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30.09.2013

Hinterliegergrundstück – wieder aktuelle Entscheidung

Ausführungen zur Wegdenkenstheorie, zur einheitlichen Grundstücksnutzung, zur wirtschaftlichen Grundstückseinheit, zur Frage der Erforderlichkeit einer Eigentümeridentität von Vorder- und Hinterlieger, zur sog. schutzwürdigen Erwartungshaltung und zu Besonderheiten in Baden-Württemberg finden Sie in unseren besonders umfangreichen Tipps für die Praxis. 

Der Fall:

Die Kläger sind Eigentümer der jeweils mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücke Flst.Nrn. 590 und 590/3. Die beiden Wohngebäude sind an der Grundstücksgrenze zusammengebaut und werden beide von den Klägern genutzt. Das Flst. Nr. 590 grenzt im Süden an das Straßengrundstück der Erschließungsanlage „Im B...“. Das Grundstück Flst.Nr. 590/3 grenzt in westlicher Richtung unmittelbar an das Grundstück Flst.Nr. 590 an, es liegt jedoch nicht unmittelbar an der Erschließungsanlage.

Mit Bescheid vom 3.3.2010 zog die beklagte Gemeinde für die Straße „Im B...“ die Kläger mit zwei getrennten Bescheiden nicht nur für das Grundstück Flst.Nr. 590, sondern auch für das Grundstück Flst.Nr. 590/3  zu einem Erschließungsbeitrag heran. Die hiergegen erhobenen Widersprüche wies die Rechtsaufsichtsbehörde zurück. Daraufhin erhoben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht und trugen zur Begründung im Wesentlichen vor, das Hinterliegergrundstück Flst.Nr. 590/3 werde durch die Straße „Im B...“ nicht erschlossen, weil es von dort nicht anfahrbar sei. Auch die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit mit dem Grundstück Flst.Nr. 590 komme nicht in Betracht, weil es sich um zwei selbständig bebaubare Grundstücke handele. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Prozessparteien trafen sich im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht wieder.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

Das Anliegergrundstück schöpft den Erschließungsvorteil ab. Aber es gibt Ausnahmen:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 30.5.1997 - 8 C 27.96 - NVwZ-RR 1998, 67) wird ein durch ein baulich genutztes oder nutzbares Anliegergrundstück von der abzurechnenden Anbaustraße getrenntes Hinterliegergrundstück grundsätzlich nicht durch diese Erschließungsanlage i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen. Etwas anderes gilt jedoch ausnahmsweise dann, wenn die Eigentümer der übrigen erschlossenen Grundstücke nach den im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten bestehenden tatsächlichen Verhältnisse schutzwürdig erwarten können, dass auch das Hinterliegergrundstück an der Verteilung des für die abzurechnende beitragsfähige Erschließungsanlage angefallenen umlagefähigen Aufwands teilnimmt. Das ist der Fall, wenn die tatsächlichen Verhältnisse den übrigen Beitragspflichtigen den Eindruck vermitteln, es könne „mit einer erschließungsbeitragsrechtlich (noch) relevanten Wahrscheinlichkeit typischerweise mit einer Inanspruchnahme der Anbaustraße (auch) durch das Hinterliegergrundstück gerechnet werden, die dessen Belastung mit einem Erschließungsbeitrag rechtfertigt“. Das trifft insbesondere dann zu, wenn eine Zuwegung (Zufahrt) von der Anbaustraße über das Anliegergrundstück zum Hinterliegergrundstück vorhanden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.02.1989 - 8 C 78.88 - NVwZ 1989, 1072) oder wenn Anlieger- und Hinterliegergrundstück über ihre gemeinsame Grenze hinaus einheitlich genutzt werden (BVerwG, Urteil vom 15.01.1988 - 8 C 111.86 - BVerwGE 79, 1). ...“

 

Gemeinsame Grundstücksnutzung verwischt die Grundstücksgrenze:

„Hiervon ausgehend können die Eigentümer der übrigen erschlossenen Grundstücke schutzwürdig erwarten, dass auch das streitgegenständliche Hinterliegergrundstück an der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands teilnimmt. Die Kläger sind nicht nur Eigentümer sowohl des Anlieger- als auch des Hinterliegergrundstücks, sondern sie nutzen darüber hinaus die beiden Grundstücke - wie der Augenschein ergeben hat - gemeinsam. Diese gemeinsame Nutzung sowohl der Gebäude als auch der Grünflächen der beiden Grundstücke „verwischt“ aus der maßgeblichen Sicht der übrigen Beitragspflichtigen die Grenze der Grundstücke und lässt diese als ein größeres Grundstück erscheinen, das dieser Größe entsprechend mit Erschließungskosten zu belasten ist.“

 

 

Unsere Hinweise:

 

Die vorgestellte Entscheidung ist wesentlich umfangreicher als hier dargestellt. Wir haben ihr den für die Frage des Erschlossenseins des Hinterliegergrundstücks maßgeblichen Teil entnommen.

Die Daten der Entscheidung, einen Leitsatz des Gerichts, Ausführungen zur Wegdenkenstheorie, zur einheitlichen Grundstücksnutzung, zur wirtschaftlichen Grundstückseinheit, zur Frage der Erforderlichkeit einer Eigentümeridentität von Vorder- und Hinterlieger, zur sog. schutzwürdigen Erwartungshaltung und zu Besonderheiten in Baden-Württemberg finden Sie in unseren heute besonders umfangreichen Tipps für die Praxis.

Im Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen sowie die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte bei Rdnrn. 851 ff. 


Unsere Tipps für die Praxis:

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