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12.09.2013

Grunderwerb als Merkmal der endgültigen Herstellung

 

Der Kläger moniert, der Erschließungsbeitragsbescheid sei rechtswidrig, weil die Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage im Sinne der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten nicht erfüllt seien. Unter welchen Voraussetzungen eine Anlage „endgültig hergestellt“ ist, regeln die Gemeinden in der Erschließungsbeitragssatzung.

 

Der Grundsatz:

 

Die Beitragspflicht für Erschließungsanlagen entsteht gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit deren endgültiger Herstellung. Unter welchen Voraussetzungen eine Anlage in diesem Sinne „endgültig hergestellt“ ist, regeln die Gemeinden in der Erschließungsbeitragssatzung mit den „Merkmalen der endgültigen Herstellung“ (§ 132 Nr. 4 BauGB). Da der beitragsfähige Erschließungsaufwand nicht nur die Kosten für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen und die Freilegung, sondern auch die Kosten für den Erwerb der Flächen umfasst (§ 128 Abs. 1 BauGB), kann auch der Grunderwerb zum Herstellungsmerkmal bestimmt werden, Macht die Gemeinde von dieser Möglichkeit Gebrauch, was in der Praxis die Regel ist, so ist die Erschließungsanlage nicht endgültig hergestellt, wenn nicht auch der Grunderwerb abgeschlossen ist.

 

 

Der Fall:

 

Dem Sachverhalt der obergerichtlichen Entscheidung ist zu entnehmen, dass der (spätere) Kläger von der Gemeinde für die erstmalige endgültige Herstellung einer Straße zu einem Erschließungsbeitrag für sein Grundstück herangezogen worden war. Er macht geltend, der Erschließungsbeitragsbescheid sei rechtswidrig, weil die Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage im Sinne der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten nicht erfüllt seien. Die endgültige Beitragspflicht sei deshalb noch nicht entstanden. Die beklagte Gemeinde sei bislang nicht Eigentümerin der vollständigen Straßenfläche. Zwar habe sie mit den jeweiligen Eigentümern Kaufverträge über die fehlende Teilfläche abgeschlossen. Das Eigentum sei jedoch bislang nicht auf die Beklagte übergegangen. Die jeweiligen Verträge müssten vielmehr wegen Störung der Geschäftsgrundlage rückabgewickelt werden. Hiergegen trägt die beklagte Gemeinde vor, bei der fehlenden Straßenfläche handele es sich um 15 m² aus dem Grundstück des Klägers und um 40 m² aus einem im Eigentum seiner Mutter stehenden Grundstück. Sie habe über beide Teilflächen bereits im Jahr 2006 notarielle Kaufverträge abgeschlossen und den Kaufpreis auch bezahlt. Die Verkäufer seien aber ihren Pflichten, ihr das Eigentum an diesen Grundflächen zu verschaffen, bislang nicht nachgekommen. Insoweit seien beim Amtsgericht Klagen anhängig, mit denen sie die Ansprüche aus den notariellen Kaufverträgen geltend mache. Das genüge aufgrund der besonderen Umstände, um von einer endgültigen Herstellung auszugehen.

 

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

Nicht mit notariellem Kaufvertrag, sondern erst mit Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch ist der Grunderwerb abgeschlossen:

„Der Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten ... ist rechtswidrig, weil die abgerechnete Erschließungsanlage ... noch nicht endgültig hergestellt ist und deshalb die sachlichen Beitragspflichten bislang noch nicht entstehen konnten (... § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Wie der Kläger mit der Berufung geltend macht, fehlt es am vollständigen Grunderwerb, den die Beklagte in ihrer Erschließungsbeitragssatzung als Herstellungsmerkmal im Sinn von § 132 Nr. 4 BauGB bestimmt hat. ...

Der Grunderwerb für die Fläche der Erschließungsanlage kann als Merkmal der endgültigen Herstellung im Sinn des § 132 Nr. 4 BauGB festgelegt werden, muss es aber nicht (...). Die Beklagte hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in § 7 Abs. 1a EBS 1992 bestimmt, dass zu den Merkmalen der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen alle Maßnahmen gehören, die durchgeführt werden müssen, damit die Gemeinde das Eigentum oder eine Dienstbarkeit an dem für die Erschließungsanlage erforderlichen Grundstück erlangt. Diese Merkmalsregelung, die den Anforderungen des § 132 Nr. 4 BauGB und dem Bestimmtheitsgebot genügt, stellt unmissverständlich auf den vollständigen Abschluss des Erwerbs des Eigentums oder einer Dienstbarkeit nach § 873 Abs. 1 BGB einschließlich der Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch ab, der sich auf die gesamte Grundfläche der Erschließungsanlage beziehen muss (...).

Dieses Herstellungsmerkmal ist bislang nicht erfüllt. Die Beklagte hat unstreitig das Eigentum an einer für die Straße erforderlichen Teilfläche von 55 m² nicht erlangt. Auch wenn entsprechende Kaufverträge bereits im Jahr 2006 abgeschlossen worden sind, so fehlt bis heute der Eintrag des Eigentumswechsels in das Grundbuch, auf die es nach § 7 Abs. 1a EBS 1992 zwingend ankommt. Das kann nicht als geringfügig oder unerheblich außer Acht gelassen werden (vgl. BVerwG ...). Bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 1a EBS 1992 lässt nicht den Schluss zu, dass „völlig unbedeutende“ oder „geringfügige“ Restflächen bei der Prüfung, ob der Grunderwerb im Sinne dieser Bestimmung abgeschlossen ist, außer Betracht gelassen werden können. Unabhängig hiervon kann aus Rechtsgründen keine korrigierende Auslegung, wie sie von der Beklagten ins Auge gefasst wird, erfolgen. Denn eine solche Auslegung würde dem für Herstellungsmerkmale geltenden Bestimmtheitsgebot, wie es aus § 132 Nr. 4 BauGB resultiert, widersprechen. Eine Merkmalsregelung, die im Wege der Interpretation mit Begriffen wie „völlig unbedeutend“ oder „geringfügig“ ausgeweitet werden kann, wäre mit dem Gebot der Bestimmtheit nicht zu vereinbaren (vgl. ...).

Da die Merkmalsregelung des § 7 Abs. 1a EBS 1992, wie oben ausgeführt, unmissverständlich auf den vollständigen Abschluss des Eigentumserwerbs abstellt, geht auch der Einwand der Beklagten fehl, sie sei ihren Verpflichtungen aus den notariellen Kaufverträgen nachgekommen, so dass die Weigerung des Klägers und seiner Mutter, ihr das Eigentum an den gekauften fraglichen Flächen zu verschaffen, rechtsmissbräuchlich sei. Gleiches gilt für den Hinweis der Beklagten, sie habe ihre Ansprüche aus den notariellen Kaufverträgen nunmehr gerichtlich geltend gemacht. Diese Umstände ändern nichts daran, dass die Beklagte derzeit mangels Eintragung im Grundbuch nicht Eigentümerin der fehlenden 55 m2 Straßenfläche ist und deshalb die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten für keines der beitragspflichtigen Grundstücke und damit auch nicht für dasjenige des Klägers entstehen konnten.“

  

Unsere Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten obergerichtlichen Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. In Ihrem Matloch/Wiens finden Sie die Erläuterungen zur endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen und zu den Herstellungsmerkmalen bei Rdnrn. 400 ff.; zum Grunderwerb als Herstellungsmerkmal bei Rdnrn. 415 f.


Unsere Tipps für die Praxis:

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