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01.03.2012

Teilstrecke einer Straße nur einseitig anbaubar: Zerfällt die Gesamtanlage in Einzelanlagen?

Wann ist eine nicht oder nur einseitig anbaubare Teilstrecke so bedeutend, dass keine einheitlich Betrachtung mehr möglich ist?

 

Der Grundsatz:

 

Eine zum Anbau bestimmte Straße verliert ihren einheitlichen Charakter als Erschließungsanlage unter Umständen dadurch, dass sie streckenweise durch den Außenbereich (§ 35 BauGB) verläuft. Entscheidend ist, ob bei einem Vergleich der durch den Außenbereich führenden Strecke mit der übrigen Strecke der Eindruck erhalten bleibt, es gehe insgesamt (noch) um eine „innerhalb der Baugebiete“ verlaufende Anbaustraße (BVerwG Urt. V. 26.02.1992 Az. 8 C 24.90 KStZ 1992, 212). Nicht entscheidend ist dabei der Blick auf einzelne unbebaubare Grundstücke. Denn es ist darauf abzustellen, ob die Straße der Erschließung eines Gebiets dient und dann in ihrer gesamten Länge Erschließungsfunktion hat. Etwas anderes gilt aber, wenn eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke nicht nur von „untergeordneter Bedeutung“ ist, sondern den „Eindruck einer gewissen Selbständigkeit vermittelt“, was der Fall ist, wenn die Teillänge eine Ausdehnung von mehr als 100 m aufweist; von untergeordneter Bedeutung bleibt das Teilstück, wenn es kürzer als ein Fünftel der Gesamtlänge ist BVerwG Urt. V. 6.12.1996 - 8 C 32.95 GK 1997, 174).

 

 

Der Fall:

 

Nicht entschieden hat das BVerwG, ob seine Rechtsprechung zu den Folgen eines entsprechend langen Teilstraßenstücks auch auf den Fall Anwendung findet, dass die Anbaubarkeit einer Teilstrecke nicht an beiden, sondern nur an einer Straßenseite fehlt. Zerfällt die Gesamtanlage in einem solchen Fall in Einzelanlagen?

 

Zu dieser Frage stellen wir Ihnen eine hochaktuelle obergerichtliche Entscheidung vor.

 

 

Der obergerichtliche Entscheidung:

 

„Für die beidseitige Nichtanbaubarkeit ist in der Rechtsprechung grundsätzlich geklärt, dass die einheitliche Verkehrsanlage aus Rechtsgründen in mehrere Anbaustraßen zerfällt, wenn die beiderseits nicht anbaubare Teilstrecke – erstens – den Eindruck einer gewissen Selbständigkeit vermittelt und sie – zweitens – im Verhältnis zu der Verkehrsanlage insgesamt nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung ist (...). Für den Fall, dass die Anbaubarkeit einer Teilstrecke nur an einer Seite fehlt, wird von dem Verwaltungsgericht ... die Auffassung vertreten, dass hier ebenfalls eine Zerlegung in mehrere Erschließungsanlagen erfolgen müsse, wobei ... zugunsten der bebaubaren Grundstücke an der nur einseitig anbaubaren Erschließungsanlage stets der Halbteilungsgrundsatz Anwendung finde, also auf diese nur die Hälfte des Aufwandes umgelegt werden dürfe.

Dieser Auffassung (...) folgt der Senat nicht. Die ...-Straße verliert, anders als eine über eine längere Strecke beidseitig nicht anbaubare und damit grundsätzlich durch den Außenbereich verlaufende Teilstrecke einer nach natürlicher Betrachtungsweise einheitlichen Verkehrsanlage, auf Grund der nur einseitigen Bebaubarkeit ... nicht ihre Anbaufunktion, bleibt aber durchgängig eine Anbaustraße im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Damit fehlt es aber, anders als bei einer beidseitigen Nichtanbaubarkeit, schon an Rechtsgründen, die eine Aufteilung zwingend erfordern ...  Die in Rede stehende Konstellation erfordert weder die Anwendung eines Halbteilungsgrundsatzes, ... noch im Übrigen bestimmte Kürzungen des Aufwandes (...). Die hier vertretene Auffassung enspricht im Übrigen dem Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit, weil ansonsten der für die einseitig anbaubare Erschließungsanlage entstehende Aufwand, der hier mit Blick auf den Halbteilungsgrundsatz erschließungsbeitragsrechtlich nicht zu reduzieren ist (...), allein auf die durch diese Anlage erschlossenen Baugrundstücke zu verteilen wäre, während die Grundstücke an dem beidseitig anbaubaren Teil der gleichen Verkehrsanlage wegen der Verselbständigung der beidseitig anbaubaren Teilstrecke entlastet würden.“

 

 

Unsere Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen und die einschlägige Rechtsprechung zur sog. „natürlichen Betrachtungsweise“ bei Rdnrn. 7 und 701. Zu den einseitig anbaubaren Straßen, dem Halbteilungsgrundsatz und dem „schlechthin unentbehrlichen Mindestausbau s. Rdnrn. 285 ff.

 

 


Unsere Tipps für die Praxis:

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