtliche Abschnittsbildung noch eine Zusammenfassungsentscheidung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG … beschlossen hat, ist als Gegenstand der beitragsfähigen Ausbaumaßnahme auf die einzelne Ortsstraße als die maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG abzu­stellen. Wo eine solche Ortsstraße beginnt und wo sie – auch in der Form des Übergangs in eine andere Ortsstraße – endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln (ständige Rechtsprechung; vgl. BayVGH, U.v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – BayVBl 2010, 470 m.w.N.). Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten. Zugrundezulegen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (vgl. BayVGH, Urt. v. 12.6.2006 – 6 BV 02.2499 – juris <Rdnr. 18>). Bei der – hier in Streit stehenden – Erhebung von Vorauszahlungen, die begrifflich immer vor dem Entstehen der endgültigen sachlichen Beitragspflichten erfolgt, ist demnach prognostisch nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung zu bewerten, wie die Ortsstraße sich nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms insbesondere im Verhältnis zu den sich anschließenden Straßen darstellen wird (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 13.8.2010 – 9 LB 148.08 – juris <Rdnr. 17> zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Gemessen an diesem Maßstab ist als maßgebliche Ortsstraße A. mit der Beklagten die Strecke von der (Hälfte der) J.-Brücke im Osten bis auf Höhe des Denkmals … im Westen anzusehen. Das hat der vom Senat eingenommene Augenschein an der Straße ergeben, die inzwischen entsprechend dem – unverändert gebliebenen – Bauprogramm ausgebaut ist.“

 

3. Bei einem beitragsfähigen Teilstreckenausbau sind bei der Aufwandsverteilung sämtliche Anliegergrundstücke zu berücksichtigen

„Handelt es sich mithin bei der Straße A. in den von der Beklagten zu Grunde gelegten Ausmaßen um die maßgebliche Einrichtung, stellt sich nicht die vom Verwaltungsgericht in Auseinandersetzung mit dem Senatsurteil vom 28. Januar 2010 – 6 BV 08.3043 – (BayVBl 2010, 470) erörterte Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einer langen Ortsdurchfahrt schon die Erneuerung einer relativ kurzen, weniger als 25% der gesamten Straßenlänge umfassenden Teilstrecke beitragsfähig sein kann. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei gleichwohl darauf hingewiesen, dass die vom Verwaltungsgericht angenommene beitragsrechtliche Verselbstständigung und gesonderte Abrechnung einer erneuerten Teilstrecke ohne wirksame rechtliche Abschnittsbildung mit dem Einrichtungsbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 3 KAG nicht in Einklang steht. Da Gegenstand einer beitragsfähigen Erneuerung immer die jeweilige Straße insgesamt ist, muss der umlagefähige Aufwand – vorbehaltlich einer wirksamen Abschnittsbildung – auf alle Grundstücke verteilt werden, die mit Blick auf die Straße in ihrer gesamten Länge eine beitragsrelevante qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit haben, im Fall der beitragsfähigen Erneuerung einer Teilstrecke also auf sämtliche Anliegergrundstücke unabhängig davon, ob sie unmittelbar an dem erneuerten Teil angrenzen oder nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, U.v. 28.1.2010 a.a.O. m.w.N.).“

 

4. Ein Grundstück kann der Beitrags- und Vorauszahlungspflicht unterliegen, wenn es vom Straßengrundstück durch einen schmalen, zwar nicht gewidmeten, aber vollständig mit einem Gehweg überbauten Grundstücksstreifen getrennt ist.

„Für einen Sondervorteil im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG, der die Erhebung eines Ausbaubeitrags rechtfertigt, sind nach der Rechtsprechung des Senats zwei Merkmale entscheidend: Zum einen die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Ortsstraße, wie sie bei Anliegergrundstücken und ihnen aus dem Blickwinkel einer rechtlich gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit gleichzustellenden Hinterliegergrundstücken gegeben ist, zum andern eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, als Anlieger von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann (BayVGH, U.v. 18.6.2010 – 6 BV 09.1226 – BayVBl 2010, 726/727; U.v. 14.4.2011 – 6 BV 08.3183 – juris <RdNr. 18>). Dabei kommt es anders als im Erschließungsbeitragsrecht (Art. 5a Abs. 1 KAG i.V.m. §§ 127 ff BauGB) nicht darauf an, ob die Straße dem Grundstück die wegemäßige Erschließung vermittelt, die für eine zulässige bauliche oder gewerbliche Nutzung erforderlich ist. Vielmehr genügt im Straßenausbaubeitragsrecht die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit als solche, die im Grundsatz jeder sinnvollen und zulässigen, nicht nur der baulichen oder gewerblichen Nutzung zugute kommt (BayVGH, U.v. 15.4.2010 – 6 B 08.1849 – BayVBl 2011, 149 m.w.N.). Ein solcher Sondervorteil liegt mit Blick auf beide Grundstücke der Klägerin vor: …

Eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit besteht auch von dem 1.040 m2 großenund bebauten Grundstück Fl.Nr. X aus. Es reicht zwar „grundbuchmäßig“ nur punktförmig an das gewidmete Straßengrundstück Fl.Nr. Y heran, ist aber der Sache nach gleichwohl als Anliegergrundstück zu betrachten. Denn das zwischen dem Grundstück der Klägerin und dem Straßengrundstück gelegene, spitzwinklig zulaufende und 26 m2 große Grundstück Fl.Nr. Z steht im Eigentum der beklagten Stadt und ist, wie beim Augenschein festgestellt wurde, vollständig mit dem Gehweg der Straße überbaut. Selbst wenn diese Gehwegfläche nicht nach Art. 6 Abs. 8 BayStrWG als gewidmet gelten sollte, so ist sie jedenfalls von der Beklagten der Allgemeinheit als Teil der Ortsstraße zur Verfügung gestellt und damit tatsächlich öffentlich. Schon deshalb steht der Klägerin ein nicht ohne Weiteres entziehbares und damit hinreichendes Benutzungsrecht zu. Dass diese rechtlich gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit nicht nur „auf dem Papier“ steht, belegt der Umstand, dass von dem unmittelbar an der Grenze zu Flurstück Z stehenden Wohnhaus der Klägerin eine Haustür unmittelbar auf den Gehweg führt.“

 

5. Die Erhebung von Vorauszahlungen ist nicht an besondere Fristen gebunden

„Die Entscheidung der Beklagten, von den Straßenanliegern Vorauszahlungen zu verlangen, ist frei von Ermessensfehlern. Dem steht nicht entgegen, dass seit dem Beginn der Ausbaumaßnahme bereits mehr als 10 Jahre vergangen waren und der Abschluss der Maßnahme konkret bevorstand. Denn Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG bindet die Erhebung von Vorauszahlungen ab Beginn der Ausbauarbeiten an keinerlei Fristen (BayVGH, Beschl. v. 14.9.1993 – 6 CS 93.2301). Aus der gesetzlichen Möglichkeit, die Vorauszahlung bereits erheben zu können, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist, kann deshalb auch nicht geschlossen werden, ihre Geltendmachung sei rechtswidrig, wenn sie erst kurz vor Beendigung einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme erfolgt. Allein durch den Zeitablauf ist demnach … eine Verwirkung nicht eingetreten. Besondere Umstände, die ein schutzwürdiges Vertrauen darauf hätten begründen können, dass die Beklagte keine Vorauszahlungen mehr erhebt, liegen nicht vor.“

 

 

Weiterleitende Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie Erläuterungen zur vorgestellten Problematik unter Rdnrn. 2151,2152,2180.

 

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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