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03.03.2011

Erschlossensein trotz Halteverbot?

Der Fall findet nicht nur für schmale Straßen Anwendung, sondern auch für unübersichtliche Straßenabschnitte, also insbesondere engere Kurven sowie Kuppen

 

Der Grundsatz:

 

Ein Grundstück wird von einer Anbaustraße erschlossen, wenn diese dem Grundstück das an verkehrsmäßiger Erschließung verschafft, was für seine Bebaubarkeit oder beitragsrechtlich vergleichbare Nutzbarkeit erforderlich ist. Das Bebauungsrecht verlangt für die Bebaubarkeit eines Grundstücks regelmäßig dessen Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen („Heranfahrenkönnen“), sofern es nicht ausnahmsweise weniger, nämlich eine fußläufige Erreichbarkeit (Zugang) genügen lässt oder mehr verlangt, nämlich eine Erreichbarkeit dergestalt, dass auf das Grundstück heraufgefahren werden kann. Für Wohngrundstücke genügt es, wenn an ein Anliegergrundstück auf der Fahrbahn der öffentlichen Straße bis zur Höhe dieses Grundstücks mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen gefahren und von da ab (ggf. über einen Geh- und/oder Radweg) das Grundstück betreten werden kann. Für Gewerbegrundstücke bedarf es einer Herauffahrmöglichkeit. Zu den Einzelheiten s. Matloch/Wiens Rdnrn. 821 ff.

 

Der Fall:

 

Ein zum Erschließungsbeitrag herangezogener Grundstückseigentümer ergriff gegen den Beitragsbescheid Rechtsmittel und trug zur Begründung vor, sein Grundstück liege zwar an der Erschließungsanlage an und sei grundsätzlich auch wohnbaulich nutzbar. Das Grundstück sei aber mit Blick auf ein auf der Straße bestehendes absolutes Halteverbot nicht erschlossen. Ohne mehrmaliges – und damit unzumutbares – Rangieren sei auch keine Zufahrt auf sein Grundstück möglich.

 

Das erstinstanzlich angerufene Verwaltungsgericht folgte dieser Argumentation nicht: Das Halteverbot stünde dem Erschlossensein des Grundstücks nicht entgegen, weil es auf derartige straßenverkehrsrechtliche Regelungen nicht ankomme.

 

Die obergerichtliche Entscheidung:

 

Voraussetzung für das Erschlossensein ist, dass auf der Fahrbahn zumindest gehalten werden kann und darf.

„Herangefahren werden kann an ein Anliegergrundstück mit Kraftwagen regelmäßig dann, wenn auf der Fahrbahn einer öffentlichen Straße bis zur Höhe dieses Grundstücks mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen gefahren und von da ab (ggf. über einen Geh- und/oder Radweg) das Grundstück betreten werden kann. ... Nach diesen Maßstäben kann ... nicht über den S.-weg herangefahren werden. Allerdings ist es ohne weiteres möglich, mit Kraftfahrzeugen der genannten Art bis in Höhe des an den S.-weg angrenzenden Flurstücks ... zu fahren. Die weitere Voraussetzung, nämlich das Grundstück von da ab auch betreten zu können, ist jedoch nicht erfüllt. Dafür ist Voraussetzung, dass auf der Fahrbahn zumindest gehalten werden kann und darf. Auf dem S.-weg in Höhe des Flurstücks ... (und auch darüber hinaus) darf jedoch nicht gehalten ... werden. Das betrifft alle Kraftfahrzeuge, ... namentlich auch solche des Grundstückseigentümers. ... Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO ist das Halten unzulässig an engen und unübersichtlichen Straßenstellen. Eng in diesem Sinne ist eine Straßenstelle, wenn der zur Durchfahrt insgesamt freibleibende Raum für ein Fahrzeug höchstzulässiger Breite (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 der Straßenverkehrszulassungsordnung: 2,55 m) zuzüglich 50 cm Sicherheitsabstand bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde. ... Der nur 3,80 m breite S.-weg ist demnach eng im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO, so dass bereits das Halten auf der Fahrbahn verkehrsrechtlich unzulässig ist. Das verkehrsrechtliche Verbot, auf der Fahrbahn zu halten ..., führt zusammen mit dem Umstand, dass auch nicht auf das Grundstück gefahren werden kann, ... dazu, dass es an der erforderlichen verkehrlichen Erreichbarkeit fehlt.“

 

Auf die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung kommt es nicht an:

„Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, dass er für das Halten ... eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 46 StVO erhalten könnte. ... Nach dieser Vorschrift können u. a. in bestimmten Einzelfällen Ausnahmen von Halte- und Parkverboten genehmigt werden.   Richtig ist, dass in Bezug auf das Erschlossensein eines Grundstücks solche Hindernisse unbeachtlich sind, die zu beseitigen allein in der Hand des Grundstückseigentümers liegt. ... Danach reicht die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO zu erhalten, nicht aus, weil es der Grundstückseigentümer nicht allein in seiner Hand hat, die Voraussetzung herbeizuführen. Denn die Erteilung einer derartigen Ausnahmegenehmigung steht im Ermessen der zuständigen Behörde. Der Grundstückseigentümer hat somit nur einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen etwaigen Ausnahmeantrag, nicht jedoch einen Anspruch auf Bewilligung der Ausnahme selbst. ... Die Rechtslage mag anders zu beurteilen sein, wenn der Grundstückseigentümer im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten (vgl. § 133 Abs. 2 BauGB) über eine derartige Ausnahmegenehmigung verfügt oder - zumindest - die zuständige Behörde sich zur Erteilung einer derartigen Genehmigung verbindlich verpflichtet hätte. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. ...

Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass angesichts der geringen Verkehrsbedeutung des S.-weg ein kurzzeitiges Halten zum Ein- und Aussteigen gestattet sein dürfte. Diese Spekulation läuft der unmissverständlichen straßenverkehrsrechtlichen Regelung zuwider, wobei es insoweit auf die etwaig tatsächliche Möglichkeit, sich entsprechend zu verhalten, nicht ankommt.

Ferner reicht die Möglichkeit nicht aus, ein Kraftfahrzeug an anderer Stelle abzustellen und sich fußläufig zu dem Grundstück zu begeben. Nach den in den Akten befindlichen Plänen ist der S.-weg zum einen an keiner Stelle breit genug, um unter Beachtung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften ein Halten oder Parken zu erlauben. Zum anderen würde dies aber auch der eingangs genannten Voraussetzung widersprechen, dass die erforderliche verkehrliche Erreichbarkeit voraussetzt, bis zur Höhe des jeweiligen Anliegergrundstücks fahren und es von da ab betreten zu können. ...“

 

Eine „Herauffahrmöglichkeit“ kann die fehlende Heranfahrmöglichkeit ersetzen:

„Auf die vorstehenden Überlegungen käme es allerdings nicht an, wenn vom S.-weg auf das Flurstück 207 heraufgefahren werden könnte. Denn auch wenn das Herauffahrenkönnen auf das Grundstück rechtlich nicht gefordert ist, wäre diese Form der Erreichbarkeit doch ausreichend, das Grundstück von dieser Straße aus zu erschließen. ... Diese Möglichkeit besteht ... jedoch nicht ... (wird ausgeführt).“

 

Unsere Hinweise:

 

Die Daten der vorgestellten Entscheidung finden Sie in unseren Tipps für die Praxis. Ausführliche Erläuterungen sowie die einschlägige höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung finden Sie in Ihrem Matloch/Wiens bei Rdnrn. 820 ff.


Unsere Tipps für die Praxis:

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